Geballte Fußball-Kompetenz an einem Tisch
Experten sind sich einig: Grosse, Maurer und Reng üben Kritik an der Nachwuchsarbeit
Expertentalk beim TSV 1860 Rosenheim: Bei den Sechzigern steht die Jugendarbeit wieder im Fokus. Passend dazu, fand im Vereinsheim an der Jahnstraße eine Podiumsdiskussion statt.
Rosenheim – Beim TSV 1860 Rosenheim steht die Jugend wieder im Fokus. Das kann man zum einen am aktuellen Kader des Fußball-Landesligisten, dem einige talentierte ehemalige Jugendspieler angehören, aber auch am Zusammenschluss mit dem Deutschen Fußball-Internat in Bad Aibling, durch den ein regionales Nachwuchs Leistungszentrum entstehen soll, sehen.
Da ist es nur logisch, dass auch bei der offiziellen Saisoneröffnung im Stadion an der Jahnstraße die Jugend ihre Bühne bekommt, beispielsweise mit einer Podiumsdiskussion mit dem Thema Nachwuchsfußball gegeben.
OVB-Sportredakteur Thomas Neumeier führte die zahlreichen Gäste durch die 90-minütige Gesprächsrunde, der neben Rosenheims Sportvorstand Peter Wimmer auch Spielerberater Dirk Grosse, Profitrainer Reiner Maurer (ehemals 1860 München und FC Augsburg) und der bekannte Buchautor Roland Reng angehörten – geballte Fußball-Kompetenz an einem Tisch. Zum Ende der Diskussion gab es zudem noch eine Überraschung für einige anwesende Gäste.
„Dann steht der unter enormem Zeitdruck“
In seinem Buch „Der große Traum: Drei Jungs wollen in die Bundesliga“ begleitete Reng drei Talente, nämlich Marius Wolf, Fotios Katidis und Niko Reislöhner, bei ihrem Traum vom Profifußball. Am Ende schafft nur Wolf den Sprung zum Profi. „Eine glückliche Fügung, immerhin hat die Begleitung dieses Buchs neun Jahre gedauert. Das war für mich der Versuch, herauszufinden, warum wird eigentlich jemand Profi oder warum wird er es nicht“, erklärte der Autor. Neben vielen externen Faktoren spiele dabei das biologische Alter eines Spielers eine große Rolle. Reiner Maurer erklärte am Beispiel seiner Zeit bei 1860 München, worauf ein Trainer achtet, wenn er einen jungen Spieler in die erste Mannschaft hochzieht und bestätigte dabei auch die Erfahrungen von Reng.
Ein großer Themenblock war die allgemeine Nachwuchsförderung in Deutschland. Die Experten kritisierten dabei die Schnelllebigkeit im Fußball: „Wenn der Sportdirektor jedes halbe Jahr wechselt, dann steht der unter enormem Zeitdruck. Der Trainer wechselt jedes halbe Jahr. Da sagt er auch, ‚Ich habe jetzt keine Zeit, einen Jugendspieler aufzubauen, bis der funktioniert, bin ich vielleicht weg.‘ Das heißt, es funktioniert nur, wenn man gefestigte Strukturen hat“, erklärte Grosse.
Ehrendauerkarte für Ex-DDR-Nationalspieler
Generell wurde die Nachwuchsarbeit in Deutschland von den Experten stark kritisiert. Dabei sprachen Maurer, Reng und Grosse vor allem die Bezahlung im U18-Bereich, die fehlende Sicherheit für Jugendtrainer, den zu großen Druck auf Talente und die fehlende Unterstützung für die Talente und ihre Familien an.
Zum Abschluss ehrte der TSV 1860 Rosenheim noch die Vereinslegenden, die vor genau 25 Jahren den bayerischen Toto-Pokal gewonnen haben und in die erste Runde des DFB-Pokals eingezogen sind. Anwesend waren acht Beteiligte, unter anderem auch Harald Mothes, damals Nationalspieler in der DDR und Legende bei Wismut Aue. Sie bekamen einen großen Applaus und vom Verein eine Ehren-Dauerkarte für die kommende Saison versprochen.
