Eurovision Song Contest
Spanien beim ESC 2024: Unbekanntes Duo mit provokantem Song
Mit Nebulossa schickt Spanien ein kurioses, und doch ganz gewöhnliches Duo zum ESC-Finale am 11. Mai in Malmö. Mit dem Song „Zorra“ hat das bodenständige Ehepaar bereits im Vorfeld für Aufregung gesorgt – selbst Ministerpräsident Pedro Sánchez äußerte sich zu dem provokanten Lied.
Update, 13. Mai: Das spanische Duo Nebulossa landete beim Eurovision Song Contest in Malmö auf dem 22. Platz mit 30 Punkten, darunter 19 Jurypunkte. Damit schließt Spanien den ESC vor Slowenien, Österreich und Schlusslicht Norwegen ab.
Erstmeldung, 10. Mai: Malmö – In Spanien waren sie bis vor kurzem noch weitestgehend unbekannt, in ihrem Heimatort Ondara an der Urlaubsküste Costa Blanca haben sie mittlerweile Volkshelden-Status erreicht: Nebulossa heißt das kuriose Duo, das Spanien am Samstag, 11. Mai, beim ESC-Finale 2024 in Malmö mit dem Song „Zorra“ vertritt und dabei so anders ist als die Kandidaten der letzten Jahre: Sängerin María „Mery“ Bas liegt mit ihren 55 Jahren weit über dem Durchschnittsalter beim Eurovision Song Contest, der männliche Part des Duos, Mark Dasousa (47) ist ihr Ehemann, mit dem die gelernte Friseurin in ihrer Heimatstadt gemeinsam einen Friseursalon betreibt. Kurios ist auch die Geschichte, wie sich das Ehepaar kennenlernte: Mery Bas war einst sein Kindermädchen, passte als Jugendliche auf den 8 Jahre jüngeren Dasousa auf, wenn dessen Eltern unterwegs waren.
Spanien beim Eurovision Song Contest 2024: Selbst Ministerpräsident äußerte sich zu Nebulossas Song
Bodenständig sind die Eltern von zwei Kindern, und doch provozieren die beiden mit ihrem Song „Zorra“ – sogar Spaniens Ministerpräsident äußerte sich zu dem Lied. Denn das Wörtchen „Zorra“, das dem spanischen ESC-Song 2024 seinen Titel verpasst und im Refrain unzählige Male wiederholt wird, heißt zwar wörtlich übersetzt ganz harmlos „Füchsin“. Aber umgangssprachlich ist es in Spanien als „Schlampe“ zu verstehen. Als der spanische ESC-Beitrag nach dem Vorentscheid im Februar feststand, diskutierte denn auch das halbe Land über die Frage, ob man mit solch einem provokanten Titel in Malmö punkten könne – und ob der doppeldeutige Titel überhaupt die ESC-Richtlinien überstehen würde. Letzteres gelang. Zumal das Duo Nebulossa mit „Zorra“ keineswegs beschimpfen will, vielmehr haben Mery Bas und Mark Dasousa den Spieß umgedreht, Bas singt in dem Synthie-Pop-Song im 80er Jahre Stil von starken, unabhängigen Frauen, die als Zorras, Schlampen, beschimpft werden, aber stolz sein sollten auf ihre Selbstbestimmtheit. Und so wird „Zorra“ in dem Song quasi zum Kompliment.
Das sieht auch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez so. In einem Fernseh-Interview nach Nebulossa und dem provokanten ESC-Song gefragt, sagte er nach dem ESC-Vorentscheid in Benidorm: „Feminismus ist nicht nur gerecht, sondern auch unterhaltsam. Diese Art von Provokation muss zwangsläufig aus der Kultur kommen.“ Provokant ist dabei nicht nur der Songtitel, sondern auch die Performance: Viel nackte Haut ist zu sehen, aber nicht von Sängerin Mery Bas, sondern von ihren zwei männlichen, bärtigen Tänzern in schwarzen Highheels. Den Segen vom Regierungschef hat Spaniens ESC-Duo also, den aus ihrem Heimatort an der Costa Blanca ebenfalls. Aber wie stehen die Chancen auf einen Sieg in Malmö? In den Wettbüros wird Spanien wenige Tage vor dem ESC-Finale lediglich im unteren Mittelfeld gehandelt – an den berauschenden dritten ESC-Platz von Chanel vor zwei Jahren dürfte Nebulossa nicht anknüpfen können, sollten die Wettbüros recht behalten. Dabei hätte Spanien einen ESC-Sieg durchaus mal wieder verdient: Erst zweimal holten die Spanier den Titel, nämlich 1968 und 1969 direkt in Folge. Seitdem sieht es mau aus.
Provokanter Song für Spanien beim ESC 2024: Bis vor kurzem war das Duo Nebulossa noch unbekannt
Nebulossa jedenfalls hat mit seinem provokanten Song zumindest in Spanien jetzt schon gewonnen: Das Land feiert das kuriose Duo und „Zorra“, hat die Botschaft hinter dem Synthie-Pop-Song verstanden. Zumal Nebulossa große Sympathieträger sind: Bodenständig sind die Betreiber eines Friseursalons geblieben, auch wenn sie in wenigen Monaten im ganzen Land Fans dazugewonnen haben. Noch im Juni 2022 kamen bei einem Nebulossa-Konzert in Zaragoza gerade einmal 12 Zuschauer. Eineinhalb Jahre später konnten Tausende Spanier „Zorra“ beim Finale des ESC-Vorentscheids bereits mitbrüllen.
Der Song hat das sympathische Duo mit den wasserstoffblonden Haaren über Nacht berühmt gemacht, vor der Abreise nach Malmö wurden Nebulossa in ihrer Heimat groß verabschiedet. Dass Spanien voraussichtlich nicht siegen wird, weiß hier jeder. Und dennoch sind die Spanier stolz auf ihre „Füchsin“ Mery Bas und Ehemann Dasousa. Eben weil sie so anders sind: eigentlich viel zu „alt“ für den ESC, Eltern von zwei Kindern, erst seit 2018 und bislang eher hobbymäßig auf Wunsch von Mery Bas im Musikbuisness unterwegs, ein ganz normales Ehepaar mit einem ganz normalen Beruf. Kritik perlt an dem Duo ab, dass Mery Bas nicht die stimmgewaltigste Sängerin ist, weiß sie selber. Den beiden geht es um die Botschaft, die hinter ihrem Song steckt. Und darum, den Auftritt beim Eurovision Song Contest zu einer großen Party werden zu lassen. In Spanien haben sie das bereits geschafft, das Land feiert kräftig mit Nebulossa mit.