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Multipolare Welt

Indiens Modi mit Pomp in den USA empfangen: Biden will die aufsteigende Macht als Verbündeten gegen China

US-Präsident Joe Biden und seine Ehefrau Jill Binden sprechen vor dem Weißen Haus mit Indiens Premierminister Narendra Modi.
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Premierminister Narendra Modi am Mittwochabend im Weißen Haus: Die USA werben um Indien.

Indiens Premierminister Narendra Modi ist zum Gipfeltreffen in Washington. Präsident Joe Biden will ihn ins Team USA ziehen. Doch Indien ziert sich: Das Land betreibt Interessenpolitik zwischen allen Lagern.

Washington/Frankfurt – Indien liebt den Westen nicht. Doch für die USA ist das riesige Land unentbehrlich. US-Präsident Joe Biden möchte Indien als Gegengewicht zu China aufbauen und aus seiner jahrzehntealten Partnerschaft mit Russland lösen. Dazu bietet er Indien Waffenlieferungen und Hochtechnologietransfer – und hat nun Premierminister Narendra Modi zu einem üppigen Staatsbesuch eingeladen. Nach einem informellen Essen Modis mit dem Ehepaar Biden am Mittwochabend startet am heutigen Donnerstag das offizielle Programm. Modi wird mit dem Präsidenten im Oval Office zusammenkommen, vor einer gemeinsamen Sitzung der beiden Kongresskammern sprechen. Nach einer Pressekonferenz mit Biden folgt am Abend ein vegetarisches Staatsbankett. Modi isst als Hindu aus religiösen Gründen kein Fleisch.

Das Programm klingt nach Standard, doch das ist es keineswegs. Modi ist erst der vierte ausländische Staatsmann, der mehr als einmal vor beiden Kongresskammern spricht, bereits 2016 hielt er dort eine Rede. Vor ihm erhielten diese Ehre nur Winston Churchill, Nelson Mandela und Wolodymyr Selenskyj. Für diese Ehre aber muss Modi auch etwas geben: die gemeinsame Pressekonferenz mit Biden. Seit seinem Amtsantritt 2014 hat Modi in Indien noch nie eine Pressekonferenz abgehalten oder öffentlich Fragen beantwortet. Darin ähnelt er mehr seinen chinesischen Amtskollegen: Chinas Premier Li Qiang hatte diese Woche bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin durchgesetzt, dass bei der gemeinsamen Pressebegegnung mit Kanzler Olaf Scholz keine Fragen erlaubt waren. In Washington dürfte so etwas kaum möglich sein.

Indien: größte Demokratie der Welt und unbequemer Partner des Westens

Indien ist das bevölkerungsreichste Land der Welt und die größte Demokratie des Planeten. Doch unter Modi und seiner hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) steht die offene Gesellschaft unter Druck. Die BJP regiert auch etwa die Hälfte der Bundesstaaten; in vielen davon wächst die Feindseligkeit gegenüber den mehr als 200 Millionen Indern muslimischen Glaubens. Nach einem Bericht des britischen Magazins Economist nehmen Enteignungen von oder sogar Lynchmorde an Christen und Muslimen zu. Journalist:innen beklagen Einschüchterung der Medien; und Indiens Gerichte sind weitgehend gefügig bei Fällen, die den Staat berühren. Dutzende Abgeordnete von Bidens Demokratischer Partei forderten den Präsidenten daher in einem Brief auf, die Menschenrechtslage gegenüber Modi anzusprechen.

Joe Biden und seiner Regierung steht somit ein Eiertanz bevor: Sie müssen Probleme ansprechen, ohne Modi zu verprellen. Schließlich will Washington etwas von ihm. Und Indien ist sich durchaus bewusst, dass seine Macht in der komplizierten Weltlage weiter wachsen wird. Modi will Indien zum Großmachtstatus führen. Sein Fernziel ist es, einer von mehreren Polen einer künftigen multipolaren Welt zu werden, auf Augenhöhe mit den USA und China. Der Ukraine-Krieg und die Rivalität zwischen den USA und China spielen ihm dabei durchaus in die Tasche. Denn alle Seiten werben um sein Land. „Wir haben gerne mehrere Wahlmöglichkeiten. Und natürlich versuchen wir, das Beste daraus zu machen“, sagte Außenminister Subrahmanyam Jaishankar kurz vor dem Gipfel in einem seltenen Interview mit dem Economist.

Indien und die USA: Große Erwartungen an Gipfeltreffen Modis mit Biden

Die Erwartungen an diesen Tag in Washington sind auf beiden Seiten groß. „Es ist ein Meilenstein in unseren Beziehungen. Es ist ein sehr bedeutender Besuch, ein sehr wichtiger Besuch“, sagte der indische Außen-Staatssekretär Vinay Kwatra am Montag. „Man wird auf diesen Besuch von Premierminister Modi als ein echtes Sprungbrett für die Beziehungen zwischen den USA und Indien zurückblicken, insbesondere in Bezug auf Verteidigungsfragen“, frohlockte Ely Ratner, stellvertretender US-Verteidigungsminister für indopazifische Angelegenheiten, Anfang Juni. Ein stärkeres Indien, das seine eigenen Interessen verteidigen und damit zur regionalen Sicherheit betragen könne, sei gut für die USA. Ratner fügte hinzu, dass man Indien als Exporteur von Sicherheit in der Region sehen wolle.

Der Elefant im Raum ist dabei China. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan betonte: „Bei diesem Besuch geht es nicht um China. Aber die Frage nach Chinas Rolle im militärischen, technologischen und wirtschaftlichen Bereich wird auf der Tagesordnung stehen.“ Mit Washingtons Hauptrivalen China verbindet Indien seit langem herzliche gegenseitige Abneigung, die seit Grenzscharmützeln im Jahr 2020 noch zugenommen hat. Doch da Indien dem Westen misstraut, dürfte es kein formelles Bündnis mit den USA eingehen. Schon Indiens Beitritt zum Sicherheitsbündnis Quad mit den USA, Japan und Australien war eine kleine Sensation. Doch Quad ist eben in Modis Interesse, denn es will den Indischen Ozean vor einer größeren chinesischen Präsenz schützen. Es will seine Landverteidigung gegen China verstärken und nicht mit den USA um Taiwan kämpfen.

Modi in Washington: Biden wird Russland und den Ukraine-Krieg ansprechen

Auch eine Unterstützung des Westens im Ukraine-Krieg gibt es von Indien bisher nicht: Ebenso wie viele andere Schwellenländer will Indien sich weder in diesem Konflikt noch in der Rivalität zwischen USA und China positionieren. Es ist Mitglied der BRICS-Gruppe großer Schwellenländer, zu der neben Indien selbst auch China, Russland, Brasilien und Südafrika gehören. Die Gruppe sieht sich als Anwalt des Globalen Südens und keiner Allianz zugehörig. Indien kauft trotz der russischen Invasion weiter Rüstungsgüter aus Russland und vervielfachte seine Ölimporte von dort. Modi rang sich im September 2022 lediglich dazu durch, Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu ermahnen: „Die heutige Zeit ist keine Ära des Krieges.“

Indien und USA: Mehrere Abkommen zu Waffenlieferungen erwartet

Biden wird gegenüber Modi folglich Russland und den Ukraine-Krieg zur Sprache bringen. Doch er wird Indien auch etwas bieten müssen. Und so wird erwartet, dass die USA während des Gipfels dem Konzern General Electric die Genehmigung erteilen werden, in Indien Triebwerke für dessen selbst entwickelte Kampfflugzeuge zu produzieren. Auch soll der Verkauf von 31 bewaffneten MQ-9B SeaGuardian-Drohnen von General Atomics an Indien unterzeichnet werden. Die USA wollen zudem den Abbau von Handelshemmnissen für Verteidigungs- und Hochtechnologieprodukte verkünden. Modi trifft außerdem die Chefs mehrerer amerikanischer Großunternehmen, die in Indien investieren könnten.

Apple-Chef Tim Cook sagte schon im Mai vor Investoren: „Die Dynamik des Marktes, die Lebendigkeit, sind unglaublich. Indien ist an einem Wendepunkt.“ Apple produziert bereits sieben Prozent seiner Smartphones in Indien; Apple-Lizenzfertiger Foxconn aus Taiwan baut derzeit gleich mehrere Smartphone-Fabriken im Land. Auch dabei ist China unausgesprochen mit dabei. Denn Indien setzt im Wettstreit mit China darauf, genau jene Firmen anzulocken, die der Abhängigkeit von der Volksrepublik entfliehen und künftig mehrere Standbeine in Asien wollen.

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