Ablauf, Einigung, Starbulls-Beteiligung
Rechtsanwalt Peter Dürr klärt auf: Was man zur Klage von Mike Glemser wissen muss
Die Klage von Ex-Starbulls-Stürmer Mike Glemser schlägt weiter hohe Wellen. Nur die wenigsten Eishockey-Fans wissen, wie so eine Klage abläuft. Rechtsanwalt Peter Dürr aus Rosenheim klärt auf, was als Nächstes passiert und was man darüber wissen sollte.
Rosenheim – Die Klage des querschnittsgelähmten ehemaligen Rosenheimer Eishockeyprofis Mike Glemser gegen seinen Gegenspieler Jan-Niklas Pietsch hat jede Menge Staub aufgewirbelt. Glemser klagt auf Schmerzensgeld plus Folgeschäden, der Gesamt-Streitwert wird auf 822000 Euro beziffert. Nun sind die Anwälte am Zug. Was jetzt passiert, wann es zu einem Prozess kommen könnte und ob auch die Starbulls Rosenheim darin involviert sind, erklärt die OVB-Sportredaktion mit Hilfe des Rosenheimer Rechtsanwaltes Peter Dürr.
Warum entscheidet das Landgericht München II?
Peter Dürr: „Das Landgericht München II sitzt ja mitten in München, hat aber die Landkreise um München als Gebiet. Und weil der Unfall in Garmisch passiert ist, wird das sozusagen als Art Tatort gewertet.“
Ablauf, außergerichtliche Einigung, Starbulls-Beteiligung: Das muss man zur Glemser-Klage wissen
Um welche Kosten geht es im Vorfeld?
Dürr: „Das Gericht schaut immer, was wir für einen Streitwert haben. Es ist ja auch bekannt, dass der relativ hoch ist. Und aus diesem Wert rechnen sich dann alle Gebühren raus, also Gerichtskosten, Anwaltskosten und so weiter. Und erst wenn die Gerichtskosten da sind, wird dem Gegner die Klage zugestellt. Das ist offenbar schon passiert, weil ja der Gegenspieler die Klageschrift bekommen hat. Die Klageseite hat also die Gerichtskosten gezahlt, um das Landgericht München II zu aktivieren. Wer das dann am Ende des Tages zahlen muss, das entscheidet dann der Ausgang des Rechtsstreits. Aber als Kläger ist Mike Glemser vorschusspflichtig. Und wenn der Streitwert relativ hoch ist, dann sind die Kosten dann natürlich auch entsprechend.“
Wie ist der formelle Ablauf?
Dürr: „In dem Moment, ab dem die Klage läuft, ist auch die Verjährung gehemmt. Wobei eine Verjährung momentan noch weit entfernt ist. Der Gegenspieler bekam jetzt diese Klage zugestellt. Jetzt musste er sich einen Anwalt suchen, denn vor dem Landgericht ist Anwaltszwang. Und dann muss er mitteilen, dass er sich gegen die Klage verteidigen möchte. Das hat er mit Sicherheit gemacht, klar, weil der Kollege ist ja schon bereit. Nun muss der Beklagte Stellung nehmen und das Gericht muss prüfen: Was ist streitig und was ist nicht streitig? Über unstreitige Sachen muss ein Gericht keine Beweisaufnahme machen. Im Endeffekt läuft das so ab, dass das Ganze zunächst schriftlich hin und her geht. Und dann sagt das Gericht: Jetzt haben beide Seiten ausreichend vorgetragen, jetzt machen wir mal einen Termin. Man kann aber keine Prognose treffen, wie lange das jetzt dauert. Das könnte in diesem Jahr eher unwahrscheinlich sein. Wahrscheinlich wird es die Verhandlung im nächsten Jahr geben.“
Ist eine außergerichtliche Einigung noch möglich?
Dürr: „Das ist immer möglich. Wenn sich die beiden Streitparteien einig sind, dann brauchen die das nur dem Gericht mitteilen, dann gibt es einen sogenannten Vergleichsbeschluss und dann ist der Prozess beendet. Das geht auch im Termin noch. Es sagt ja sogar die Zivilprozessordnung, dass auch das Gericht immer auf eine gütliche Einigung zwischen den Parteien hinwirken soll. Einen Vergleich machst du eigentlich dann, wenn es unklare Erfolgsaussichten sind. Aber das ist hier eine andere Ausgangslage. Die Problematik ist: Wie ist das rechtlich zu würdigen? Das ist dann auch oftmals Gegenstand der ersten Verhandlungen.“
Spielt die Fünf-Minuten-Strafe für Jan-Niklas Pietsch eine Rolle?
Dürr: „Das kann ein Indiz sein. Auf der anderen Seite würde ich das jetzt nicht überbewerten. Das ist eine Tatsachenentscheidung, schnell vor Ort. Das ist mit Sicherheit einer eigenen gerichtlichen Bewertung zugänglich. Das Gericht kann sich ja auch sachverständig beraten lassen. Du hast die Regularien, da gibt es unter anderem auch eine Fünf-Minuten-Strafe, das ist sportspezifisch und sportrelevant. Es sind zwei Sachen: Ist es überhaupt ein Foul gewesen? Und selbst wenn: Ist die Spielsituation so, dass man damit eigentlich nicht im Eishockeysport rechnen muss?“
Geht es auch um eine Körperverletzung?
Dürr: „Du brauchst bei einer Körperverletzung immer ein Verschulden. Ohne Verschulden gibt es keine Haftung im deutschen Schadensrecht. Und das gibt es in zwei Formen: fahrlässig oder vorsätzlich. Vorsatz muss jetzt nicht Absicht heißen, sondern ich nehme billigend in Kauf, dass dann jemand verletzt wird. Für eine Haftung wird Fahrlässigkeit auch ausreichen. Ich gehe aber schon davon aus, dass die Klage, weil das ja auch für die Schmerzensgeldbemessung entscheidend sein kann, Vorsatz unterstellt. Die Handlung selbst ist ja auch bewusst gewesen. Aber ich brauche natürlich auch eine Rechtswidrigkeit. Und da spielt eine Rolle, dass es sich um eine Kontaktsportart handelt.“
Rechtsanwalt Peter Dürr: „Ich gehe davon aus, dass die Klage Vorsatz unterstellt.“
Was bedeutet es, dass das Sportgericht nichts mehr unternommen hat?
Dürr: „Es wird mit Sicherheit als Argument angeführt werden, wobei das eigene Rechtszüge und Rechtsordnungen sind. Es gibt ja Täter, die werden verurteilt, weil sie einen geschlagen haben – und trotzdem musst du im Zivilverfahren alles noch einmal beweisen. Im Endeffekt muss dieses Zivilgericht jetzt das in eigener Kompetenz beurteilen.“
Was bedeutet die Aussage von Mike Glemser, dass es eher ein Unfall war?
Dürr: „Das wird die Beklagtenseite mit Sicherheit anführen. Es ist anders als im Strafrecht. Im Strafrecht kann sich das Gericht selber Informationen besorgen. Im Zivilverfahren gilt ein sogenannter Beibringungsgrundsatz. Also jede Partei muss ihre Beweismittel liefern, Dokumente, Zeugen und so weiter. Und es wird damit zu rechnen sein, dass die Beklagtenseite dieses Interview in das Verfahren einführt.“
Inwieweit werden die Starbulls Rosenheim, der SC Riessersee und die Schiedsrichter involviert sein?
Dürr: „Fakt ist, dass die Starbulls Rosenheim momentan nicht prozessbeteiligt sind. Wir werden immer verbunden sein mit Mike Glemser, weil das ja unser Arbeitnehmer war und das beim Spiel passiert ist. Wobei ganz klar ist: Das ist jetzt eine juristische Auseinandersetzung zwischen zwei Personen, wobei natürlich da auch Versicherungsgesellschaften dahinter stehen, die ihrerseits jeweils ein wirtschaftliches Interesse haben. Mit Sicherheit wird das Video von der Szene eingereicht werden. Ob jetzt die Starbulls oder Mitspieler als Zeugen benannt werden, glaube ich eher weniger. Es ist ja gut dokumentiert, besser als bei jeder Überwachungskamera.“
Was passiert nach einem Urteil?
Dürr: „Wenn da streitig entschieden wird, dann wird einer Partei das Ergebnis im Zweifel nicht gefallen. Es ist natürlich immer möglich, dass das in Berufung geht. Ich könnte mir vorstellen, dass der Fall letztendlich vom Oberlandesgericht entschieden wird. Das ist dann prinzipiell die letzte Instanz – es sei denn, die lassen die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Aber dafür muss eine Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung haben oder die Revision zur Sicherung einer deutschlandweit einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sein.“
Ist für den Beklagten auch eine Haftstrafe möglich?
Dürr: „Wir sind nicht im Strafrecht. Das ist eine reine zivilrechtliche Auseinandersetzung, da geht es um eine Entschädigung in Geld.“
Kann das Urteil Auswirkungen für den Eishockeysport haben?
Dürr: „Wenn das wirklich zum BGH gehen sollte und da grundsätzliche Maßstäbe aufgestellt werden, dann kann es natürlich schon in die eine oder andere Richtung Auswirkungen haben. Wobei es jetzt nicht danach schreit, dass das hochgeht, weil es ist und bleibt trotz allem ein Einzelfall mit einer ganz bitteren Folge.“

