Satellit „BlueWalker 3“
„Besorgniserregender Trend“ – Fachleute warnen vor „immer drängenderem Problem“ am Nachthimmel
Immer mehr Satelliten umkreisen die Erde – das bleibt auch von der Astronomie nicht unbemerkt. Vor allem ein Satellit macht der Forschung derzeit Sorgen.
Copiapó – Als der Satellit „BlueWalker 3“ vor gut einem Jahr von einer SpaceX-Rakete ins Weltall transportiert wurde, waren die Befürchtungen aus der Astronomie groß. Der große Satellit könnte zu einem der hellsten Objekte am Nachthimmel werden, befürchteten Fachleute damals. Ende 2022 zeigten Messungen dann, dass der Satellit der Betreiberfirma AST SpaceMobile tatsächlich heller ist als die meisten Sterne am Nachthimmel. Nun hat ein internationales Forschungsteam eine Studie mit neuen Details zum Satelliten „BlueWalker 3“ und seinen Einfluss auf die Astronomie veröffentlicht.
„Die Beeinflussung der Astronomie durch Satelliten ist in den letzten Jahren zu einem immer drängenderen Problem geworden“, betont die Erstautorin Sangeetha Nandakumar (Universidad de Atacama Chile). Das hat vor allem mit der „Starlink“-Satellitenkonstellation des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX von Elon Musk zu tun. Mehr als 4800 dieser Satelliten befinden sich mittlerweile in einem niedrigen Erdorbit und sind – auch wenn es im Laufe der Zeit besser wurde – immer wieder hell am Himmel zu sehen.
„Starlink“-Satelliten sind hell am Himmel zu sehen – andere Konstellationen sind geplant
Zwar waren auch vor den „Starlink“-Satelliten immer wieder künstliche Erdtrabanten für kurze Zeit am Himmel zu sehen – etwa die Internationale Raumstation ISS, die man gelegentlich sehr hell am Himmel sehen kann. Doch erst mit den „Starlink“-Satelliten wurde das Problem sichtbar. Weil zahlreiche weitere „Starlink“-Satelliten sowie Konstellationen anderer Anbieter geplant sind, ist die Astronomie mittlerweile alarmiert.
„Der Nachthimmel ist ein einzigartiges Labor, in dem Wissenschaftler Experimente durchführen können, die in irdischen Labors nicht möglich sind“, erklärt Co-Autor Dave Clements (Imperial College) in einer Mitteilung und fährt fort: „Astronomische Beobachtungen haben Einblicke in die Grundlagenphysik und andere Forschungen an den Grenzen unseres Wissens geliefert und die Sicht der Menschheit auf unseren Platz im Kosmos verändert.“ Der unberührte Nachthimmel sei außerdem auch ein wichtiger Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes der Menschheit, so der Forscher.
Studie: Satellit „BlueWalker 3“ ist sehr hell – und stört die Astronomie
Daten von professionellen und Amateur-Beobachtenden wurden in der Studie, die im Fachjournal Nature veröffentlicht wurde, zusammengefasst und zeigen: Nachdem „BlueWalker 3“ seine Antennen komplett entfaltet hatte, wurde er plötzlich deutlich heller. Kein Wunder: Mit einer Fläche von 64 Quadratmetern hat der Satellit das größte kommerzielle Antennensystem, das im niedrigen Erdorbit jemals genutzt wurde.
Dank Beobachtungen aus Chile, den USA, Mexiko, Neuseeland, den Niederlanden und Marokko konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch die Flugbahn des Satelliten berechnen und ermitteln, wie sie sich durch Faktoren wie den Luftwiderstand verändern kann. Die genaue Umlaufbahn von Satelliten zu kennen ist für die Forschung besonders wichtig, denn nur so kann vermieden werden, dass die hellen Himmelskörper beispielsweise Aufnahmen stören.
Studie macht einen beängstigenden Satelliten-Trend aus
Wie die Studie zeigt, kann „BlueWalker 3“ nicht nur die Astronomie, die im sichtbaren Bereich arbeitet, stören, sondern auch die Radioastronomie. Der Satellit nutzt nämlich ähnliche Wellenlängen wie Radioteleskope. Besonders tragisch: Einige Radioteleskope befinden sich in sogenannten „Funkruhezonen“, in denen störende Radiosignale verboten sind. Doch diese Einschränkungen gelten nur für irdische Signale – die Satelliten können die Radioteleskope von oben bisher stören. Der Studien-Mitautor Mike Peel (Imperial College) hat erkannt: „Es sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um Strategien zum Schutz bestehender und künftiger Teleskope vor den zahlreichen Satelliten zu entwickeln, deren Start im nächsten Jahrzehnt geplant ist.“
| Objekt | Helligkeit am Nachthimmel |
|---|---|
| Vollmond | -12,73 mag |
| ISS | -5 mag |
| Venus | -4,67 mag |
| Jupiter | -2,94 mag |
| Sirius (hellster Stern) | -4,46 mag |
| Saturn | -0,47 mag |
| BlueWalker 3-Satellit | 0,4 mag |
| Polarstern | 1,97 mag |
| Orionnebel | 3,7 mag |
| andere Satelliten | 4-6 mag |
Die Forscherinnen und Forscher, die an der Studie beteiligt waren, machen einen für die Astronomie beängstigenden Trend aus und fordern Taten: „Diese Ergebnisse zeigen einen anhaltenden Trend zu größeren und helleren kommerziellen Satelliten, was angesichts der Pläne, in den kommenden Jahren viele weitere Satelliten zu starten, besonders besorgniserregend ist“, betont Mitautor Siegfried Eggl (University of Illinois).
Helle Satelliten sorgen für Konnektivität – und stören die Forschung
Der Forscher ist sich sicher: „Während diese Satelliten eine Rolle bei der Verbesserung der Kommunikation spielen können, ist es zwingend erforderlich, dass ihre Beeinträchtigung wissenschaftlicher Beobachtungen minimiert wird. Dies könnte vorzugsweise durch eine fortgesetzte Zusammenarbeit bei den Bemühungen um Abschwächung erreicht werden, oder, falls dies nicht gelingt, durch die Forderung nach einer Folgenabschätzung vor dem Start als Teil künftiger Startgenehmigungsverfahren.“
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Das Thema ist für die Astronomie kein einfaches, wie die Forscherinnen und Forscher betonen. „Die astronomische Gemeinschaft versteht die Notwendigkeit einer größeren Konnektivität und einer Verbesserung des Internetzugangs, insbesondere für ländliche und unterversorgte Gemeinden“, erklärt Mitautor Jeremy Tregloa-Reed (Universidad de Atacama Chile) in einer Mitteilung. Der Fortschritt müsse jedoch gegen die negativen Auswirkungen abgewogen werden, die die Satelliten auf den Nachthimmel haben könnten.
Regulierung von Satelliten-Starts sind ein Problem
Ein Problem sieht Tregloa-Reed in der Regulierung: „Dies ist ein globales Problem, da Satelliten, die von einem beliebigen Land genehmigt wurden, am Nachthimmel auf der ganzen Welt zu sehen sind, was die Bedeutung einer internationalen Koordinierung unterstreicht.“ AST SpaceMobile plant, weitere etwa 90 Satelliten „in naher Zukunft“ ins Weltall zu schicken, um besseren Internetempfang möglich zu machen. Eine Sache steht bereits fest: Die Beobachtung des Satelliten „BlueWalker 3“ wird weitergehen. (tab)