„Man muss sich rechtfertigen“
Österreich führt Abfahrverbot ein – Gardasee-Urlauber reagiert in Tagesthemen verständnislos
In Tirol wurden im Mai strenge Verkehrsmaßnahmen gegen Staus in kleinen Ortschaften ergriffen. Die Entscheidung sorgt für zwiegespaltene Gemüter.
Mittenwald/Scharnitz – Seit dem 9. Mai gelten im österreichischen Bundesland Tirol neue Regeln für Urlauber: Um unerwünschten Verkehr in kleineren Gemeinden zu vermeiden, dürfen Durchreisende an Samstagen, Sonn- und Feiertagen vielerorts nicht mehr in kleinere Ortschaften abfahren, um dem oft massiven Urlaubsverkehr zu entgehen. Stattdessen müssen sie sich an die Umgehungsstraßen halten und unter Umständen Staus in Kauf nehmen. Während sich zahlreiche Anwohner in Österreich über die Maßnahme freuen, trifft sie bei einigen Autofahrern auf Unverständnis.
„Jetzt muss man sich rechtfertigen“: Gardasee-Urlauber kann neues Abfahrtverbot in Tirol nicht nachvollziehen
Eine Entscheidung, die bei einigen Urlaubern Ärger auslöst. „Früher, wenn ich an den Gardasee gefahren bin, bin in einfach über die Landstraße gefahren, weil ich es landschaftlich schön fand“, sagte der Autofahrer Hubert Streidl der ARD-Tagesschau, als er beim Abfahren in eine österreichische Ortschaft kontrolliert wird. Er habe immer gerne einen kleinen „Abstecher“ gemacht - sei über den Pass gefahren, irgendwo angehalten und spontan Essen gegangen. „Und jetzt muss man sich rechtfertigen oder braucht eine Reservierung.“
Das Fahrverbot gilt in den österreichischen Bezirken Innsbruck/Innsbruck Land, Kufstein, Imst und Reutte und soll vorläufig bis Oktober gelten. „Unmittelbar an den Abfahrten werden KFZ-LenkerInnen, sofern sie nicht dem Ziel-, Quell und Anrainerverkehr zugerechnet werden können, keine Möglichkeit haben, örtliche Stauumfahrungen vorzunehmen“, hatte die Tiroler Landesregierung auf ihrer Website angekündigt.
Wer bei der Polizeikontrolle keinen plausiblen Grund für die Fahrt in die Ortschaft hat oder sich als Anwohner ausweisen kann, dem droht ab sofort Bußgeld. Auch der ADAC sieht die Maßnahme kritisch. „Der ADAC tritt für einen freien und ungehinderten Reiseverkehr ein“, schrieb der Verein Anfang Mai auf seiner Website. Man verstehe, dass Tirol unter dem teils massiven Urlaubsverkehr leide. Dennoch seien die Verbote besonders „für Reisende ein Ärgernis“.
Zwischen Verständnis und Unverständnis: Abfahrverbot in Österreich spaltet die Gemüter
Andere Urlauber können die Maßnahme wiederum nachvollziehen. „Ich kann es verstehen. Wenn ich in der Ortschaft wohnen würde, dann wäre es mir auch lieber, wenn dort nicht alle Leute durchfahren“, sagte eine weitere Autofahrerin bei der Kontrolle, die vom ARD begleitet wurde. Die Frau durfte im Anschluss ebenfalls passieren, weil sie eine Reservierung für ein Freizeitbad in der Ortschaft hatte.
Ein Verbot zum Schutz der Anwohner wünscht man sich auch in der kleinen bayerischen Gemeinde Mittenwald nahe der österreichischen Grenze. Der Bürgermeister Enrico Corongiu beobachtet laut eigener Aussage bereits seit einiger Zeit einen zunehmenden Verkehr in dem kleinen Kurort. Doch in Deutschland gibt es keine entsprechende rechtliche Grundlage, um eine ähnliche Regel in Kraft zu setzen. Corongiu findet es im Gespräch mit der ARD „schade“, dass man sich in Deutschland nicht vorübergehend mit Notwehrmaßnahmen helfen kann. „[Solche Abfahrtverbote] würden uns kurzfristig helfen.“
Neben zunehmendem Verkehr in Tiroler Gemeinden ging das Bundesland zuletzt ebenfalls gegen den Massentourismus vor. Mit einem neuen Gesetz soll das Land vor ausländischen Investoren geschützt und gleichzeitig die Landwirtschaft und Einheimische gestärkt werden. Doch viele Gemeinden sehen sich in der neuen Regelung benachteiligt. (nz)
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