So ist die Lage in den USA - ein persönlicher Erfahrungsbericht
Pandemie-Urlaub in Florida: Kann das Spaß machen?
Seit Anfang November sind Reisen in die USA wieder möglich. Doch wie sieht das in Zeiten der Pandemie aus? Unser Autor hat das persönlich getestet.
- Impfung und Antigentest – mehr braucht es nicht für einen Trip in die USA.
- Aber wie ist die Lage im Land, gibt es große Einschränkungen, Maskenzwang?
- Nach vier Tagen Kurzurlaub im Florida gibt es dazu eine ganz klare Antwort.
Na ja. Mulmig ist einem schon. So wie einem der auszog, das Fürchten zu lernen. Ausgerechnet mitten in der Pandemie in den Urlaub zu fahren. Ausgerechnet in die USA, ins Zentrum des Covid-Hurricanes. So ist zumindest die öffentliche Wahrnehmung. Und teilweise auch die Reaktion des persönlichen Umfelds. „Jetzt nach Florida – Du traust dich was!“ Trau ich mir wirklich was? Die Inzidenzen sprechen eine andere Sprache. In Florida liegen sie bei 70 pro 100.000 Einwohner, in München zum Zeitpunkt der Abreise bei über 400. So gesehen ist es anderswo doch viel sicherer als zu Hause. Oder? Kühner Gedanke, aber auch berauschend logisch.
So einfach sind jetzt Reisen in die USA
Die Hürden für einen Urlaub in den Vereinigten Staaten sind zurzeit nicht allzu hoch. Man muss vollständig geimpft sein, ein Booster ist (noch) nicht nötig. Dazu ein höchstens 24 Stunden alter Antigen-Test* (bei Reiseantritt) und ein ausgefülltes Formular, das man im Internet herunterladen kann. So kompliziert wie sein Name „Combined Passenger Disclosure and Attestation to the United States of America“ klingt, ist es nicht. Zwei Kreuze und sieben Seiten später eine Unterschrift. Fertig. Mehr braucht der US-Reisende nicht, abgesehen von der ESTA-Erlaubnis, aber die gab es aber schon vor Covid. Überprüft wird das alles im Vorfeld. Wer beim Check-in am Flughafen nicht alle Unterlagen zusammen hat, der kommt gar nicht erst auf die Maschine. Im Lufthansa-Airbus A350, der von München nach Miami nonstop fliegt, herrscht – wie auch im gesamten Flughafenbereich – Maskenpflicht. FFP-2 oder OP-Schutz. Wenn man, wie gefordert, mindestens drei Stunden vor Abflug am Airport ist, dazu die 10,5 Stunden Flugzeit, Immigration und Zoll dazurechnet, dann ergibt sich eine Maskentragepflicht von nahezu 15 Stunden. Eine echte Prüfung für Riechorgan und Psyche.
15 Stunden Masketragen – man schläft am besten
Miami, International. Touchdown auf Landebahn 09/27. So schlimm wie gedacht, war es gar nicht. Vor allem, wenn man die halbe Flugzeit verschläft. Die Maske muss samt Besitzer jetzt nur noch durch die US-Behörden, zur Autovermietung – und dann winkt die große Freiheit. Durchschnaufen, ohne Stoff. Raus aus dem Airport, rauf auf den Tamiami Trail, auch Alligator Alley genannt. Diese Straße führt schnurstracks durch das Sumpfgebiet der Everglades. Dass wir tagelange keine Corona-Masken mehr sehen würden, oder nur noch sehr vereinzelt, können wir uns gar nicht vorstellen. Herzhaft beißen wir in Beef Jerky. Getrocknetes Rindfleisch. So etwas Ähnliches hatten schon die amerikanischen Ureinwohner. Sie nannten es Pemmikan. Für Protein-Junkies ist es guter Stoff, für Menschen mit Jet-Lag, die noch drei Stunden zu fahren haben, die letzte Rettung. Durch das Kauen des zähen Fleisches bleibt die Aufmerksamkeit frisch.
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Face coverings sind auch im Hotel nur empfohlen
Check-in in einem Motel dieses Typs. Keine zusätzliche Glasscheibe auf dem Tresen, der Mann an der Rezeption trägt keine Maske. Wir schon. Im Aufzug werden wir vom CDC, Center for Desease Control immerhin freundlich aufgefordert, vorsichtig zu sein: Auf dem Ausdruck, der mehr an das Kleingedruckte von Verträgen erinnert, steht: „In areas of substantial oder high Covid transmission, guests and team members are encouraged to wear face coverings in all indoor areas“. Das ist ein Gebot, mehr nicht. Na also, irgendwie gibt es Covid doch. Ab in die Nummer 404. Wer eines dieser Wabenzimmer kennt, kennt alle. Tür, Gang, rechts oder links Toilette mit Dusche, Doppelbett, Fernseher, Fenster, Klimaanlage. Wir fallen ins Bett und träumen vom Maskenball in Venedig. Warum nur?
Stau vor dem Drive-thru von Starbucks
Another day in paradise. Der Himmel über Punta Gorda, nördlich von Ft. Myers und südlich von St. Petersburg ist nach anfänglichem Nebel kobaltblaut. Hier und da eine makellose Wolke. So sieht auch der bayerische Himmel aus während der Oktoberfest-Zeit. Nur dass wir jetzt mitten im Dezember sind und hier in Florida 28 Grad haben. Im Starbucks gegenüber vom Hotel stauen sich die Autos. Drive-thru statt Go-in. Scheinbar scheuen auch die Amerikaner den direkten Kontakt. Wir sind mutig – und gehen in den Coffee-Shop. Mit Maske. Außer uns und dem Personal folgt keiner dieser Empfehlung. Wir nesteln verlegen an der FFP-2, irgendwie kommt man sich aussätzig vor.
Impfausweis? Den will keiner sehen
So wie fast überall: Wer den europäischen oder deutschen Reflex hat und beim Anblick eines anderen Mitbürgers sofort nach dem Schnuten-Pulli greift, der wird zwar nicht scheel angeschaut – bleibt aber ein Exot. Gut, die Leute in Florida halten sich nicht wie in „good old Europe“ besonders häufig in viel zu kleinen, viel zu schlecht belüfteten Räumlichkeiten auf. Supermärkte wie „Publix“ sind so groß wie Industriehallen. Die Bankgeschäfte erledigt man online oder an den zahlreichen Drive-thru-Schaltern. Und wer essen geht, der sitzt eh meist draußen. Auch bei Hooters. In der legendären Kneipen-Kette mit den Hot-Pants-Bedienungen und einem für amerikanische Verhältnisse ziemlich barrierefreien Blick auf die weiblichen Reize gibt es selbstverständlich keine Maske. Und auch einen Impfausweis will niemand sehen, schon gar keinen aktuellen Test.
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Gin Tonic im Plastikbecher – schuld ist Corona
Und so gerät der Florida-Aufenthalt sehr schnell zu mehr als Ferien. Zwar spricht man hie und da von dem Virus, und dass Corona alles teurer gemacht hat, wie die Steaks zum Beispiel oder die Immobilienpreise, die hier im Sunshine State geradezu explodiert sind. Aber die thematische Dominanz wie in Europa erreicht die Pandemie selten. Ein anderes, für böse Zungen vielleicht ein artverwandtes Thema, bestimmt hingegen die Gespräche und ziert als Aufkleber schon so manches Autoheck. „Trump 2024“ steht da, auch immer häufiger. „Aber dagegen hilft auch kein Impfen“, merkt John zynisch an. Ein Amerikaner, mit dem wir an einer Bar beim Getränke holen kurz ins Gespräch kommen. Mai Tai und Gin Tonic im Plastikbecher – das ist schon eine der unangenehmsten Begleiterscheinungen der Pandemie. Aber auch leicht zu verkraften, wenn man im weißen Sand von Gasparilla Island sitzt und zusieht, wie die Sonne direkt ins Meer plumpst. Das ist nicht nur Urlaub, das ist Urlaub von Covid-19. (Rudolf Bögel) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.




