Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Andere können die Entscheidung verstehen

„Wird alles kaputt machen“: Putin schasst Schoigu – im Kreml herrschen jetzt Sorge und Verwirrung

Wladimir Putin hat Sergej Schoigu entlassen. Auch für viele Insider in russischen Regierungskreisen ist diese Entwicklung eine faustdicke Überraschung.

Moskau – Die Nachricht überraschte viele Beobachter im Ausland, doch auch innerhalb Russland sorgte sie für Aufsehen: Sergej Schoigu ist nicht mehr russischer Verteidigungsminister. Die Entlassung sei für viele in der politischen und militärischen Führung Russlands ein Schock gewesen, wie ehemalige Beamte sowie dem Kreml und dem Verteidigungsministerium nahestehende Quellen der Moscow Times berichteten.

Verwirrwung und Überraschung bei russischen Insidern nach Schoigu-Entlassung

So ist bei vielen anonymen Quellen von Überraschung und Verwirrung die Rede. Bedenken gab es demnach auch, dass die Entscheidung die verlustreiche russische Invasion in der Ukraine gefährden könnte. „Es wird nicht funktionieren. Es wird alles kaputt machen“, sagte ein Regierungsbeamter.

Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der damalige russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu verlassen den Roten Platz nach der Militärparade zum Tag des Sieges.

Der Kreml begründete den Zeitpunkt der Entscheidung damit, dass das Verteidigungsministerium „innovativ“ bleiben müsse. Es müsse „offen“ sein für „die Schaffung von Bedingungen für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Auf dem Schlachtfeld gewinne derjenige, „der offener für Innovationen ist“, fügte er hinzu.

Militärführung beschloss angeblich nach der Wagner-Revolte Schoigus Ende

Laut einer Quelle hatte der Kreml bereits im vergangenen Sommer nach der Meuterei der Wagner-Söldnergruppe gegen die russische Militärführung beschlossen, Schoigu abzusetzen. Schoigu galt lange Zeit nicht nur als politischer Verbündeter Putins, sondern auch als einer seiner wenigen Freunde innerhalb der Moskauer Führung. Ihre Männerfreundschaft stellten beide demonstrativ zur Schau: Sie sonnten sich gemeinsam halbnackt in Sibirien, angelten, sammelten Pilze und spielten zusammen Eishockey.

„Das Militär mag Shoigu einfach nicht“, ließ eine Quelle verlauten. Die meisten anonymen Quellen sehen den neuen Minister Andrei Belousov – einen ehemaligen stellvertretenden Premierminister und Wirtschaftswissenschaftler ohne militärische Erfahrung – kritisch. Die Ernennung sei „eine große Überraschung, die an einen Schock grenzt“.

Einige Beamte kritisierten Schoigu-Nachfolger Belousow: „Können Putins Labrador ernennen“

Schoigu war seit 2012 Verteidigungsminister. Er verkörperte zusammen mit Außenminister Sergej Lawrow die Kontinuität der verschiedenen Regierungen unter Putin. Der russische Präsident hielt auch trotz einer Reihe von Rückschlägen für die russischen Truppen zu Beginn des Kriegs in der Ukraine 2022 an Schoigu fest, obwohl es teils deutliche Kritik aus dem Militär an dem Minister gab.

Ersetzt Sergej Schoigu als Verteidigungsminister: Andrej Beloussow

Sogar eine Legende aus dem Alten Rom wurde von den Quellen als Vergleich bemüht: „Caligula ernannte sein Pferd zum Senator. In unserem Fall könnten wir Putins Labrador zum Verteidigungsminister ernennen!“ sagte ein aktueller Regierungsbeamter. Die Ernennung ergebe schlicht „keinen logischen Sinn“, sagte ein anderer. Belousow sei „ein reiner Theoretiker“, hieß es demnach weiter. „Er hatte wenig mit der tatsächlichen Wirtschaft zu tun.“ Dass er nun etwas Neues aufbauen müsse, sei „völliger Schwachsinn“.

Es gibt auch Lob für die Ernennung von Belousow als Nachfolger von Schoigu

Einige Quellen bezeichneten Putins Wahl von Belousow als Leiter des Verteidigungsministeriums jedoch als logischen und erwarteten Schritt zur Optimierung der Militärausgaben, da der Kreml die Wahrscheinlichkeit eines langfristigen Konflikts in der Ukraine erkennt. Ein aktueller russischer Regierungsbeamter zog Parallelen zwischen Beloussow und Schoigus Vorgänger Anatoli Serdjukow, der von 2007 bis 2012 die russische Armee reformierte und modernisierte.

Nawalny verlängert die Liste der Opfer Putins – ein Überblick

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny war über Jahre der markanteste Kopf der russischen Opposition. Schon früh prangerte der Rechtsanwalt das Machtlager von Präsident Wladimir Putin offen als „Partei der Gauner und Diebe“ an.  © Andrei Zhilin/afp
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin.
Wahlen 2012 in Russland: Nawalny protestiert gemeinsam mit Schach-Großmeister Garry Kasparow (l.) für faire Wahlen in Russland – am Ende gewann Wladimir Putin. © Anatoly Maltsev / dpa
Alexej Nawalny
2013 trat er als Bürgermeisterkandidat in Moskau an und erreichte mit 27 Prozent der Stimmen den zweiten Platz. Später organisierte er Massenproteste im ganzen Land, besonders aber in Moskau. 2018 wollte Nawalny selbst Präsident werden, doch die Justiz schob ihm einen Riegel vor. Wiederholt wurde er wegen Betrugs- und Diebstahlsvorwürfen vor Gericht gestellt und verurteilt. © Kirill Kudryavtsev/afp
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei.
Nawalny – damals bereits sozusagen der Superstar der Protestbewegung in Russland – mit seiner Ehefrau Julija, vor Gericht. Nach seinen Protesten kam er damals vorerst frei. © Valentina Svistunova / dpa
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro.
Kreml-Kritiker Nawalny 2017 nach einer Farbattacke vor seinem Büro. © Evgeny Feldman / dpa
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden.
Nawalny vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2018. Dort war Russland zuvor wegen Festnahmen des Kreml-Kritikers verurteilt worden. © Jean-Francois Badias / dpa
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen.
Ein großes Portrait von Alexej Nawalny mitten in St. Petersburg. Nach nur wenigen Minuten ließ man es wieder überstreichen. © Alexander Demianchuk / Imago
Alexej Nawalny
Im August 2020 brach Nawalny bei einer Reise zusammen und fiel ins Koma. Grund war eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok, wie Untersuchungen an der Charité in Berlin bewiesen. © Instagram account @navalny/afp
Alexej Nawalny
Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er erneut vor Gericht gestellt und unter anderem wegen angeblichem „Extremismus“ zu 19 Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Im Dezember 2023 folgte die Verlegung in ein Lager hinter dem Polarkreis. Am 16. Februar 2024 starb Nawalny nach Justizangaben in dem Straflager. Er sei nach einem Hofgang zusammengebrochen, teilte die Gefängnisverwaltung mit.  © Vera Savina/afp
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben
Am 16. Februar 2024 kommt überraschend dann die Info aus Russland, Nawalny sei im Strafgefangenenlager gestorben. Weltweit wird um den Kreml-Kritiker getrauert. © IMAGO/Vuk Valcic / ZUMA Wire
Jewgeni Prigoschin
Jewgeni Prigoschin war in Russland als skrupelloser Unternehmer mit krimineller Vergangenheit bekannt. Er und Putin kannten sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb war Prigoschin, der mehrere Jahre wegen Raubs in Haft saß, auch als „Putins Koch“ bekannt. Niemand sonst in Russland traute sich solche Kritik wie Prigoschin © ITAR-TASS/Imago
Jewgeni Prigoschin
Über Monate hinweg legte sich Jewgeni Prigoschin mit der Militärführung in Moskau an. Immer wieder warf der Chef der russischen Privatarmee Wagner dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab der Armee vor, Präsident Wladimir Putin zu belügen. Mit einem bewaffneten Aufstand seiner Privatarmee forderte Prigoschin aber auch Putin selbst heraus. © Sergey Pivovarov/Imago
Jewgeni Prigoschin
Nach seinem gescheiterten Aufstand sahen Fachleute den Söldnerchef aber dem Tode geweiht. Kremlchef Putin hatte die Kämpfer um seinen Ex-Vertrauten als Verräter bezeichnet. Tatsächlich starb Prigoschin zwei Monate nach seiner Meuterei gegen die russische Staatsmacht im August 2023 bei einem Flugzeugabsturz in Russland. © Imago
Boris Nemzow
Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow galt als einer der schillerndsten und mutigsten Politiker Russlands. Feinde machte er sich vor allem mit seiner Kritik an der Ukraine-Politik von Kremlchef Wladimir Putin. Er wurde zur Galionsfigur der zersplitterten Opposition und galt als Unterstützer der Richtung Westen strebenden Ukraine. © Oxana Onipko/afp
Boris Nemzow
Nemzow wurde im Februar 2015 durch mehrere Schüsse in den Rücken aus einem Auto heraus erschossen. Der Mord wirft noch immer viele Fragen auf. Die EU drängte Russland wiederholt dazu, den Fall weiter aufzuklären. Ein Gericht in Moskau verurteilte 2017 den mutmaßlichen Mörder und vier Komplizen aus dem Nordkaukasus zu langen Haftstrafen. Nemzows Familie beklagte, dass nach den Drahtziehern nie wirklich gesucht worden sei. © afp
Boris Nemzow
In den 1990er Jahren hatte sich Nemzow als liberaler Reformer in Russland einen Namen gemacht. Präsident Boris Jelzin (rechts im Bild) holte ihn einst in die Regierung nach Moskau. Nemzow war zeitweilig auch als Präsidentenanwärter gehandelt worden. „Ich bin liberal, was Wirtschaftsfragen angeht, aber für eine starke Staatsmacht in der Politik“, sagte er einmal. © TASS/afp
Alexander Litwinenko
Der Putin-Kritiker Alexander Litwinenko starb im November 2006 in London nach einem Anschlag mit dem radioaktiven Gift Polonium 210. Einem Untersuchungsbericht zufolge soll ihm das Strahlengift in einem Londoner Hotel in den Tee gemischt worden sein. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit siechte Litwinenko tagelang dahin. Vom Krankenhausbett beschuldigte er Putin, hinter dem Anschlag zu stecken. Die britische Justiz sieht es ebenfalls als bewiesen an, dass die Spur in hohe politische Kreise in Moskau führt. Russland weist dies zurück. © Sergei Kaptilkin/dpa
Anna Politkowskaja
Die Journalistin Anna Politkowskaja machte sich als Kritikerin der Kriege in Tschetschenien einen Namen. Die Mitarbeiterin Oppositionszeitung Nowaja Gaseta berichtete über Kriegsverbrechen der russischen Armee und der verbündeten tschetschenischen Gruppen und sprach von einem „schmutzigen Krieg“. Häufig musste sie sich gegen Drohungen wehren. Am 7. Oktober 2006 wurde sie vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Politkowskajas Familie vermutet ein politisches Motiv für die Tat.  © Imago
Boris Beresowski
Die Serie von mitunter rätselhaften Todesfällen, hinter denen russische staatliche Stellen vermutet werden, ist noch sehr viel länger. Der Oligarch Boris Beresowski (Mitte) fiel nach dem Machtantritt Putins in Ungnade und floh nach Großbritannien. Am 23. März 2013 wurde Beresowski tot im Bad seines Hauses in Ascot gefunden.  © Shaun Curry/afp
Pawel Scheremet
Im Juli 2016 kam der russische Exil-Journalist Pawel Scheremet in Kiew durch eine Autobombe ums Leben. Scheremet engagierte sich während der Maidan-Proteste 2013/2014 in Kiew aufseiten der prowestlichen Kräfte und wurde später Redakteur beim renommierten Internetportal Ukrainskaja Prawda. © Dmytro Larin/afp
Denis Woronenkow
2017 wurde der abtrünnige russische Abgeordnete Denis Woronenkow auf offener Straße in Kiew erschossen. Auch sein Fall wurde nie aufgeklärt. © ITAR-TASS/Imago
Sergej Magnizki
Sergej Magnizki starb 2009 unter ungeklärten Umständen in einem Moskauer Gefängnis. Angeblich wurde der Anwalt, der nach eigenen Angaben einen Steuerbetrug aufgedeckt hatte, zu Tode geprügelt. Medizinische Hilfe wurde im verweigert.  © HO/Hermitage Capital Management/afp
Baburowa/Markelow
Die Journalistin Anastassija Baburowa und der Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow wurden 2009 auf der Straße in Moskau erschossen. Für die Tat wurden ein Rechtsextremist und eine Komplizin zu langen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten ihre Schuld bestritten. © ITAR-TASS/Imago
Natalia Estemirowa
Die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa wurde 2009 in der Konfliktregion Nordkaukasus erschossen aufgefunden. Mit Berichten über das Verschwinden von Zivilpersonen in dem Gebiet hatte sie sich wiederholt den Zorn der Machthaber zugezogen. © Memorial/afp
Sergej Juschenkow
Eines der ersten Todesopfer war Sergej Juschenkow. Der Duma-Abgeordnete wurde im April 2003 in Moskau erschossen. Juschenkow war der Staatsführung ein Dorn im Auge, wenngleich der Politiker über wenig Macht und Einfluss verfügte.  © Roman Mukhamedzanov/Vremya Novos/afp

„Belousows Aufgabe wird es sein, die Kriegsausgaben so zu optimieren, dass so viel Geld wie möglich in den Krieg und in die Tötung von Ukrainern fließt und nicht in die Taschen von Beamten des Verteidigungsministeriums“, äußerte der Beamte. Der neue Verteidigungsminister habe „kein eigenes Team“, sei „mit niemandem verbunden“, „von der Verwaltung besessen“ und „Putin gegenüber äußerst loyal“. Ein ehemaliger hochrangiger Kremlbeamter bezeichnete Beloussows Ernennung als „einen Schritt hin zu einer qualifizierten Aufsicht über die Wirtschaft der Armee“.

Kritik an Schoigu wegen Korruption im Verteidigungsministerium

Dahingehend wurde auch Kritik an Schoigu in Bezug auf Korruption laut: „In den meisten mit dem Verteidigungsministerium verbundenen Strukturen verschwand die Finanzierung auf mysteriöse Weise“, sagte eine dem Verteidigungsministerium nahestehende Quelle.

Der 68-jährige Schoigu Sekretär des wichtigen Nationalen Sicherheitsrates. Er wird damit Nachfolger von Nikolai Patruschew, der diesen Posten seit 2008 innehatte. Die Zukunft des einflussreichen früheren Chefs des Inlandsgeheimdienstes werde „in den kommenden Tagen“ mitgeteilt, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow mit Blick auf Patruschew. Außenminister Lawrow behält sein Amt ebenso wie der FSB-Chef Alexander Bortnikow und Auslandsgeheimdienstchef Sergej Narischkin. (cgsc mit afp)

Rubriklistenbild: © Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Kommentare