Spielerberater „untersuchte“ wohl auch in Unterhaching
„Darf ich“ mal drücken? Elf junge (Bundesliga-)Fußballer berichten von hunderten intimen Berührungen
Ein prominenter Spielerberater soll Recherchen von CORRECTIV zufolge über ein Jahrzehnt hinweg minderjährige Nachwuchsspieler bei angeblichen sportmedizinischen Untersuchungen im Intimbereich berührt haben – in über hundert Fällen. Auch etliche Spieler des Drittligisten SpVgg Unterhaching sollen vom Spielerberater N. „behandelt“ worden sein.
Berlin/Unterhaching - Recherchen von CORRECTIV offenbaren, wie der Spielerberater N. minderjährige Fußballer in mehr als hundert Fällen im Intimbereich berührt haben soll. Mehr als ein Jahrzehnt lang soll er die ihm anvertrauten Nachwuchsfußballer unter dem Vorwand einer sportmedizinischen Behandlung nackt behandelt haben. Zur selben Zeit engagierte sich der Berater öffentlichkeitswirksam für besseren Kinderschutz.
CORRECTIV hat in den vergangenen anderthalb Jahren mit elf Fußballern gesprochen, darunter auch Bundesligaspieler. Vier von ihnen unterzeichneten eidesstattliche Versicherungen für ihre Aussagen.
Sie alle wurden von N. betreut und schildern unabhängig voneinander ihre Erfahrungen aus den Jahren 2010 bis 2023, die ähnlich abliefen: Bei Untersuchungen des Beraters seien jeweils nur der Spieler und N. anwesend gewesen. Mehrere Spieler schildern, wie der Berater sie aufgefordert habe, die Unterhose auszuziehen. Anschließend hätten sie nackt Übungen absolvieren müssen und seien vom Berater berührt worden, auch im Intimbereich.
Ein damals 16-jähriger Spieler erinnert sich: N. habe regelmäßig Übungen mit ihm gemacht und ihn dabei an verschiedenen Stellen am Körper berührt. „Ich kann mich noch genau erinnern, wie er mich am Schambein berührt hat oder innen in der Leiste und dort reingedrückt hat“, sagt der Spieler, der damals für eine Nachwuchsmannschaft der SpVgg Unterhaching spielte. Vor einer Behandlung habe der Spielerberater „Darf ich?“ gefragt. Als der Spieler mit „ja“ reagierte, habe N. seinen Hoden zur Seite gelegt und zwischen Oberschenkel und Unterleib gedrückt.
Vorwürfe zurückgewiesen: „Ich bin kein Arzt“
„Wofür solche Untersuchungen gut waren? Das ist nicht bekannt. Die jungen Spieler hinterfragten es nicht. Denn N. war ein einflussreicher Mann, er hatte schon viele in den Profifußball gebracht“, schreibt CORRECTIV.
Der Spielerberater selbst weist die Vorwürfe zurück. „Ich behandle niemanden sportmedizinisch, ich bin kein Arzt“, sagte er in einem Telefonat mit CORRECTIV. In einer schriftlichen Stellungnahme distanziert sich der Berater von dem Vorwurf, es habe „gezielte Berührungen im Intimbereich“ gegeben und berichtet von „Angeboten“ unter anderem als Erstanlaufstelle für medizinische Fragen oder Statik Checks. Er empfinde es als zutiefst beleidigend und verletzend, „dass diesem Vorgehen nun eine sexuelle Konnotation verliehen werden soll.“
Spielerberater betreute wohl 40 Spieler der SpVgg Unterhaching
Die Rechercheergebnisse ließ CORRECTIV von Christina Clemm einordnen, einer renommierten Fachanwältin für sexualisierte Gewalt. „Nach den Berichten scheint offensichtlich, dass hier das besondere Abhängigkeitsverhältnis, das zwischen Spielern und Berater bestanden hat, ausgenutzt wurde“, sagt Clemm. Strafrechtlich könnten die Handlungen, wenn die Schilderungen zutreffen, unter den Aspekten „der sexuellen Nötigung, der sexuellen Belästigung, der Körperverletzung oder Nötigung“ relevant sein.
Zu den zahlreichen Spielern, die N. betreute, zählten mindestens 40 Spieler des Drittligisten SpVgg Unterhaching. Ein Pressesprecher des Vereins gibt an, dass sich Spieler unregelmäßig über „Untersuchungen durch N.“ ausgetauscht hätten. „Gesprochen haben hierüber aber stets nur volljährige Spieler, dass minderjährige Spieler nackt untersucht wurden, war nicht Thema“, sagt der Sprecher.
Fußballkarriere bei Münchner Club gestartet
Der Weg von N. in den Fußball begann Ende der 90er Jahre bei einem Münchner Fußballclub. Schon damals trug er Verantwortung als „pädagogischer Leiter“ für junge Talente. So gibt er es in den sozialen Medien an, heißt es in dem Recherche-Bericht.
Heute arbeitet N. in einflussreicher Funktion bei einer Spielerberateragentur, in der er besonders für den Nachwuchsbereich und medizinische Kontakte zuständig ist. Diese äußerte sich zu den Vorwürfen. „Nach unseren Überprüfungen in den letzten Tagen finden wir für Ihre Vorwürfe keinen Anhaltspunkt“, schreibt ein Geschäftsführer der Agentur. (mz/Pressemeldung correctiv)
Die ganze Recherche finden Sie hier: https://correctiv.org/gewalt-im-sport/2025/03/25/gewalt-fussball-spielerberater/