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Ex-Biathlet im Interview

Biathlon: Lesser in Sorge - „So wird Sport in Deutschland nicht funktionieren“

Biathlon: Erik Lesser spricht mit chiemgau24.de über seine Trainertätigkeit und die Defizite im deutschen Sport.
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Biathlon: Erik Lesser spricht mit chiemgau24.de über seine Trainertätigkeit und die Defizite im deutschen Sport.

2022 beendete Erik Lesser seine Biathlon-Karriere. Inzwischen ist er als Schießtrainer im Deutschen Skiverband tätig. Im Interview spricht er über seinen neuen Job und äußert Sorgen über den Sport in Deutschland.

Ruhpolding - Über viele Jahre zählte Erik Lesser im Biathlon zu den deutschen Leistungsträgern. Inzwischen hat der 35-Jährige die Seiten gewechselt und ist als Trainer tätig. Zudem ist er TV-Experte im Ersten und hostet mit Arnd Peiffer den Podcast ‚Biathlon-Doppelzimmer‘. chiemgau24.de hat den Thüringer am Rande der Deutschen Meisterschaften in Ruhpolding getroffen.

Herr Lesser, Sie sind seit Mai im Deutschen Skiverband tätig. In welcher Funktion?

Erik Lesser: Ich bin am Stützpunkt in Oberhof als Schießtrainer für die Seniorengruppe verantwortlich. Zudem habe ich im letzten Jahr an der Trainerakademie in Köln ein Studium begonnen. 2025 sollte dies beendet sein, dann bin ich hoffentlich Diplomtrainer.

Kommen wir zu Ihrer Tätigkeit als Schießtrainer in Oberhof. Wen betreuen Sie und wie gestaltet sich ihr Alltag?

Lesser: Ich arbeite mit der Seniorengruppe - also mit den Athleten, die den Jugend- und Juniorenbereich schon verlassen haben. Dabei konzipiere ich Programme für das Schießtraining der Athleten und setzte die Trainingseinheiten mit ihnen um. Im Mai beginnen wir mit dem Grundlagenschießen, ab Juni geht es dann ins Belastungsschießen.

Was hat Sie an der Trainertätigkeit überrascht – positiv oder negativ?

Biathlon: Lesser von Boe und Simon beeindruckt

Lesser: Eigentlich nicht wirklich viel. Ich hatte während meiner Karriere schon mit dem Trainerberuf geliebäugelt und mich entsprechend auch kundig gemacht. So bin ich gut vorbereitet eingestiegen.

Wie ist die Qualität am Schießstand, wenn wir über Biathlon im Jahre 2023 sprechen?

Lesser: Enorm hoch. Johannes Thingnes Boe und Julia Simon haben die Messlatte sehr hoch gesetzt. Boe hat in der vergangenen Saison im Stehendschießen neue Maßstäbe gesetzt. Er setzt nach elf Sekunden den ersten Schuss, der in der Regel sauber ist. Dann geht es in einem Rhythmus von ca. 1,5 Sekunden weiter. Dabei ist das Gewehr stets ruhig und die Schüsse sind extrem sauber. Natürlich gelingt das vielen Athleten gelegentlich, bei ihm ist es aber an der Tagesordnung.

Wo ist aus Ihrer Sicht noch Spielraum im Schießen?

Lesser: Ich habe die Vision, dass nach acht Sekunden der erste Schuss abgesetzt wird. Man stellt sich hin, legt die Stöcke weg, findet seine Position und setzt beim Absenken der Waffe den ersten Schuss.

Biathlon: Lesser kritisch: „Da müssen wir uns nicht wundern“

Kann man außergewöhnliche Fähigkeiten am Schießstand lernen, oder ist das nur mit Talent zu erklären?

Lesser: Das kann man lernen. Aber dazu bedarf es zunächst einer guten Grundausbildung. Ein Verständnis für den Anschlag ist die Basis. Wie stehe ich, wie positioniere ich mich richtig. Dann geht es weiter mit dem Abzug, auch die Atmung spielt eine zentrale Rolle. Es kommen sehr viele kleine Komponenten zusammen, die in Summe aber stimmig sein müssen. Klar ist aber eines: Diese Grundlagen müssen im Jugendalter gelegt werden.

Apropos Jugend. Es wird derzeit viel über den Zustand des deutschen Sports geredet. Im Fokus stehen die Reform der Bundesjugendspiele und auch die Sportförderung. Wie blicken Sie auf die Debatten?

Lesser: Fangen wir mal mit dem Leistungssport an. Wenn wir immer weniger Mittel zur Verfügung stellen und der Leistungsgedanke immer unwichtiger wird, müssen wir uns nicht wundern, dass wir bei Großereignissen ohne Erfolge dastehen. Wir haben aber den Anspruch, um Medaillen mitzukämpfen. Dafür reicht es dann nicht aus, sich mit begrenzten Mitteln und in Wohlfühloasen zu bewegen. So wird der Sport in Deutschland nicht funktionieren. Das ist aber nur die Spitze, die Wurzeln liegen viel tiefer.

Sie deuten die Thematik rund um die Bundesjugendspiele an, oder?

Lesser: Sport geht immer nach Leistung. Das ist doch in anderen Bereichen auch so. Wenn ich mich für die Musikschule bewerbe und keinen Ton treffe, werde ich nicht angenommen. Und so ist es im Sport auch. Es geht nicht darum, jemanden zu diskriminieren. Wenn man für eine Sportart ein besonderes Talent und Spaß dabei hat, sollte das gefördert werden. Wenn man für eine Sportart nicht geeignet ist, muss das klar aufgezeigt werden. Sonst nimmt man Kindern die Möglichkeit, andere Dinge auszuprobieren. Ein sportlich eher unbegabtes Kind ist wahrscheinlich in anderen Bereichen wesentlich talentierter. Aber wie soll es das herausfinden, wenn es kein Leistungsprinzip gibt?

Wo sehen Sie Defizite im Übergang in den Leistungssport?

Lesser: Auch hier wird das Leistungsprinzip an manchen Stellen immer mehr aufgeweicht. Leistungssport ist knallhart, da müssen wir uns nichts vormachen. Hinzu kommt die Kürzung von finanziellen und personellen Ressourcen. Frank Busemann hat es nach der Leichtathletik-WM auf den Punkt gebracht. Die Universität in Texas hat einen Sportetat, der mit Deutschland vergleichbar ist. Damit ist eigentlich alles gesagt. Wenn man alles will und immer weniger investiert, dann kann das nicht funktionieren.

Im Rahmen Ihres Studiums haben Sie sich auch mit Sportpädagogik beschäftigt. Was war dabei der zentrale Lerneffekt?

Lesser: Wenn sich die Kinder nach Leistung orientieren und unbedingt gewinnen wollen, dann muss das gefördert werden. Man darf ihnen diesen natürlichen Instinkt einfach nicht nehmen.

Quelle: chiemgau24.de

truf

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