Constantin Schmid im Interview
Skispringen: „Plötzlich steht man dann da und knallt gegen eine Wand“
Constantin Schmid will in der neuen Saison im Skispringen zurück in die Erfolgsspur. Im Interview spricht er über Rückschläge, eine neue Herangehensweise im Sommer und die Ziele für den kommenden Winter.
Oberaudorf - Constantin Schmid befindet sich in unmittelbarer Vorbereitung auf die neue Saison im Skispringen. Der 23-Jährige aus Oberaudorf war einst der deutsche Shootingstar im Weltcup, in den letzten zwei Jahren stagnierte er aber in seiner Entwicklung. Im Interview mit chiemgau24.de spricht er über die Lehren aus der vergangenen Saison und wie er seine Vorbereitung im Sommer umgestellt hat.
Herr Schmid, wie ist Ihre Vorbereitung auf die neue Saison gelaufen?
Constantin Schmid: Ich bin gut in den Sommer gestartet und habe einige Dinge angepasst. Ich wollte mehr Geschwindigkeit in meinen Sprung bekommen und habe mich gemeinsam mit einem Physiotherapeuten gezielt auf das Thema Stabilität konzentriert. Das ist mir beides gut gelungen. Zum Ende der Sommerwettbewerbe lief es nicht wie gewünscht. Ich habe ich mir zu viel Druck gemacht und dann auch Hilfe von außen gesucht.
Wie genau sah das aus?
Schmid: Ich habe gemerkt, dass ich es auf psychologischer Ebene Unterstützung brauchen kann und mir daraufhin ein gutes Netzwerk aufgebaut. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe meine Gedanken sortieren können und bin jetzt deutlich klarer, was den mentalen Aspekt angeht.
Bundestrainer Horngacher hat ein offenes Rennen im Kampf um die Startplätze im Weltcup ausgerufen. Wo sehen Sie sich in dieser Konstellation?
Schmid: Das ist für mich keine neue Situation, ich musste mich bislang in jedem Jahr neu beweisen. Wir haben einen Startplatz weniger*, aber sehr viele gute Skispringer. Das freut mich in erster Linie und spricht für unsere Mannschaft. Anfang November sind die deutschen Meisterschaften. Wenn ich mein Potenzial abrufe, bin ich sehr zuversichtlich, dass ich auch das Ticket für den Weltcupstart lösen werde.
Skispringen: Constantin Schmid geht neue Wege
Die letzte Saison verlief aus deutscher Sicht enttäuschend. Wie wurde die aufgearbeitet?
Schmid: Wir Athleten sind zunächst auf Fehlersuche in unsere eigenen Reihen gegangen und haben die Punkte ausgemacht, bei denen wir Optimierungsbedarf sehen. Dann haben wir uns zusammen, also das gesamte Team, an einen Tisch gesetzt und neue Pläne geschmiedet. Unsere Diskussionskultur ist sehr angenehm, das hat man in diesem Sommer besonders gemerkt.
Welche Lehren haben Sie aus Ihrer wechselhaften Saison gezogen?
Schmid: Ich habe mich in den letzten Jahren nicht so entwickelt, wie ich mir das vorgestellt habe. Es bringt mir aber nichts, zu viel in der Vergangenheit zu graben. Wie bereits erwähnt, habe ich für mich den Entschluss gefasst, mich mehr mit mir selbst auseinanderzusetzen. Das betrifft die körperliche und die psychologische Ebene. In beiden Bereichen sehe ich deutliche Fortschritte.
Klingt nach einer komplizierten Zeit . . .
Schmid: Ja, das kann man so sagen. Mir kam phasenweise die Freude am Skispringen abhanden, aber das gehört der Vergangenheit an. Ich musste mir bewusst machen, dass mir dieser Sport unheimlich viel Spaß macht und nicht nur Arbeit ist, die mit Druck verbunden ist. Durch die gezielte Arbeit im mentalen Bereich fühle ich mich jetzt besser aufgestellt und verstehe es besser, mit Rückschlägen umzugehen.
Wann hat der Prozess des Umdenkens begonnen?
Schmid: Ich bin mit 17 in den Weltcup gekommen, es ging eigentlich immer nur bergauf. Die vergangenen zwei Jahre bin ich in meiner Entwicklung aber stagniert. Plötzlich steht man dann da und knallt gegen eine Wand. Ich wusste nicht genau, wie ich an diese Stelle gekommen war. Gefühlt bin ich in diese Situation hereingerutscht. Das konnte ich so aber nicht einfach laufen lassen und bin in diesem Sommer aktiv dagegen angegangen. Das wird mich nicht nur im sportlichen Bereich weiterbringen sondern ist auch eine gute Basis für das Leben abseits des Sports.
Schauen wir auf die neue Saison. Was sind Ihre Highlights?
Schmid: Es ist ein Winter ohne WM oder Olympia, dennoch erwarte ich eine coole Saison. Die Vierschanzentournee ist natürlich in jedem Jahr ein absolutes Highlight. Aber auch auf die Skiflug-WM, den veränderten Modus bei der Raw-Air-Tour und die neue Polen-Tour freue ich mich sehr.
Die Generalprobe für die Skiflug-WM lief in der vergangenen Saison nicht optimal. Sie verpassten zweimal den 2. Durchgang. Liegt Ihnen die Schanze nicht?
Schmid: Nein, ich mag den Kulm eigentlich sehr gerne. Im letzten Jahr kam irgendwie alles zusammen. Aber ich bin dort auch schon Elfter geworden und erhoffe mir durch meinen veränderten Sprungstil deutliche Fortschritte auch im Skifliegen. Ich freue mich total auf das Event, bei dem ich dann hoffentlich auch dabei sein werde.
Was sind Ihre Saisonziele?
Schmid: Das erste Ziel ist die Qualifikation für den Weltcup. Übergeordnet steht aber, dass ich Spaß am Skispringen haben will und mein Potenzial abrufe. Wenn mir das gelingt, kommen die anderen Ziele von selbst.
Abschließend noch eine Frage zum Kalender – dort sucht man Wettkämpfe im Mixed-Team vergeblich. Wie finden Sie das?
Schmid: Das ist aus meiner Sicht keine gute Entwicklung. Ich bin schon im Juniorenbereich in diesem Format gesprungen und hatte daran immer großen Spaß. Auch aus meinem Umfeld habe ich nur positives Feedback zu den gemischten Teamevents bekommen. Sie tun dem Skispringen sehr gut und sind sportlich sehr hochwertig. Ich hoffe, dass das keine Entwicklung von Dauer ist.
*Hinweis der Redaktion: Im Weltcup 2023/24 haben die Top-Nationen nur noch fünf, statt der bisher sechs garantierten Startplätze. Zum ersten Weltcup der Saison in Ruka tritt die deutsche Mannschaft dennoch zu sechst an, da Pius Paschke beim Continental Cup einen Quotenplatz für den DSV erspringen konnte.
Quelle: chiemgau24.de
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