Lücken der gesetzlichen KV füllen
Private Zusatzversicherungen: Sinnvoll ist nur die Hälfte
Im Krankheitsfall möchte jeder gut versorgt sein. Deshalb schließen viele Menschen neben der gesetzlich vorgeschriebenen Krankenversicherung private Zusatzversicherungen ab. Doch bei weitem nicht alle sind sinnvoll. Erfahrt hier, welche sich wirklich lohnen.
Die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen sind in Deutschland sehr gut abgesichert. Dennoch haben viele Versicherte das Gefühl, dass sie beim Arzt oder im Krankenhaus im Vergleich zu Privatpatienten nicht die bestmögliche Behandlung erhalten. Privat Krankenversicherte bekommen intensivere Therapien und zum Teil auch andere Medikamente als die Kassenpatienten.
Das Sozialgesetzbuch regelt, was gesetzlich Krankenversicherten zusteht: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.“ Um dies auszugleichen, bietet die private Krankenversicherungsbranche Zusatzversicherungen an.
Solche Versicherungen übernehmen Kosten, die die Kasse
- gar nicht trägt, zum Beispiel für Heilpraktikerbehandlungen oder für einen Krankenrücktransport aus dem Auslandsurlaub,
- nur mit einem begrenzten Betrag bezuschusst, zum Beispiel Zahnersatz, oder
- nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen zahlt, zum Beispiel die Chefarztbehandlung im Krankenhaus.
Quelle: Stiftung Warentest
Doch nicht immer bringen sie so viele Vorteile wie erhofft. Die Leistungen sind stets begrenzt, was ein Kunde nicht sofort erkennt. Denn die Einschränkungen stehen im Kleingedruckten und fallen erst auf, wenn der Versicherer eine Rechnung nicht vollständig begleicht oder die Übernahme der Kosten sogar komplett verweigert.
Überblick über das Spektrum privater Zusatzversicherungen
Um ihren Mitgliedern ergänzende Versicherungsleistungen anbieten zu können, schließen gesetzliche Krankenkassen mit privaten Versicherern Kooperationsvereinbarungen ab. Aber Ihr könnt die gewünschten Versicherungen natürlich auch bei einem Partner Eurer Wahl abschließen, seid also nicht an diese Vereinbarungen gebunden.
Die privaten Zusatzversicherungen verschiedener Anbieter unterscheiden sich in ihren Leistungen und Tarifen häufig stark voneinander. Ihr solltet deshalb zum Vergleich immer mehrere Angebote von verschiedenen Privatversicherungen einholen.
Krankenhauszusatzversicherung
Die von der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierte Krankenhausversorgung sieht vor, dass Patienten in der Regel im nächstgelegenen Krankenhaus behandelt und in einem Mehrbettzimmer untergebracht werden. Durch eine Zusatzversicherung fürs Krankenhaus kann ein Kassenpatient nahezu die gleichen Leistungen absichern wie Privatpatienten. Dazu zählen die Wahl der Klinik, Behandlung durch den Chefarzt und ein Ein- oder Zweibettzimmer.
Vor dem Abschluss einer entsprechenden Versicherung solltet Ihr aber prüfen, bis zu welcher Höhe ärztliche Honorare erstattet werden. In der Regel werden die Kosten bis zum 3,5-fachen Satz der Gebührenordnung für Ärzte übernommen. Sind die Sätze im Krankenhaus höher, müssen Versicherte die Mehrkosten aus eigener Tasche bezahlen.
Tipp der Verbraucherzentrale
Wem es bei der Unterbringung ausschließlich auf ein Einzelzimmer ankommt, sollte prüfen, ob es nicht kostengünstiger ist, den Aufpreis für das Zimmer selbst zu bezahlen, statt eine teure Zusatzversicherung abzuschließen.
Krankenhaustagegeldversicherung
Bei dieser Versicherung wird ein Tagessatz für einen Klinikaufenthalt vereinbart, den Versicherte zur Abdeckung weiterer Kosten nutzen können - zum Beispiel für Fernseh- oder Telefongebühren. Die Versicherung zahlt nur für die Tage, die ein Patient im Krankenhaus stationär verbringt. Sie trägt nicht dazu bei, die eigene wirtschaftliche Existenz bei Krankheit abzusichern. Sie ist deshalb nicht notwendig!
Krankentagegeldversicherung
Wer auf sein laufendes volles Einkommen angewiesen ist, kann den Abschluss dieser Versicherung erwägen. Sie hilft, die Differenz zwischen dem Krankengeld und dem Nettogehalt auszugleichen. Denn Lohn und Gehalt werden im Krankheitsfall in der Regel nur bis zu sechs Wochen weiter vom Arbeitgeber gezahlt. Danach übernimmt die gesetzliche Krankenkasse 70 Prozent des Bruttoeinkommens.
Allerdings dürfen 90 Prozent des Nettogehaltes nicht überschritten werden. Von diesem Betrag werden die Anteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung abgezogen. Durch diese Zahlungsmodalität sind gesetzlich Versicherte im Krankheitsfall in der Regel abgesichert.
Verbraucher, die auf ihr volles Nettogehalt angewiesen sind, aber insbesondere Selbständige, Freiberufler oder sehr gut Verdienende, deren Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, sollten den Abschluss einer solchen Versicherung in Betracht ziehen.
Ambulante Zusatzversicherung
Diese Police übernimmt Kosten, wenn Kassenpatienten ambulant als Privatpatient behandelt werden wollen. Je nach Tarif können weitere Leistungen - wie etwa eine Behandlung beim Heilpraktiker - vereinbart werden. Um eine ambulante Zusatzversicherung abzuschließen, müssen Versicherte meist das Kostenerstattungsverfahren bei ihrer gesetzlichen Krankenversicherung gewählt haben. Die Behandlungskosten werden hier zunächst vom Versicherten gezahlt.
Die Kasse erstattet den Betrag erst nach Erhalt der Rechnung. Dabei übernimmt sie nur die Höhe der kassenüblichen Leistungen und Sätze. Darüber liegende Beträge müssen Versicherte selbst tragen. Diesen Eigenanteil übernehmen die privaten Versicherungen bei der ambulanten Zusatzversicherung abhängig vom Tarif. Gegen den Abschluss einer solchen Versicherung sprechen jedoch die teureren Tarife.
Zusatz- und Ergänzungsversicherungen
Diese Versicherung springt ein, wenn Zuzahlungen nötig sind oder wenn die gesetzlichen Kassen die Kosten für Leistungen nicht mehr übernehmen - beispielsweise beim Zahnersatz, bei Brillengläsern oder Kontaktlinsen. In den meisten Fällen werden diese Leistungen als Paket angeboten. Interessenten sollten prüfen, ob alle versicherten Leistungen erforderlich sind.
Beim Zahnersatz kann unter Umständen eine Zusatzversicherung sinnvoll sein, da mit dem gesetzlichen Kassenzuschuss nicht sämtliche Kosten abgedeckt werden. Auch hier ist jedoch eine genaue Prüfung der angebotenen Tarife unerlässlich, da unterschiedliche Leistungen angeboten werden und kaum eine Versicherung den vollen Eigenanteil übernimmt.
Auslandsreisekrankenversicherung
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen im Notfall für die Behandlung vor Ort und orientieren sich dabei an den Vorschriften des Reiselandes. Sie erstatten jedoch maximal die Kosten, die sie auch für eine Behandlung im Inland übernehmen. Für einen Rücktransport nach Hause müssen Versicherte selbst aufkommen.
Bei einer Erkrankung auf Reisen außerhalb der EU bzw. in Länder, mit denen kein Sozialversicherungsabkommen besteht, übernimmt die Kasse überhaupt keine Kosten. Der Abschluss einer Reisekrankenversicherung für Auslandsaufenthalte ist deshalb sinnvoll!
Ist eine Zusatzversicherung sinnvoll?
Vor dem Abschluss sollten Kunden sich grundsätzlich die Frage stellen: „Was wäre, wenn ich die Kosten selbst tragen müsste?” In den meisten Fällen ist das finanzielle Risiko überschaubar, das ein Extraschutz abdeckt. Nur in wenigen Fällen kann es für einen Patienten existenzgefährdend werden.
Die Frage, ob es sinnvoll ist, eine zusätzliche Police abzuschließen, kann also laut Verbraucherzentrale nicht pauschal beantwortet werden. Versicherte sollten Angebote in jedem Fall anhand folgender Fragen prüfen:
- Ist die Versicherung notwendig?
- Welche Leistungen werden geboten?
- Werden sämtliche Leistungen benötigt?
- Können Teilleistungen vereinbart werden?
- Wie hoch sind die Kosten?
Sehr zu empfehlen ist laut Stiftung Warentest nur eine Police, und zwar für alle, die außerhalb Deutschlands Urlaub machen: die Auslandsreise-Krankenversicherung. Andere können das Leben als Kassenpatient angenehmer machen. Es hängt aber von den persönlichen Präferenzen und von den finanziellen Möglichkeiten ab, ob eine Versicherung sinnvoll ist.
Vor Vertragsschluss: Worauf Ihr achten solltet
Überlegt Euch genau, was Ihr versichern wollt. Verschafft Euch einen Überblick. Dafür könnt Ihr Tests der Stiftung Warentest oder die unabhängige Beratung der Verbraucherzentralen nutzen. Vorsicht geboten ist bei computergestützten Vergleichen von Versicherungsunternehmen. Diese basieren selten auf einer umfassenden Marktübersicht.
- Vertragspartner: Gesetzliche Krankenkassen treten nicht selbst als Versicherer, sondern lediglich als Vermittler auf. In der Regel haben sie einen Rahmenvertrag mit privaten Krankenversicherungen. Ein Vertragsverhältnis besteht dann nur zwischen diesen und den Versicherten.
- Fragen zur Gesundheit: Wer eine private Zusatzversicherung abschließen will, muss fast immer eine Gesundheitsprüfung über sich ergehen lassen. Wichtig: Die Fragen wahrheitsgemäß beantworten! Bei nachweislich falschen Antworten droht eine Leistungsverweigerung des Versicherers oder sogar die Kündigung.
- Tarife: Wer eine Zusatzversicherung über die gesetzliche Krankenkasse abschließt, kann bis zu zehn Prozent sparen. Trotz dieser Sonderkondition sind die Angebote der eigenen Kasse nicht zwangsläufig die besten oder günstigsten. Ein Vergleich ist unerlässlich! Besonders bei Zusatzversicherungen für Zahnersatz, Brillen und Naturheilverfahren sind die Verträge oft kompliziert und Leistungen eingeschränkt.
- Wartezeiten: Wer eine Zusatzversicherung ohne Zutun seiner Kasse abschließt, kann die Leistungen in der Regel nicht sofort in Anspruch nehmen. Üblich ist eine Wartezeit von drei Monaten. Wird der Ergänzungsschutz über die gesetzliche Kasse abgewickelt, verzichten einige Privatversicherer auf diesen Zeitkorridor. Allerdings findet im Versicherungsfall eine besonders intensive Überprüfung der Vorerkrankungen statt.
- Finanzielle Begrenzung der Leistung: In den ersten Versicherungsjahren begrenzen viele Gesellschaften die Übernahme von Leistungen. Teilweise werden Kosten auch dauerhaft nur bis zu einem festgelegten Höchstbetrag übernommen.
- Leistungsangebot: Die gesetzlichen Kassen vereinbaren mit privaten Versicherungen in der Regel Pauschalpakete. Darin können auch Leistungen enthalten sein, die Versicherte nicht brauchen und trotzdem bezahlen müssen.
- Ablehnung von Kunden: Private Versicherer dürfen Kunden aus triftigen Gründen ablehnen - zum Beispiel, wenn eine Vorerkrankung vorliegt. Außerdem können sie bei bestimmten Erkrankungen Risikozuschläge verlangen oder bestimmte Risiken ganz ausschließen. Einige Policen können auch nur von Personen abgeschlossen werden, die jünger als 65 Jahre sind - häufig bei Zusatzversicherungen fürs Krankenhaus der Fall. Grundsätzlich gilt: Mit zunehmendem Alter steigen die Tarife bei Neuabschluss.
- Kinder: Privater Zusatzschutz bietet keinen kompletten Familienschutz. Kinder sind nicht automatisch bei den Eltern mitversichert. Für jede versicherte Person muss ein eigener Vertrag abgeschlossen werden.
- Kündigungsrecht der Versicherer: Gesellschaften können Policen in den ersten drei Jahren ohne Angabe von Gründen kündigen. Die meisten Versicherer verzichten aber ausdrücklich auf dieses Recht. Es ist wichtig, sich zu vergewissern, dass dies in den Bedingungen steht.
- Wechsel: Wer bereits eine Zusatzpolice hat und in einen besseren oder günstigeren Vertrag wechseln möchte, sollte zunächst die Angebote seines derzeitigen Versicherers prüfen. Ein Tarifwechsel beim eigenen Versicherer ist oft günstiger, weil man nicht wegen Erkrankungen abgelehnt werden kann und keine erneuten Wartezeiten einhalten muss.
Quelle: Verbraucherzentrale
Fazit
Verbraucher sollten sich nur für eine Zusatzversicherung entscheiden, die sie wirklich brauchen. „Wer nur alle fünf Jahre mal zum Heilpraktiker geht, benötigt dafür nicht extra eine Versicherung“, so die Stiftung Warentest. Zu den sinnvollen Zusatzversicherungen zählen die Auslandskrankenversicherung und die Zahnzusatzversicherung. Beide schützen Versicherte vor hohen Kosten.
Als eher unnötig sehen Experten dagegen die Zusatzversicherung für Brillen und die Krankenhaustagegeldversicherung. Bei ihnen hält sich das finanzielle Risiko in Grenzen, wenn Kassenpatienten selbst für die Kosten aufkommen. Eine ambulante Krankenzusatzversicherung rechnet sich in der Regel nur dann, wenn Versicherte häufig alternative Heilmethoden in Anspruch nehmen wollen.
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