Analyse
Rente wie in Österreich? Das steckt hinter der Wagenknecht-Forderung
Wagenknecht will eine Rente wie in Österreich. Die Umstellung wäre teuer und würde dauern. Zudem ist das System nicht unumstritten.
Berlin – Die Altersarmut in Deutschland steigt. Nach Angaben der Bundesregierung ist jeder fünfte Rentner betroffen. Gleichzeitig gibt es immer wieder, und besonders von Seite der Arbeitgeber, Kritik an hohen Sozialabgaben. Besonders klar gegen Altersarmut und für höhere Abgaben positionieren sich die Linke und die inzwischen mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ eigene Wege gehende Sahra Wagenknecht. Beide fordern ein Rentensystem nach österreichischen Vorbild. Die Linke geht mit der Forderung nach einer „solidarischen Mindestrente“ von 1200 Euro für alle noch darüber hinaus. Wagenknecht nennt als Vorbild stets die Alpenrepublik. Dort hat man das Rentensystem im Gegensatz zu Deutschland seit Jahrzehnten kaum angetastet.
„Bürgerversicherung“ nach Österreich-Vorbild – Altbekannt aus SPD, Grünen und Linken
Österreichs Rentensystem hat die gesetzliche Aufgabe, dass alle, die 45 Jahre lang einbezahlt haben, 80 Prozent ihres durchschnittlichen Einkommens als Rente erhalten. In Rente gehen dürfen Frauen ab 60 und Männer ab 65. Seit 20 Jahren ist das Beamtentum in Österreich abgeschafft, und alle zahlen in eine Kasse ein. Systematisch ist das der zentrale Unterschied zum deutschen System. Das gilt für alle Sozialversicherungen in Österreich. Die Idee ist in Deutschland unter dem Namen „Bürgerversicherung“ aus den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und Linken bekannt. Denen fehlten bisher aber stets die Mehrheiten für die Umsetzung, CDU und FDP lehnen Reformen in diese Richtung seit Jahren kategorisch ab.
Wer mehr Rente will, „muss auch mehr bezahlen“ – Umstellung würde „eine Generation“ dauern
„Wenn man höhere Pensionsniveaus haben möchte, muss man auch mehr bezahlen“, sagte der österreichische Ökonom Holger Bonin vom Institut für höhere Studien der ARD. Und die Rentenniveaus in Österreich sind tatsächlich deutlich höher als in Deutschland: Durchschnittlich bekam ein Österreicher 2022 nach Berechnungen der Pensionsversicherungsanstalt 2162 Euro Bruttorente monatlich, eine Österreicherin 1285 Euro, allerdings gibt es eine 13. und eine 14. Monatsrente. In Deutschland sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 2086 Euro im Monat für Männer und 1.1197 Euro für Frauen, allerdings jeweils 12 Mal pro Jahr. In Österreich lebt laut der österreichischen Statistikbehörde Statistik Austria nur etwa jeder Sechste Rentner in Altersarmut.
Trotzdem mahnen österreichische Wirtschaftsforscher an: Die Pension sei zu sehr vom Staat abhängig. Wer weniger als 15 Jahre einbezahlt habe, habe gar keinen Anspruch. Österreich brauche die „Weichstellung“ hin zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge, die es in Deutschland mit der Agenda 2010 unter Gerhard Schröder (SPD) gegeben habe, sagte Christine Mayrhuber vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung in Wien zur ARD. Bonin weist auch daraufhin, wie langwierig und teuer der Rückbau der neoliberalen Reform werden würde: Das alleine über zusätzliche Einzahler zu finanzieren, werde „nicht gelingen“ zudem rechne er damit, dass eine Umstellung etwa „eine Generation“, also 40 Jahre dauern würde.
Wagenknecht will Volksentscheid – Aktienrente oder stärkere Gesetzliche
Wagenknecht möchte die Deutschen darüber „abstimmen“ lassen, ob sie eine sogenannte Aktienrente, wie sie die Ampel-Koalition plant, oder ein österreichisches Modell mit deutlich höheren Beitragssätzen möchten. Insgesamt beträgt der Rentenbeitrag dort 22,8 Prozent und liegt damit deutlich höher als die 18,6 Prozent in Deutschland. In Deutschland teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge zu gleichen Teilen. In Österreich zahlen die Arbeitgeber mit 12,55 Prozent des Bruttogehaltes mehr als die Hälfte der Rentenbeiträge. Zusätzlich zahlen alle ein, auch die Selbständigen und die Beamten. Laut dpa-Berechnungen würden die höheren Sätze in Deutschland zusätzlich einen „zweistelligen Milliardenbetrag“ einbringen.
Österreich: 70 Prozent mehr aus dem Haushalt in Rente als in Deutschland
Ein zweistelliger Milliardenbetrag in einem deutschen Rentensystem, das jährlich gut 360 Milliarden Euro umschichtet. Gut 80 Milliarden kamen laut Statistik der Deutschen Rentenversicherung 2022 aus Steuergeldern des Bundes. In Österreich waren es nach Angaben der Pensionsversicherung etwas mehr als 38 Milliarden Euro, die für das Pensionssystem aufgewandt worden. Aus Beiträgen erwirtschaftet werden hierbei 33 Milliarden Euro. Im Staatshaushalt für 2022 waren knapp 14 Milliarden Euro angesetzt. Relativ zur Bevölkerung sind das in etwa 70 Prozent mehr Zuschüsse als in Deutschland. Laut dem Budgetdienst des österreichischen Parlaments handelte es sich hierbei hauptsächlich um Ausfallhaftungen für fehlende Beiträge.
Das Finanzierungsproblem durch Überalterung und zu wenige Einzahler gibt es in Deutschland wie in Österreich. Zudem gibt es in Österreich im Gegensatz zu Deutschland keine Schuldenbremse, die die Finanzierung einer solchen Reform mindestens erschwert. Politisch sind die Rahmenbedingungen auch andere, da die Sozialpartnerschaft aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern deutlich mächtiger ist. Österreichische Politikwissenschaftler führen den aktuellen Stand des österreichischen Pensionssystems maßgeblich darauf zurück, dass sich die Sozialpartner nicht einig werden, und dadurch jedwede Reform blockieren. (kb mit dpa)
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