Historische Regeländerung
„Vorstoß ist ungewöhnlich“: CDU und BSW wollen AfD in Thüringen mit Trick verhindern
Die CDU und BSW wollen die Geschäftsordnung im Thüringer Landtag ändern. Doch es ist unklar, ob sie es dürfen. Das sagt ein Experte.
Erfurt – Nach der Wahl kommen die Fallstricke. Die Regierungsbildung wird eine Herausforderung in Thüringen, aktuell zeichnet sich eine sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD ab, mit Mario Voigt als Ministerpräsident. In trockenen Tüchern ist dabei allerdings noch nichts. Ein weiterer Knackpunkt kommt am Donnerstag nächster Woche (26. September) auf den Landtag zu, wenn es um die Wahl des Landtagspräsidenten geht. Wegen der AfD könnte es zu einer zeitraubenden Hängepartie kommen. Die CDU und die Wagenknecht-Partei BSW wollen das verhindern – und planen gemeinsam eine historische Maßnahme.
AfD will nach Thüringen-Wahl Kandidaten für Amt des Landtagspräsidenten vorschlagen
Hintergrund: Als stärkste Kraft nach der Thüringen-Wahl darf die AfD einen ersten Kandidaten oder eine erste Kandidatin vorschlagen. Die Partei hat bereits ihre Abgeordnete Wiebke Muhsal für die Kandidatur nominiert. Um gewählt zu werden, bräuchte Muhsal eine einfache Mehrheit im Landtag. Die anderen Fraktionen haben allerdings deutlich gemacht, dass sie eine AfD-Politikerin an der Spitze des Landtags nicht akzeptieren werden, denn die Thüringer AfD gilt laut Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem.
Erst nach zwei verlorenen Wahlgängen können die anderen Parteien eigene Kandidaten vorschlagen. Sprich: Es gäbe massive Verzögerungen, bis der Landtag arbeitsfähig wäre. Deshalb wollen CDU und BSW die Geschäftsordnung ändern und zur Abstimmung stellen, dass alle Fraktionen von Anfang an Kandidaten vorschlagen können.
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Nach Thüringen-Wahl: Fraktionen im Landtag bereiten sich vor, um AfD kaltzustellen
Der Zeitpunkt allerdings wäre ungewöhnlich und bislang einzigartig: Denn normalerweise wird zuerst ein neuer Landtagspräsident gewählt, und erst danach gilt der Landtag als handlungsfähig. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke spricht via X von „Taschenspielertricks“ und aus der Partei hieß es, man glaube nicht, dass der Landtag vor der Wahl eines Präsidenten über eine neue Geschäftsordnung abstimmen könne. „Die Rechtslage ist hier sehr eindeutig“, sagte etwa Torben Braga, parlamentarischer Geschäftsführer der Thüringer AfD-Landtagsfraktion, gegenüber Welt.
Befürworter der CDU-BSW-Aktion bereiten sich derweil schon argumentativ vor, wie aus Landtagskreisen zu hören ist. Aber wie sieht es verfassungsrechtlich aus? Hat die AfD mit ihrer Einschätzung recht? Überhaupt nicht, sagt Jurist Philipp Austermann, der an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung lehrt. „Der Landtag kann, wie jedes Parlament, seine Geschäftsordnung durchaus ändern, bevor ein neuer Präsident gewählt ist“, so Austermann im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
Verfassungsexperte über Maßnahme von CDU und Wagenknecht-Partei BSW: „Ungewöhnlich, aber zulässig“
In der thüringischen Verfassung ist im Artikel 57 zwar festgeschrieben, dass sich der Landtag eine Geschäftsordnung zu geben hat. „Aber es gibt keine Vorgabe, wann das zu geschehen hat. Dasselbe gilt für die Präsidentenwahl“, erklärt Experte Austermann.
Das heißt: Der neue Landtag hat ein Selbstorganisationsrecht – und das kann durch Gewohnheiten in bisherigen Landtagen nicht eingeschränkt werden. „Der Vorstoß ist sicherlich ungewöhnlich, aber durchaus zulässig“, macht Jurist Austermann klar. Für die Abstimmung zur Änderung der Geschäftsordnung bräuchten CDU und BSW eine einfache Mehrheit im Landtag. Aus der SPD ist bereits zu hören, dass man die beiden Parteien als Fraktion unterstützen werde.
Rubriklistenbild: © Martin Schutt, Jakob Schröter/dpa (Fotomontage)