Cannabis-Legalisierung aus Sicht der Verkehrsexperten
Kiffen und Straßenverkehr: Was Autofahrer wissen müssen
Die Legalisierung von Besitz und Eigenanbau bestimmter Mengen Cannabis ist beschlossene Sache. Aber welche Regeln in Bezug auf den Konsum gelten dann im Straßenverkehr? Diskutiert wird unter anderem über neue Grenzwerte.
Der Bundestag hat eine kontrollierte Freigabe von Cannabis in Deutschland beschlossen. Besitz und Anbau der Droge sollen zum 1. April 2024 für Volljährige mit Vorgaben legal werden.
Wer aber das Rauschmittel konsumiert und danach ein Kraftfahrzeug führt, riskiert trotzdem weiterhin den Führerschein. Allerdings diskutieren Fachleute, ob künftig andere Grenzwerte gelten können. Das Verkehrsministerium lässt derzeit von einer Expertengruppe ermitteln, wie ein gesetzlicher Grenzwert für den berauschenden Wirkstoff THC gefasst werden könnte. Die Ergebnisse sollen im April 2024 vorliegen.
Der ADAC mahnt in jedem Fall zu einer intensiven Aufklärung über erhöhte Unfallrisiken. „Klar ist, dass mit der Sicherheit im Straßenverkehr nicht experimentiert werden darf“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Schwierig einzuschätzen: Welche Folgen hat Cannabis am Steuer?
Die Auswirkungen von Cannabis am Steuer sind nicht gut berechenbar. „Man ist unachtsam“, so Alexander Schnaars vom ADAC. „Eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr ist also nicht möglich.“
Das im Cannabis enthaltene Tetrahydrocannabinol (THC) ist eine psychoaktive Substanz, die die Wahrnehmungsfähigkeit und das Reaktionsvermögen des Konsumenten verändert. Viele Konsumenten fühlen sich regelrecht euphorisch, die Zeit scheint langsamer zu vergehen, ein Gefühl der Leichtigkeit gepaart mit verlangsamten Bewegungen macht sich breit. Auch Halluzinationen, Filmrisse oder Schwindel sind möglich.
Was das für die Verkehrssicherheit bedeutet, kann sich jeder Autofahrer denken: Geschwindigkeiten werden falsch eingeschätzt, rote Ampeln nicht als solche erkannt oder Fußgänger schlichtweg nicht wahrgenommen.
Insbesondere Personen, die im Zuge einer Legalisierung Cannabis ausprobieren wollten und sich vorab nicht mit seiner bewusstseinsverändernden Wirkung auseinandergesetzt hätten, seien sich laut ADAC dieser Gefahr womöglich nicht ausreichend bewusst.
Welche Grenzwerte und Strafen gelten aktuell?
Was beim Alkohol am Steuer der Promillewert ist, ist bei Cannabis die Menge an THC im Blut. Fast jedes Gericht in Deutschland orientiert sich aktuell an dem Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blut.
Bei Kraftfahrern, die beim Autofahren nach dem Cannabiskonsum erwischt wurden, richtet sich die Höhe der Strafe danach, wie oft sie schon mit Drogen im Straßenverkehr ertappt wurden:
- Beim ersten Mal: 500 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg, Fahrverbot von einem Monat.
- Beim zweiten Mal: 1.000 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg, Fahrverbot von drei Monaten.
- Beim dritten Mal: 1.500 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg, Fahrverbot von drei Monaten.
Quelle: www.bussgeldkatalog.org
Hinzu kommt die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), bei der die Fahreignung des jeweiligen Kraftfahrers genau unter die Lupe genommen wird, bevor dieser seinen Führerschein zurückerhält. Das Kiffen vorm/beim Autofahren kann unter bestimmten Umständen als Straftat gewertet werden, was neben dem Entzug des Führerscheins außerdem eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen würde.
Darum wird der Grenzwert diskutiert
Seit Jahren wird in der Fachwelt darüber gestritten, ob der Grenzwert für verbotenes Fahren unter Cannabiseinfluss richtig oder zu niedrig angesetzt ist. Fachleute für Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht in Deutschland empfehlen die Anhebung des momentan erlaubten THC-Werts im Blut. Die Begründung der Juristen und Mediziner: Der Grenzwert sei momentan so niedrig, dass er lediglich einen Cannabis-Konsum nachweise. Einen zwingenden Rückschluss auf eine für die Verkehrssicherheit relevante Wirkung lasse der aktuelle Grenzwert jedoch nicht zu.
Der ADAC begrüßt den Plan der Bundesregierung, Grenzwerte für THC auf wissenschaftlicher Grundlage zu ermitteln. Dr. Markus Schäpe, Leiter der ADAC Rechtsabteilung: „Wir brauchen wie bei Alkohol einen unzweifelhaften Grenzwert, der sich ausschließlich an den Auswirkungen von Cannabis im Straßenverkehr orientiert.“
Die Experten schlagen außerdem eine differenzierte Regelung mit tendenziell strengeren Vorgaben für Fahranfänger vor - ähnlich wie beim Umgang mit Alkohol am Steuer in der Probezeit nach dem Führerscheinerwerb und für unter 21-Jährige.
Bei Fahranfängern sollte weiterhin die bloße Möglichkeit einer Wirkung der berauschenden Substanz bei 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum sanktioniert werden. Jenseits dieser besonders gefährdeten Gruppe müsse das Ziel sein, einen Wert zu definieren, „bei dem eine Verschlechterung der Verkehrssicherheit tatsächlich zu erwarten und nicht nur theoretisch möglich ist“.
So kann eine Verkehrskontrolle ablaufen
Neben konkreten Hinweisen wie eine auffällige Fahrweise können bei einer Verkehrskontrolle etwa gerötete Augen, auffällige Pupillen und – ähnlich wie beim Alkohol – ein eindeutiger Geruch Indizien für das Fahren unter Drogeneinfluss sein.
In der Regel wird dann ein freiwilliger Drogentest angeboten. Fällt der positiv aus, erfolgt die Mitnahme zur Blutentnahme. Wenn man den freiwilligen Test verweigert - und hat die Polizei einen Anfangsverdacht -, dann erfolgt eine Blutentnahme. Deshalb: Wer nichts konsumiert hat, sollte dem freiwilligen Test auf jeden Fall zustimmen.
as/dpa