Meinung
Nicht naiv, sondern dreist und abgebrüht: Die Cum-Ex-Tricks waren kriminell
Der milliardenschwere Cum-Ex-Steuerskandal ist von seiner juristischen Aufarbeitung noch weit entfernt. Gegen über tausend Banker und Börsenhändler ermitteln die Staatsanwälte noch. Viele der Raffkes halten sich noch immer für Unschuldslämmer und behaupten, nur Lücken im Steuerrecht für sich und ihre Kunden ausgenutzt zu haben.
Mit dieser Mär hat der Bundesgerichtshof jetzt aufgeräumt, und zwar gründlich: „Arbeitsteilig“ und „vorsätzlich“ hätten sich die Betroffenen den Staat um insgesamt rund zehn Milliarden Euro Kapitalertragssteuern geprellt, indem sie Aktien um den Dividendenstichtag hin- und hergeschoben haben, um sich nur einmal gezahlte Steuern mehrfach zurückerstatten zu lassen.
Ein Akteur, der hinter solchen Raubzügen gegen den Staat keine betrügerische Absicht erkennen wollte, muss schon sehr naiv gewesen sein – oder eher enorm abgebrüht. Der gesamten Branche war im Casino-Kapitalismus der Nullerjahre der moralische Kompass abhandengekommen. Die Politik ließ sich das lange gefallen.
Hamburg mit Bürgermeister Olaf Scholz: Bemerkenswert desinteressiert
Das änderte sich erst nach der Weltfinanzkrise. Doch auch dann sah das damals von Wolfgang Schäuble geführte Bundesfinanzministerium dem Treiben der Finanzhaie noch viel zu lange zu. Größeren Eifer entfaltete der Fiskus bei der Prüfung der Pendlerpauschale in der Lohnsteuererklärung von Lieschen Müller.
Auch die Stadt Hamburg unter ihrem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz war trotz konkreter Hinweise lange bemerkenswert desinteressiert an den dortigen Cum-Ex-Betrügern. Anders als die Täter, denen nach dem BGH-Urteil Haft und Rückzahlung der Beute drohen, müssen die zaudernden Aufklärer eine juristische Aufarbeitung aber nicht mehr fürchten.
Georg.Anastasiadis@ovb.net