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Sogenannte Totalverweigerer

Jobcenter-Mitarbeiterin erläutert Probleme mit Bürgergeldempfängern: Letzter Kontakt „vor fast vier Jahren“

Ein kleiner Prozentsatz der Bürgergeldempfänger verursacht Probleme für eine Jobcenter-Mitarbeiterin. Sie findet den Ansatz von Dänemark sinnvoller.

Frankfurt – Die Diskussion um das Bürgergeld in Deutschland ist immer wieder Gegenstand hitziger Debatten. Fast 5,5 Millionen Menschen erhielten laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales diese staatlich finanzierte Absicherung des Existenzminimums (Stichtag: 1. August 2023).

Eine Fallmanagerin aus einem Jobcenter fordert nun drastische Änderungen beim Bürgergeld, insbesondere im Umgang mit den sogenannten Totalverweigerern. Diese Bezeichnung wird für Bürgergeldempfänger verwendet, die arbeitsfähig sind, aber wiederholt die Zusammenarbeit ablehnen und sich weigern, eine zumutbare Arbeit anzunehmen.

Probleme beim Bürgergeld: Jobcenter-Fallmanagerin schildert, warum es mitunter Schwierigkeiten mit Empfänger gibt

Renate Schwimmer, eine 58-jährige Jobcenter-Fallmanagerin, äußert in einem Interview mit der Welt ihr Unverständnis über einige wenige ihrer Klienten, die Bürgergeld beziehen. Sie erzählt von einem Mann, der sei „Mitte 30 und lebt noch bei seinen Eltern“. Und hat „seit seinem Hauptschulabschluss nichts mehr gemacht. Seit August 2018 bezieht er Leistungen“. Der letzte telefonische Kontakt zu diesem Bürgergeldempfänger fand „vor fast vier Jahren“ statt.

Ein weiteres Beispiel ist „ein Paar, er ist 37 Jahre und sie 35 Jahre alt“, das „seit mehr als sechs Jahren im Bezug“ ist. „Sie haben fünf Kinder, das Sechste ist unterwegs. Mit dem ersten Kind hat sie aufgehört zu arbeiten, er schloss sich beim dritten Kind an“, berichtet Schwimmer. Obwohl beide eine mittlere Reife und eine abgeschlossene Ausbildung in Berufsfeldern mit Fachkräftemangel (Soldat und medizinische Fachangestellte) haben, entschieden sie sich für den Bezug von Bürgergeld. Schwimmer hatte zuletzt „vor zwei Jahren“ Kontakt mit der Frau und das letzte Gespräch mit dem Mann liegt sogar fünf Jahre zurück.

Bürgergeldempfänger bei Problemen kontaktieren: Laut Jobcenter-Mitarbeiterin gibt es einige Hürden

Diese Fälle sorgen bei der Fallmanagerin für Frustration. Sie betreut etwa 135 Bürgergeldempfänger, von denen sechs Prozent als Totalverweigerer gelten. Doch wie kann man mit diesen umgehen? Schwimmer darf zwar aktiv auf sie zugehen, um sie zur Annahme eines Jobs zu bewegen, aber es gibt ein Problem: „Über E-Mail dürfen wir nicht in Kontakt treten, weil die Kommunikation nicht ausreichend vor dem Zugriff durch Dritte geschützt wäre. Ich kann anrufen, die meisten kennen jedoch die Nummer des Jobcenters und gehen nicht dran.“

Auch ein Brief per Post ist möglich, doch eine Antwort ist nicht sicher. Mit einer Zustellungsurkunde kann zwar nachvollzogen werden, „ob das Schreiben zugestellt wurde oder nicht“. Zudem wird „die dritte schriftliche Einladung (...) persönlich von einem Fallmanager zugestellt“. Allerdings: „In den meisten Fällen öffnet der Betroffene die Tür aber nicht.“

Unter Bürgergeldempfängern gibt es einen geringen Anteil an Totalverweigerern. Wie man diese effektiv sanktioniert, ist wiederkehrendes Diskussionsthema.

Zahl der Totalverweigerer unter Bürgergeldempfängern insgesamt sehr niedrig

Laut der Website der Bundesagentur für Arbeit waren von Februar bis Dezember 2023 unter den rund 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern nur sehr wenige Totalverweigerer. Bei 15.774 Bürgergeldempfängern, die sich als Totalverweigerer erwiesen, wurden Sanktionen verhängt. Als Grund für die Kürzung wurde „Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“ angegeben.

Einige der sanktionierten Kunden äußern ihren Unmut, so Schwimmer. Abgesehen von einem „wütenden Anruf“ nach der Kürzung der Bürgergeldbezüge, bei denen die Rechte von Bürgergeldempfängern berücksichtigt werden müssen, gibt es aber wenig Reaktion. Was Schwimmer verwundert: „Wenn jemandem so viel Geld gestrichen wird und er trotzdem klarkommt, ist er dann bedürftig? Ich finde nicht. Eigentlich ist das Bürgergeld ein bedingungsloses Grundeinkommen durch die Hintertür.“

Jobcenter-Fallmanagerin hat radikalen Vorschlag – „Höhe der Leistungen an Sprachniveau gekoppelt“

Schwimmer spricht auch ein weiteres Problem an, das sie beschäftigt. Ihrer Meinung nach „wirkt das niedrigschwellige Bürgergeld“ in Deutschland „als Magnet“ für Asylbewerber. „44 Prozent meiner erwerbsfähigen Kunden haben Migrationshintergrund“, sagt Schwimmer: „Die meisten davon verfügen nicht über Deutschkenntnisse, die für ein Beratungsgespräch ausreichen.“ Sie schlägt eine radikale Änderung vor und verweist auf ein Modell aus einem anderen EU-Land: „Dänemark. Die Höhe der Leistungen ist dort an das Sprachniveau gekoppelt.“

Als Lösung schlägt Schwimmer verpflichtende Deutschkurse für alle Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive vor: „Kurzgefasst: keine Sprachkenntnis, kein Bürgergeld.“ Sie betont jedoch, dass „die überwiegende Mehrheit“ ihrer Kunden, die Bürgergeld beziehen, gut mitarbeitet. Nur diejenigen, „die Arbeit verweigern, obwohl sie dazu in der Lage wären, und denen man nicht beikommen kann“, empfindet sie als frustrierend. Auch mehrere andere Jobcenter-Mitarbeiter schilderten jüngst Probleme im Umgang mit einigen Empfängern von Bürgergeld. (kh)

Rubriklistenbild: © Sina Schuldt/Jens Kalaene/dpa

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