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Folgen des Aufstands

„Putins System zerfällt“: Nach dem Wagner-Putsch drohen Säuberungsaktionen in Russland

Die russische Regierung simuliert nach dem Wagner-Putsch Normalität, und der aufständische Söldner-Chef Prigoschin rechtfertigt sich. Doch schon bald könnte es neue Opfer geben.

Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Security.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Security.Table am 27. Juni 2023.

Moskau – Nach dem Putschversuch der Privatmiliz Wagner gegen die Armeeführung in Russland hat die russische Regierung am Montag vor allem versucht, Normalität zu simulieren. Das Regierungskabinett unter Leitung des Premierministers Michail Mischustin versicherte, dass es keine größeren gesellschaftlichen Folgen der Ereignisse vom Wochenende gebe. Das Bemerkenswerte daran, erläuterten die russischen Kreml-Kenner Farida Rustamowa und Maxim Towkajl, sei, dass die Kabinettssitzung öffentlich gezeigt wurde. Für gewöhnlich gebe es davon keine Bilder.

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Nach dem Wochenende drängen drei Fragen in den Vordergrund:

  • Was bedeutet der Putschversuch für Russland?
  • Was bedeutet er für die Ukraine?
  • Was bedeutet er für die EU?

Wagner-Aufstand: Für Russland „geht es bergab“

Zahlreiche Fachleute für die russische Innenpolitik verwiesen einerseits auf die geschwächte Position Putins, zugleich aber auch darauf, dass das Schicksal des Wagner-Anführers Jewgeni Prigoschin noch nicht entschieden sei. „Er ist nun ein politischer Akteur, das Regime muss einen Weg finden, mit ihm umzugehen“, erläutert die im Berliner Exil lebende Ekaterina Schulmann gegenüber der Financial Times. Im Gespräch mit Table.Media sagte sie: „Putins System zerfällt. Langsam oder schnell – das ist unklar, nur der Weg ist klar: Es geht bergab.“

Am späten Montagabend meldete sich Präsident Wladimir Putin selbst zu Wort und machte in einer gut fünfminütigen Ansprache klar, dass die Tage der privaten Miliz Wagner gezählt sind. Er versprach zwar, sein Wort zu halten, keine Strafen für die Aufständischen zu verhängen. Doch für die Zukunft der Söldner gebe es nur drei Optionen: Vertrag mit dem Verteidigungsministerium, Ende des aktiven Dienstes oder Auswandern nach Belarus. In dem Land des Diktators Alexander Lukaschenko sollen offenbar schon Vorbereitungen für die Aufnahme Tausender Wagner-Kämpfer laufen.

Wagner-Chef Prigoschin rechtfertigt seinen Aufstand

Prigoschin selbst hatte sich am Montagnachmittag über seinen Telegram-Kanal an die Öffentlichkeit gewandt – mit einer überraschend banalen Nachricht: Sein „Marsch der Gerechtigkeit“ sei eine Antwort auf den Versuch des Verteidigungsministers gewesen, die Kontrolle über Wagner zu erlangen. Keine lauten Forderungen mehr, keine Beleidigungen, keine Vorwürfe. Da sprach jemand, der sich rechtfertigte.

Ob der Putschversuch mit immerhin mehreren Dutzend Toten auf der Seite des russischen Militärs und Wagner ganz folgenlos für Russland bleibt, ist noch nicht absehbar. Erste Namen für eine Erneuerung an der Spitze des russischen Verteidigungsministeriums tauchten gestern jedenfalls auf: Der jetzige Vize-Minister und Gouverneur der Region Tula, Aleksej Djumin, könnte Sergej Schoigu beerben und General Sergej Surowikin könnte den Chef des Generalstabs, Waleri Gerassimow, ablösen. Sollten Schoigu und Gerassimow gehen, hätte Prigoschin ein wichtiges Ziel erreicht. 

Ob die Ukraine aus der kurzzeitig chaotischen Situation einen Vorteil ziehen kann, ist noch fraglich. „Je länger der Putsch gedauert hätte, desto besser wäre es gewesen“, sagte der russischsprachige, israelische Militär-Analyst Ygal Levin, der in Kiew lebt und für ukrainische Medien die Lage an der Front analysiert. In jedem Fall sei es hilfreich, dass die russische Armee bei der Niederschlagung des Aufstandes weitere Hubschrauber verloren habe.

Russland nach dem Wagner-Putsch: „Die Hardliner werden aufräumen“

Wenn der kurzzeitige Aufstand nur ein Sturm im Wasserglas war, dann wird dies zumindest vorerst keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Krieg in der Ukraine haben. Für die Regierungen in der EU und Washington gibt es vorerst auch wenig Gewinn aus der Situation. Der Westen müsse eher langfristig eine demokratische Elite in Russland fördern, erläuterte Kirill Shamiev auf Nachfrage. „Der Westen muss signalisieren, dass er diejenigen unterstützten will, die eine Demokratisierung im politischen Leben Russlands wollen.“ Shamiev spielt damit auf die am Wochenende vielfach unter russischen Exilanten geäußerte Kritik an, dass im Land keine pro-demokratischen Kräfte auf den Putsch reagiert hätten.

Ob und wie geschwächt Putin tatsächlich ist, ist noch unklar. Möglicherweise ist eine Säuberungswelle in der russischen Elite zu erwarten. Alexey Yusupov, Leiter des Russland-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung, hatte unmittelbar nach dem Putsch-Versuch im Gespräch mit Table.Media vorhergesagt: „Was also folgen wird, wenn es Putin gelingt, diesen Aufstand niederzuschlagen, ist eine Säuberungswelle. Der Loyalitätszirkel wird enger. Die Hardliner werden die vermeintlich Unzuverlässigen in der politischen Elite, im Militär, im öffentlichen Raum zu beseitigen versuchen, sie aus ihren Funktionen entfernen oder sie verhaften, oder sie sich ihrer ganz entledigen. Wir werden eine Verschärfung des polizeistaatlichen Charakters des Systems sehen.“ (Von Viktor Funk)

Rubriklistenbild: © Valeriy Sharifulin/IMAGO

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