Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Wassserski-Profi Jana Meier im Nahost-Konflikt

„Die Geräusche, die Sirenen und die Raketen“: Oberaudorferin über die Attacke auf Israel

Jana Meier erzählt von ihren Eindrücken aus Israel.
+
Jana Meier erzählt von ihren Eindrücken aus Israel.

Seitdem die militant-islamistische Terrororganisation Hamas eine Attacke aus dem Gazastreifen auf Israel gestartet hat und eine Spur von Tod und Verwüstung hinterließ, droht der Nahostkonflikt wieder zu eskalieren. Jana Meier aus Oberaudorf erlebte den Angriff am Samstag (7. Oktober) während eines Trainingslagers südlich von Tel Aviv. Sie berichtet von einem Land im Ausnahmezustand.

Tel Aviv/Oberaudorf - Es ist der vierte Oktober, als Jana Meier ihre Koffer packt und sich auf den Weg nach Israel macht. Am 22. Oktober finden dort die Europameisterschaften im Wasserskifahren statt. Als zweifache deutsche Meisterin sowie amtierende Vizeeuropameisterin zählt die 25-Jährige zu den Anwärterinnen auf eine Medaille.

Jana Meier aus Oberaudorf reist nach Israel

Die Tage vor Beginn des Wettbewerbs will Meier nutzen, um zu trainieren und Freunde zu besuchen. Es ist nicht ihr erstes Mal in Israel, schon viele Male hat sie das Land besucht. Zuerst 2015. „Ich wollte halt drei, vier Tage für mich da verbringen, um ein bisschen runterzukommen und mich gut für das Turnier, also für die Europameisterschaften vorzubereiten“, sagt Jana gegenüber rosenheim24.de am Telefon. Sie verbringt entspannte erste Tage in Israel, trainiert, trifft Freunde, will sich entspannen. Während ihres Aufenthaltes wohnt sie bei ihrer Freundin Lisa.

Attacke der Hamas am Samstag

Dann kommt der Samstag. Jana erzählt beinahe minutiös von dem Tag. „Eigentlich war es so: Ich bin um 6.15 Uhr aufgestanden, weil wir um viertel vor sieben zum Training wollten.“ Sie geht ins Bad, macht sich fertig für den Tag. Auf einmal hört man Sirenen. „Und ich weiß noch, in meinem Kopf war das erste so, ‚ach ja, ganz normal, das ist der erste Samstag im Monat.‘ Dann hat Lisa geschrien und hat gesagt: ‚Jana, wir müssen sofort auf den Flur‘. Und dann haben wir auf den Flur gewartet und man halt die diese Töne gehört, die Geräusche, die Sirenen und die Raketen, die halt die Bomben abgewehrt haben.“

Ausmaß des Angriffs anfangs noch nicht erkennbar

Noch ist das ganze Ausmaß des Angriffs nicht erkennbar, immer wieder hat die Hamas in den vergangenen Jahren Raketen aus dem Gazastreifen auf israelische Siedlungen gefeuert. Auch für Lisa, Janas Freundin: „Ich habe gefragt ‚was ist denn das‘? Und sie hat geantwortet: ‚Mach dir keine Sorgen, irgendwer greift wahrscheinlich Israel gerade ein bisschen an.‘“ Die Aussage ihrer Freundin beruhigt Jana etwas. Nach 20 Minuten machen sich die Freundinnen auf den Weg zum fünf Minuten Fußweg entfernten See. Ihre Trainingspartner begrüßen Jana. „Sie haben alle gelacht und so: ‚Hey Jana, how are you?‘ Und ich so: ‚Ja, alles gut, scheint ja für euch normal zu sein.‘ Also ich weiß, ich war sofort irgendwie normal damit.“

Sirenen-Alarm aus der Ferne

Die Sirenen aus der Ferne werden lauter, dann wieder leiser. Kurz vor Beginn des Trainings bekommt Janas Freundin Lisa Videos zugeschickt. Sie zeigen, wie Kämpfer der Hamas in Konvois in israelische Siedlungen eindringen. „Und eigentlich ab dem Zeitpunkt, wo das klar war, dass Terroristen über die Grenze in den Orten sind. Ab dem Zeitpunkt war irgendwie klar, okay, das ist ganz anders als sonst“, beschreibt Jana diesen Moment. Trotzdem geht die Gruppe noch trainieren. „Ich weiß noch: Ich bin da hinten alleine im Wasser und habe gewartet, bis ich abgeholt werde. Und ich lag so im Wasser und habe die Kreise gezählt, diese Ringe oben an der Luft.“ Die weißen Kreise in der Luft sind die Stellen, an denen israelische Abwehrraketen die Bomben der Hamas neutralisiert haben.

Bombeneinschlag: „Es war so laut, ich habe gedacht, die ist neben mir gewesen“

Als Jana gerade erneut an den Start gehen will, schlägt eine Bombe gut 10 Kilometer vom See entfernt ein. „Es war so laut, ich habe gedacht, die ist neben mir gewesen.“ Jana und ihre Freundin gehen nach Hause, verbringen dort gute zwei bis drei Stunden. Dann klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung ist ein israelischer Freund von Jana, bei dessen Familie sie letztes Jahr während ihres Aufenthalts gelebt hat. Dieser holt die beiden Frauen ab, die Familie besitzt einen Bunker. Die nächsten Tage werden Jana und Lisa dort verbringen. „Es war komisch. Von 6 Uhr, 6.30 Uhr, bis 13 Uhr haben sich die Ereignisse so überschlagen. Man hört Nachrichten, sieht das. Von 13 Uhr an war es irgendwie relativ ruhig und gerade das war sehr erschreckend. Wir haben keine Sirenen mehr gehört. Keine Raketenangriffe.“

Jana beobachtet, wie die Stimmung bei ihren israelischen Freunden umschlägt: „Von Minute zu Minute hat man gemerkt, wie bedrückt sie geworden sind. Ganz Instagram war voll von Freunden, die vermisst worden sind. Von Freunden, die bei diesem Festival waren. Von Leuten, die eingezogen worden sind.“

Festival-Massaker in der Nähe des Gazastreifens

Das Festival. Damit meint Jana ein Musikfestival, das am Tag des Angriffs der Hamas auf Israel in der Nähe des Gazastreifens stattfand. Nach einem Angriff waren auf dem Festival-Gelände mindestens 260 Leichen gefunden worden. Zahlreiche Menschen wurden verschleppt. Medien zitierten Augenzeugen, die von einem Massaker sprachen. Im Netz kursieren Videos, die zeigen sollen, wie die Feiernden vor den Schüssen der Angreifer fliehen.

Ein israelischer Soldat steht auf dem Gelände des elektronischen Musikfestivals Supernova nach dem tödlichen Angriff islamistischer Hamas-Kämpfer vom 7. Oktober.

Die Stimmung auf dem Grundstück beschreibt Jana ähnlich mit dem Lockdown in der Corona-Pandemie: „Du warst irgendwie mit verschiedenen Leuten in einem Haus gesessen und hast gewartet. Wir waren die ganze Zeit am Handy. Die Nachrichten liefen die ganze Zeit. Wir haben die ganze Zeit versucht, Echtzeit-Nachrichten zu bekommen. Keiner wusste so richtig, was genau jetzt los ist.“

Suche nach Echtzeit-Nachrichten.

Immer wieder schallt Sirenenalarm durch die Straßen, die Menschen im Haus ziehen sich in den Bunker zurück. Die Tochter der Familie nimmt Lisa und Jana mit, Essen machen für die Soldaten. „Ich habe mich einfach irgendwo hingestellt und angefangen Hummus auf die Brote zu schmieren. Und wir haben dann 500 Sandwiches gemacht.“

„What a time to be in Israel, right?“

Nach getaner Arbeit versammelt sich die Gruppe zum Kaffeetrinken, Jana wird gefragt, woher sie kommt: „Und ich so: ‚Ja, Germany.‘ Und dann sagt er: ‚So you are coming for vacation?‘ Und ich so: ‚ Ja, ja, something like this.‘ Und er sagt: ‚What a time to be in Israel, right?‘ Und ich habe geantwortet: ‚Ja, da habe ich mir die beste Zeit ausgesucht.‘“

Israelische Frauen beim Zubereiten von Essen für Soldaten.

Danach fahren die drei Frauen wieder nach Hause. „Ich muss sagen, es hat sich gut angefühlt, dass du irgendwie irgendwas machen konntest. Weil wir sind dann wieder nach Hause und dann haben wir wieder gewartet. Und dann haben wir wieder die Nachrichten angeschaut. Die Situation war mal etwas angespannter, mal etwas lockerer. Aber wir haben zwischendurch auch gelacht. Ich habe gelernt, vier Akkorde auf der Gitarre zu spielen.“

Bis zu dem Zeitpunkt, als Yam, der Sohn der Familie und Freund von Jana, am Sonntagabend von der Armee-Basis zurückkommt. Der 19 Jahre alte Wasserski-Sportler ist ebenfalls von der Armee benachrichtigt worden, sich zu melden. „Da habe ich dann gemerkt, okay krass, der wird nie wieder so sein wie vorher. Der wird jetzt gezwungen, innerhalb von kürzester Zeit irgendwie erwachsen zu werden.“

Rückreise gestaltet sich schwierig

In den nächsten beiden Tagen versucht Jana, einen Rückweg nach Deutschland zu finden. Vom Auswärtigen Amt fühlt sie sich im Stich gelassen. „Das war so krass“, schildert sie ihre Suche nach einem Weg raus aus Israel. „Ich habe mich da am Samstag registriert. Da kam nur eine Bestätigungsmail. Die erste Nachricht habe ich, glaube ich, am Montag von denen bekommen, dass es eben die Möglichkeit gibt, mit dem Bus nach Amman zu fahren.“ Zu diesem Zeitpunkt empfiehlt das Auswärtige Amt Deutschen Staatsbürgern die Ausreise auf dem Landweg über Jordanien. Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sagte in einem RTL-Interview, die Botschaft habe etwa 100 Deutschen geholfen, in vier Bussen in die jordanische Hauptstadt Amman zu kommen, um von der jordanischen Hauptstadt dann mit dem Flieger nach Deutschland zu gelangen.

Für die 25-Jährige ist das jedoch (wie für viele Deutsche) keine Option, alleine die Busfahrt in Anbetracht der Lage scheint zu unsicher. Schlussendlich bekommt Jana aber doch noch einen Platz in einem Flieger. Der Verbandsleiter des israelischen Wasserski-Verbands hilft ihr bei der Buchung. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kommt Jana am Flughafen von Tel Aviv an.

Jana auf dem Weg zurück nach Deutschland.

Die Stimmung am Flughafen beschreibt sie als sehr aufgeladen. „Unten gab es Freudengesang bei den Arrivals, dort haben sich viele Israelis versammelt und haben gefeiert, dass andere Israelis zurückkommen.“ Die Zurückkehrenden sind zumeist Reservisten, die von der Armee eingezogen worden sind. Auf den Anzeigen am Flughafen leuchten die annullierten Flüge rot auf.

Anullierte Flüge am Flughafen von Tel Aviv.

Nach dem Sicherheitscheck sitzt Jana schlussendlich dann im Flieger und ist auf dem Weg nach Deutschland. Der Stress der vergangenen Tage äußert sich nun auch körperlich. „Dann saß ich im Flugzeug und ich glaube ich bin nach zwei Minuten irgendwie in so einen Halbschlaf gekommen, weil ich so müde war. Ich habe ja in vier Tagen nicht so richtig geschlafen. Und deswegen hatte ich gar nicht so viel Zeit Angst zu haben, dass ich jetzt im Flugzeug sitze.“

Schlange am Sicherheitscheck.

Endlich zuhause

Als das Flugzeug in München landet, in Sicherheit, kann es Jana zunächst nicht wirklich realisieren, wieder in Deutschland zu sein. „Was ich gelernt habe, ist, dass wenn ein Flugzeug startet, hört sich das ziemlich ähnlich an, wie wenn eine Bombe in der Luft neutralisiert wird. Und ich hatte halt vier Tage da verbracht und wir mussten immer überlegen: War das jetzt ein Flugzeug oder war das kein Flugzeug? War das eine Lkw-Tür oder nicht? Oder kam das Geräusch von einer Autotür oder was auch immer. Und ich saß in München und ich habe immer diese Geräusche gehört und die waren halt einfach so präsent in meinem Kopf.“

Obwohl sie wieder zuhause ist, kreisen die Gedanken von Jana weiter um die gegenwärtige Lage in Israel. Sie macht sich Sorgen um ihre Freunde dort. „Ab Samstag, 6.30 Uhr, es wird nie wieder für die so sein, wie um 6.20 Uhr. Ich mache mir Sorgen, dass die Leute einfach nicht mehr so sein werden, wie sie waren. Wenn ich darüber nachdenke weiß ich nicht, wann wir sie wieder sehen werden. Wie sie dann sind, was sie noch weiter erleben werden. Oder ob ich sie überhaupt nochmal sehen werde. Wie sich das alles entwickelt. Mir bereitet das so viel Schmerz.“

Aktuelle Situation bleibt dramatisch

Unterdessen geht der Krieg zwischen der Hamas und Israel unerbittlich weiter. Mitglieder der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas schossen nach eigenen Angaben zwei Langstreckenraketen Richtung Haifa im Norden und Eilat im Süden Israels ab. In Orten südlich Haifas wurde Raketenalarm ausgelöst, wie Israels Armee am Mittwoch (25. Oktober) mitteilte. Auch im Großraum der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv gab es nach Militärangaben wieder Raketenalarm.

Rauch steigt nach einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen auf, vom Süden Israels aus gesehen.

Die Lage im Gazastreifen ist weiterhin katastrophal. Die UN fordern eine deutliche Erhöhung der Hilfslieferungen. Derweil bereitet Israels Militär weiter eine Bodenoffensive vor. Einem US-Medienbericht zufolge soll sich Israel jedoch bereit erklärt haben, sie zu verschieben. Die Lage, sie bleibt angespannt.

fgr

Kommentare