Gipfeltreffen in Kasachstan
Putin, Xi und Erdogan: Warum die Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit zum anti-westlichen Block wird
Die Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit etabliert sich als anti-westlicher Block. Beim Gipfel in Kasachstan treffen sich Diktatoren wie Putin und Xi. Eine Vision für die Zukunft aber fehlt.
Früher fanden die Gipfeltreffen der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit weit abseits der Weltöffentlichkeit statt. China, Russland und die zentralasiatischen Staaten kooperieren in dem Bündnis seit 2001 im Kampf gegen die „drei Übel“: Terrorismus, Separatismus, Extremismus. Als am Donnerstag unter anderem Russlands Präsident Wladimir Putin, Chinas Staatschef Xi Jinping, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der iranische Interimspräsident Mohammad Mokhber in Kasachstans Hauptstadt Astana zusammenkamen, schaute die Welt jedoch hin. Denn die Organisation – englisch Shanghai Cooperation Organisation (SCO) – hat sich zu einem veritablen anti-westlichen Block entwickelt, in dem sich vor allem autoritäre Herrscher ein Stelldichein geben.
Und der anti-westliche Ton der Gruppe nimmt zu. Xi rief in Astana die SCO-Mitglieder dazu auf, „externe Einmischungen“ abzuwehren. In seiner vom Staatssender CCTV übertragenen Rede warnte er mit indirekten Formulierungen vor den Risiken des US-amerikanischen Protektionismus. Auch nahm die SCO das in Westeuropa als Vasall Russlands geächtete Belarus als neues Mitglied auf, vermutlich auf Drängen Putins.
Shanghai-Organisation: Zehn Mitglieder mit 40 Prozent der Weltbevölkerung
Der Organisation gehören nun zehn Staaten an, die zusammen rund 40 Prozent der Weltbevölkerung und ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung stellen. Neben Russland, China und den fünf zentralasiatischen Staaten sind inzwischen auch Indien, Pakistan und Iran Mitglieder der SCO. Hinzu kommen eine Reihe Dialogpartner aus dem Mittleren Osten wie Saudi-Arabien sowie die Mongolei und Afghanistan als Beobachter.
Die SCO ist damit der zweite Block neben der Schwellenländergruppe BRICS, der zum geopolitischen Rivalen des Westens aufsteigt. Die BRICS, der zuvor Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angehörten, nahmen Anfang 2024 vier neue Staaten auf, darunter auch Iran. In Astana sagte Xi, er unterstütze eine Aufnahme Kasachstans in die BRICS.
Europa fürchtet Beitritt der Türkei
Was die SCO angeht, wäre ein Beitritt des Nato-Mitglieds Türkei zu einem anti-westlichen Bündnis für Europa problematisch. Erdogan hat bereits Interesse an einer SCO-Mitgliedschaft bekundet; seine Anwesenheit in Astana zeigt, wie ernst er es meint. Ökonomisch dockt sein Land bereits dort an: In den vergangenen fünf Jahren sind die türkischen Exporte in die SCO-Staaten um 85 Prozent gestiegen. Bei seinem bilateralen Gespräch mit Putin am Mittwoch aber holte sich Erdogan zunächst eine Abfuhr, Russlands Präsident lehnte ein türkisches Vermittlungsangebot für den Ukraine-Krieg ab.
Xi und Putin demonstrieren Zusammenarbeit und wollen endlich Pipeline bauen
Putin setzt lieber auf die sogenannte „pro-russische Neutralität“ Chinas. Auch mit Xi Jinping kam er am Mittwoch zusammen; von dem Treffen gab es die üblichen Statements über florierende Beziehungen. Immerhin haben Putin und Xi ihre zuständigen Staatsunternehmen laut Novak angewiesen, sich „so schnell wie möglich“ auf die Lieferbedingungen für die Gaspipeline „Power of Siberia 2“ zu einigen, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtet. China hatte Russland bei dem Projekt bislang zappeln lassen. Auch Erdogan traf sich mit Xi und sagte ihm nach Angaben des Präsidialamtes in Ankara, er wolle die Bemühungen um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der Türkei und China in allen Bereichen fortsetzen.
Peking und Moskau sind die treibenden Kräfte der SCO. Doch die eigentlich starke Macht ist China; Russland ist durch den Ukraine-Krieg abgelenkt – und China nutzt das, um seine Präsenz in Moskaus Hinterhof Zentralasien auszubauen. So überholte die Volksrepublik 2023 Russland als größten Handelspartner des Gastgebers Kasachstan.
China ist stärkste Macht der Shanghai-Organisation
Bislang ist es der SCO zwar gelungen, den Westen aufzuschrecken – aber nicht, eine gemeinsame Vision zu entwerfen. Die kleineren Mitglieder wollen die Vormachtstellung der USA nicht durch eine Hegemonie Chinas und Russlands ersetzen. „Alle Aktivitäten der SCO werden dadurch eingeschränkt, dass es sich de facto um einen Club mit drei Mitgliedern – China, Indien und Russland - handelt, von denen jedes eine eigene Agenda verfolgt und nur bis zu einem gewissen Grad zur Zusammenarbeit bereit ist“, meint der italienische Ökonomieprofessor Enrico Colombatto von der Universität Turin.
Daher sei auch eine wirtschaftliche Kooperation in der SCO schwierig, schreibt Colombatto. China sei die einzige technologische Supermacht, Indien könne vielleicht eine werden. „Die Rolle Russlands ist eher die eines Käufers oder vielleicht Nachahmers als die eines bedeutenden Entwicklers.“ Der indische Ministerpräsident Narendra Modi scheint die SCO auch nicht besonders wichtig zu nehmen: Er ließ den Gipfel aus und schickte seinen Außenminister. Dafür wird er nächste Woche nach Russland reisen, zu einem bilateralen Treffen mit Wladimir Putin.
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