Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Wirbel um Whelan

Ticket-Skandal wird zur Schlammschlacht

Raymond Whelan
+
Raymond Whelan.

Rio de Janeiro - Kurz vor WM-Ende liefern sich die Polizei und der FIFA- Vertragspartner Match Services einen offenen Schlagabtausch, der skurrile Züge annimmt.

Nicht nur auf dem Fußball-Platz trägt sich in diesen Tagen in Brasilien Erstaunliches zu. In Rio de Janeiro, dort wo am Sonntag das Finale ausgetragen wird, messen Polizei und Staatsanwälte und ein mächtiger FIFA-Vertriebspartner, die Match Services, ihre Kräfte. So hat es zumindest den Anschein. Im Fokus: Der britische Match-Topmanager Raymond Whelan. Die Kulisse: Das luxuriöse Nobelhotel Copacabana Palace. Der Vorwurf lautet auf illegalen Tickethandel im großen Stil. Match dementiert, die Ermittler beharren und wollen Whelan verhaften. Der suchte indes Zuflucht bei seinem Anwalt in Rio.

Die Staatsanwaltschaft betrachtet den 64-Jährigen offiziell als flüchtig. Gegen ihn war am Donnerstag Haftbefehl ergangen, doch verließ er kurz vor dem Eintreffen der Polizei das noble Copacabana Palace durch die Hintertür. In dem zur WM hermetisch abgeriegelten Hotel an der Avenida Atlântica residiert zur WM die Topspitze des Weltverbandes, auch FIFA-Präsident Joseph Blatter. Schon am Montag nahm die Polizei Whelan dort in seiner Suite vorübergehend fest.

Whelan wird vorgeworfen, einer Ticketschieberbande Zugang zu WM-Eintrittskarten verschafft zu haben. Die Anschuldigung ist Teil der Ermittlungsergebnisse der groß angelegten Polizeiaktion „Operation Jules Rimet“. Insgesamt zeigte die Staatsanwaltschaft zwölf Personen an und erließ gegen elf Haftbefehle. Sie sind nach Überzeugung der Polizei Mitglieder eines Ticket-Dealerrings, der WM-Eintrittskarten zu stark überhöhten Preisen verkauft haben soll. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: aktive Korruption, illegaler Tickethandel, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche.

FIFA-Partner dementiert Whelans Flucht

Seit Tagen gibt es einen offenen Schlagabtausch zwischen den Behörden und der Firma Match Services, die auch am Freitag wieder nachlegte. Whelan sei mitnichten auf der Flucht, sondern bei seinem Anwalt Fernando Fernandes, hieß es in einer Mitteilung. Dieser habe nach einer ersten Ablehnung zur Aufhebung des Haftbefehls gegen Whelan eine Prüfung dieser Entscheidung beantragt. „Nach unserem Verständnis hat jeder Beschuldigte in Brasilien das fundamentale Recht, sich einer Verhaftung zu entziehen, wenn er der Meinung ist, diese sei willkürlich und illegal“, so die Argumentation von Match Services.

Besonders sauer reagierte Match in den vergangenen Tagen auf die mutmaßliche Lancierung genehmigter Abhörprotokolle an brasilianische Medien. Darauf war Whelan zu hören, wie er am Telefon mit dem bereits inhaftierten Algerier Lamine Fofona über Ticket-Pakete und vierstellige Dollar-Summen spricht. Allein das sieht Match als illegal an. Aber die Firma wirft der Polizei auch unverhohlen vor, das komplexe Ticketsystem gar nicht verstanden zu haben. Das Gespräch sei völlig legal gewesen.

Match-Manager Whelan wurde von seinen Chefs von jedem Vorwurf reingewaschen. Doch wen wundert's, ist doch Co-Firmenboss Enrique Byrom mit Whelans Schwester verheiratet. Die Kritik des FIFA- Partners richtet sich vor allem gegen die Ermittler: „Der 18. Polizeibezirk von Rio macht Annahmen ohne eine saubere Untersuchung und mit einem minimalen Verständnis, wie das System zum Verkauf von Ticket- und Hospitality-Paketen wirklich funktioniert.“

Die harschen Attacken gegen die Sicherheitsbehörden im WM- Gastgeberland ließen auch die Regierung nicht kalt. Sportminister Aldo Rebelo wies die Anschuldigungen zurück und betonte die Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung in Brasilien. „Es wurde kein Beweis präsentiert, dass die Ermittlungen über oder unter der legalen Grenze waren. Die Gerichte haben die Aufgabe, die Dinge zu bewerten. Ich weiß nicht, warum diese Firma sagt, die Polizei habe illegal gehandelt“, betonte Rebelo.

Elf WM-Thesen im Check: Was stimmte wirklich?

Elf WM-Thesen im Check: Was stimmte wirklich?

WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Vor der WM in Brasilien wurden viele Klischees bedient. Teams aus Europa können nicht gewinnen. Das System der Dominanz durch Ballbesitz von Bayern-Trainer Pep Guardiola hat ausgedient und die WM wird von Massendemos überschattet. Doch welche These hat sich bewahrheitet, was blieb Legende? © Montage AFP/dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
These 1: Teams aus Europa haben in Südamerika keine Chance! © dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Fakt: Falsch. Die historischen Fakten haben ausgedient. Die alte Fußball-Welt hat die Angst vor ihrem Problemkontinent Südamerika abgelegt. Nur ein Sieg der Niederlande im Elfmeterschießen fehlte zum rein europäischen Finale in Rio de Janeiro - es wäre das dritte in Serie und zudem das dritte auf einem anderen Kontinent gewesen. Egal, wo gespielt wird: Die Topteams aus Europa sind titelreif. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
These 2: Das Brasilien-Wetter führt zu langsamem, taktischem Fußball mit wenig Toren! © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Fakt: Falsch. Große Hitze im Norden. Kälte im Süden. Und Dauerregen an der Küste. Die Klimabedingungen waren extrem. Aber an der Angriffsphilosophie änderte das gar nichts. Die Topprofis sind austrainiert genug, um hohes Tempo zu gehen. Sogar die Experten der Studienkommission der FIFA trauten ihren Augen nicht, dass fast alle Teams auf Offensive setzten. Den Fan freute das besonders. © dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
These 3: Wer sich an die Bedingungen in Brasilien nicht anpasst, hat schon verloren! Die Engländer beispielsweise trainierten dafür mit Mütze und Handschuhe - trotz warmer Temperaturen. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Fakt: Richtig. Das Brasilien-Mantra von Joachim Löw war die beste Einschätzung. Mentale Vorbereitung auf die extremen Bedingungen war das wichtigste Kriterium bei einer professionellen Turnierplanung. Wer in Brasilien mehr mit sich selbst beschäftigt war, als den Rhythmus des Landes anzunehmen, wie Engländer, Spanier oder Italiener, musste schnell wieder nach Hause. © dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
These 4: Die Stars sind nach einer langen Saison zu müde, um die WM zu prägen! © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Fakt: Falsch. Von wegen ausgelaugt nach einer harten Spielzeit in Europa. Ob Lionel Messi, Neymar bis zu seiner Verletzung, Arjen Robben oder Karim Benzema. Die Superstars der Teams gingen gerade zum Turnierauftakt voran. Die Torquoten der Topspieler konnte sich sehen lassen. Ganz vorn im Trefferranking lag bis vor dem Finale aber im Kolumbianer James Rodríguez einer, den vor der WM kaum jemand kannte. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
These 5: Der Erwartungsdruck für Brasilien wird unermesslich sein und das Team lähmen! © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Fakt: Richtig. Die Leichtigkeit vom Sieg im Confed Cup 2013 suchte die Seleção vergeblich. Schon im Eröffnungsspiel gegen Kroatien lief vieles schief. Dem Remis gegen Mexiko folgte der Zittersieg gegen Chile im Elfmeterschießen und dann das Desaster gegen Deutschland. Der Traum vom Hexacampeão war einfach zu viel. Das Team zerbrach, als die Führungsfiguren Neymar und Thiago Silva fehlten. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Das Ballbesitz-Dogma von Bayern-Trainer Pep Guardiola, hier mit Thomas Müller, ist für den WM-Erfolg das falsche System! © dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Richtig. Spanien versuchte es noch einmal mit Tiki Taka. Das Aus kam in der Vorrunde. Mehr Ballbesitz war nicht zwingend schädlich, doch es war kein Kriterium für Sieg oder Niederlage. Die Niederlande hatten zumeist weniger Ballbesitz als ihre Gegner und marschierten bis ins Halbfinale. Deutschland - Brasilien endete 7:1, den Ballbesitzvergleich gewann in diesem Spiel der WM-Gastgeber 52:48. © dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Das System Löw hat sich überholt. Der Bundestrainer hat mit seiner Personalauswahl mit nur einem richtigen Stürmer und vielen Innenverteidigern den Bogen überspannt. © dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Falsch. Dunkel hingen die Wolken über Südtirol. Die Stimmung im Trainingslager war bescheiden, mehrere Leistungsträger waren verletzt und die Personalauswahl rief Zweifel hervor. Doch der Bundestrainer schaffte wieder die Wende. Auch der Achtelfinal-Dämpfer mit dem Krampf-Kick gegen Algerien wurde überwunden. Nach dem 7:1 gegen Brasilien ist Löw über jeden Zweifel erhaben. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Brasilien ist mit der WM-Organisation logistisch überfordert! © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Falsch. Die Weltmeisterschaft aller Weltmeisterschaften wollte Brasilien ausrichten. Dieses forsche Motto - besonders gern von Präsidentin Dilma Rousseff postuliert - wurde weltweit belächelt. Doch die Zweifel waren unbegründet. Logistisch gab es praktisch keine Probleme. Ob an den als zu klein befundenen Flughäfen oder auch in den Arenen selbst, die WM lief reibungslos und stimmungsvoll. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Die WM-Stadien werden nur auf den letzten Drücker gerade noch fertig! © dpa
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Richtig. 12 Stadien in 12 Städten. Das Bau- und Sanierungsprogramm war ambitioniert. Als die Arbeiten stockten intervenierte die FIFA mehrfach und trieb die lokalen Organisatoren an. Letztlich war wie so oft erst kurz vor knapp alles fertig. Hier und da blieben Detailarbeiten, wie hier in Sao Paulo, liegen. Doch die WM konnte stattfinden. In 12 Städten mit 12 Stadien. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Die Fans werden dem Rest der Welt zeigen, was für eine wunderbare Fußball-Begeisterung in Südamerika herrscht! © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Was für eine Stimmung. Was für eine Fußball-Freude. In Europa ist kaum bekannt, wie intensiv die Leidenschaft in Brasilien, aber auch seinen Nachbarländern wirklich zelebriert wird. Zehntausende Fans aus Kolumbien, Chile und Argentinien zeigten der Welt, was es heißt, für sein Fußball-Land alles zu geben. Besonders emotional waren die Fangesänge in den Arenen. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Die WM wird von Massendemonstrationen , wie beim Confed Cup 2013, überschattet. Der Fußball gerät dadurch in den Hintergrund. © AFP
WM 2014, WM-Fakten, Wahrheit, Lüge
Falsch. Das war der Alptraum für FIFA-Präsident Joseph Blatter. Millionen Demonstranten auf den Straßen, die gegen Korruption und Misswirtschaft protestieren und seine WM in Verruf bringen. Der Eindruck des Confed Cups wiederholte sich aber nicht. Hier und da gab es ein paar Krawalle. Aber die im Vorjahr noch so unzufriedene Mittelschicht protestierte nicht, blieb Zuhause oder guckte Fußball. © AFP

Die Geschichte dürfte auch nach dem Finale zwischen Deutschland und Argentinien nicht zu Ende sein, auch wenn die meisten Scheinwerfer dann abgeschaltet werden. Doch das Verfahren kann sich ziehen. Und sollten sich die Vorwürfe gegen die Beschuldigten tatsächlich erhärten und bestätigen, dann drohen den Beteiligten Haftstrafen von bis zu vier Jahren. Keine schöne Aussicht, denn bei einer solchen Strafe könnte es für sie knapp werden mit Geschäften für die nächste Fußball-WM, die 2018 in Russland stattfindet.

dpa

Kommentare