„Für ein Leben in Sicherheit“
Angst vor Russland: Immer mehr junge Menschen in Deutschland befürworten Wehrpflicht
Immer mehr junge Menschen wollen die Wehrpflicht zurück. Ein Militärsoziologe erklärt, was sie bewegt – und wann die Zustimmung noch steigen könnte.
Wehrpflicht, ja oder nein? Insgesamt spricht sich rund die Hälfte (52 Prozent) der Bundesbürger für eine Wiedereinführung aus. Unter den 18- bis 29-Jährigen sind es 41 Prozent. Das geht aus einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins Stern hervor.
16- bis 29-Jährige haben Angst vor der Bedrohung Russlands
Eine Umfrage des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam (ZMSBw) kommt ebenfalls auf das Ergebnis, dass 41 Prozent der 16- bis 29-Jährigen eine Einführung des verpflichtenden Wehrdienstes befürworten. Leiter der Befragung war Timo Graf, der am ZMSBw zur öffentlichen Meinung der Deutschen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik forscht.
Die Zustimmung zu einer Wehrpflicht war nicht immer so hoch. Von 2022 an stieg sie den Angaben zufolge von 36 Prozent auf 41 Prozent im Jahr 2023. „Je mehr die Befragten Russland als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands wahrnehmen, desto größer ist die Zustimmung zu einem Wehrdienst“, sagt Graf BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Dahinter steckt vermutlich der Ukraine-Krieg und die aktuellen Entwicklungen in den USA: Donald Trump erklärte im US-Wahlkampf, er werde Nato-Mitglieder nicht vor Russland schützen, sondern Wladimir Putin „sogar ermutigen“.
Nicht nur junge Männer sehen laut Graf eine Bedrohung in Russland. Die Sorge sei „unabhängig vom Geschlecht“ und werde voraussichtlich bestehen bleiben. „So lange Russland die Sicherheit Deutschlands und Europas bedroht, dürfte die positive öffentliche Meinung zu einem Wehrdienst fortbestehen“, sagt der Militärsoziologe.
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Deshalb haben viele Heranwachsende trotzdem Zweifel an einer Wehrpflicht
In der Forsa-Umfrage sind es immerhin 59 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, die eine Wehrpflicht ablehnen (so geht es auch vielen Twitter-Userinnen und -Usern). Die ZMSBw-Befragung kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis: Nur ein Viertel der 16- bis 29-Jährigen lehnte einen Wehrdienst explizit ab, 30 Prozent waren unentschieden. Das liegt womöglich daran, dass die Befragten im Gegensatz zur Forsa-Studie die Auswahlmöglichkeit „teils teils“ hatten, sowie zusätzlich 16- und 17-Jährige befragt wurden.
Trotzdem belegen beide Umfragen, dass ein großer Teil weiterhin an einer Wehrpflicht zweifelt. Der Grund: „Gerade die Unentschiedenen werden sich fragen, was ein Wehrdienst konkret für sie selbst bedeuten würde.“ Inwiefern, sei jedoch vom jeweiligen Wehrdienstmodell abhängig, sagt Graf. Um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, soll die Bundeswehr nach dem Willen der Bundesregierung kräftig wachsen. Tatsächlich aber ist die Zahl der Soldaten 2023 gesunken – auf 181.500 Männer und Frauen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt dafür aktuell verschiedene Modelle einer Dienstpflicht prüfen.
Das schwedische Modell könnte junge Menschen in Deutschland ansprechen
Zur Auswahl steht unter anderem das in Schweden praktizierte Modell. Dort werden alle junge Frauen und Männer gemustert, doch nur ein ausgewählter Teil erfüllt tatsächlich einen Dienst. Es handelt sich um eine Art der Musterpflicht. Bei der alten Wehrpflicht in Deutschland wurden alle Männer zum Wehr- oder Zivildienst verpflichtet. Im Juli 2011 wurde sie nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt.
Graf nennt das schwedische Modell im Vergleich dazu „eher eine ‚Light Version‘“. Es könnte seiner Meinung nach dafür sorgen, noch mehr junge Menschen von einem verpflichtenden Wehrdienst zu überzeugen. „Gerade die unentschiedenen jungen Menschen sollte sich hierüber gut informieren und mitdiskutieren, schließlich geht es um ihren Beitrag für ein Leben in Sicherheit und Freiheit.“
Bisher stößt eine Wiedereinführung der Wehrpflicht vor allem in der FDP, aber auch bei SPD und Grünen auf Widerstand.
(Mit Material der dpa)
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