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Interview
EU-Sondergesandter zum Ukraine-Krieg und Russland: „Die Sanktionen funktionieren“
Die Sanktionen sollen Putin und die Mächtigen Russlands so treffen, dass sie den Krieg gegen die Ukraine aufgeben. Doch wirken sie?
David O‘Sullivan ist seit Anfang des Jahres EU-Sanktionskoordinator und hat in der neuen Rolle schon eine Reihe von Drittstaaten aufgesucht, um die wichtigsten Schlupflöcher im Sanktionsregime gegen Russland zu schließen. Der frühere Spitzenbeamte und EU-Botschafter in Washington zieht im Interview mit Stephan Israel eine positive Zwischenbilanz.
David O‘Sullivan ist ehemaliger Generalsekretär der Europäischen Kommission und hochrangiger EU-Diplomat. Von 2014 bis 2019 war der Ire EU-Botschafter in den USA. Im Januar 2023 übernahm er das Amt des internationalen Sondergesandten für die Umsetzung der EU-Sanktionen.
Herr O‘Sullivan, ist die EU mit ihrem Sanktionsregime gegen Russland gescheitert? Neuste Zahlen deuten darauf hin, dass Wladimir Putin bekommt, was er für die Waffenproduktion braucht…
Nein, diese Ansicht teile ich nicht. Ich denke, die Sanktionen funktionieren. Die drei Hauptziele waren erstens die Schwächung der technologischen Fähigkeiten des russischen Militärs, zweitens der russischen Regierung die Einnahmen zu entziehen, um den Krieg fortzusetzen, und drittens Russland hohe Kosten für die unprovozierte Aggression für seine Wirtschaft aufzuerlegen. Ich denke, in allen drei Bereichen können wir deutliche Auswirkungen feststellen.
Die Ukraine meldete, dass selbst in neueren russischen Raketen jede Menge westliche Technologie gefunden wird…
Es stimmt zwar, dass immer noch einige halbmilitärische Komponenten ihren Weg nach Russland finden, aber die Qualität der russischen Waffen nimmt ab. Das sieht man auch an den russischen Raketen, die von den Ukrainern abgefangen wurden. Russland wendet sich jetzt für Komponenten an Nordkorea. Das zeigt, wie sehr Putin Probleme hat, weiterhin technologisch anspruchsvolle Waffen zu produzieren.
Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. Russlands Importe aus Kasachstan, Georgien, Armenien oder der Türkei sind im ersten Halbjahr um 37 Prozent gestiegen und gleichzeitig haben die Ausfuhren aus der EU nach Zentralasien und in die Türkei in ähnlichem Umfang zugenommen.
Das waren die früheren Zahlen. Inzwischen sehen wir eine deutliche Verlangsamung. Es zahlt sich aus, dass wir eine Vereinbarung mit Kasachstan, Usbekistan, Armenien und Serbien treffen konnten, um die Wiederausfuhr von Produkten zu verhindern, die für Rüstungsgüter verwendet werden können. Alle diese Länder und auch die Vereinigten Arabischen Emirate haben zugestimmt, die Wiederausfuhr von einer ganzen Liste an Produkten nach Russland zu verbieten. Ich denke also, dass es uns gelungen ist, dieses Schlupfloch zu schließen. Wir hoffen, dass die Türkei in den nächsten Tagen folgen wird.
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Diesers Interview liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte es Europe.Table am 16. Oktober 2023.
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„Die Russen kämpfen darum, die technologische Qualität ihrer Waffen aufrechtzuerhalten“
Der Sanktionskoordinator der Ukraine sagt, dass in neuen Waffen, Raketen und Drohnen aus Russland alle Arten von westlichen Produkten gefunden wurden.
Wir wissen, dass diese Produkte auf Lager sind und die Russen diese aus verschiedenen Quellen erwerben konnten. Ich meine, das sind ganz alltägliche Dinge. Chips, integrierte Schaltkreise, Flash-Speicherkarten, optische Lesegeräte. Vieles davon zirkuliert in der Weltwirtschaft und einiges davon findet seinen Weg nach Russland. Aber ich denke, dass wir zunehmend die Quelle dieser Technologie von Europa oder den USA abschneiden und es für Russland immer schwieriger machen, sie zu erwerben. Wir wissen mit Sicherheit, und die Ukrainer haben uns das bestätigt, als sie hier waren, dass die Versorgung Russlands mit dieser Art von Produkten schrumpft, und sie kämpfen darum, die technologische Qualität ihrer Waffen aufrechtzuerhalten.
Sie haben eine Reise durch Drittländer unternommen, was ist das Feedback?
Wir haben zwei Länder, von denen wir erwartet hätten, dass sie sich unseren Sanktionen anschließen. Das sind Serbien und die Türkei. Wir sind natürlich enttäuscht, dass die beiden Beitrittskandidaten das nicht getan haben. Beide Länder haben ihre eigenen Gründe. Serbien hat seine eigene schmerzvolle Geschichte aus den 90er Jahren. In der Türkei versucht Herr Erdogan eine Art Mittelweg zu finden und möchte nicht Partei ergreifen. Aber alle erkennen an, dass sie nicht zu einer Plattform für die Umgehung von Sanktionen werden wollen, insbesondere wenn es um militärische Güter geht, die an den militärisch-industriellen Komplex geliefert werden.
„Der Kampf gegen Umgehungsgeschäfte beginnt bei uns zu Hause“
Ihr Titel ist Sanktionskoordinator, das klingt nach wenig Macht…
Meine Aufgabe ist, auf die Länder zuzugehen. Aber natürlich kann die EU in Zukunft ihre neuen Instrumente gegen Länder nutzen, die bei Umgehungsgeschäften mitmachen. Jeder weiß, dass es diese Drohkulisse gibt. Und natürlich beginnt der Kampf gegen Umgehungsgeschäfte bei uns zu Hause. Soweit europäische Waren ihren Weg nach Russland finden, haben sie ihren Ursprung immer noch irgendwo in Europa.
Sie haben die neuen Instrumente gegen Sanktionsverstöße erwähnt. Glauben Sie, dass diese bald gegen einige Drittländer angewendet werden?
Wir versuchen weiterhin, mit allen Ländern in einem kooperativen Geist zu arbeiten, in Anerkennung ihrer Souveränität, ihrer Unabhängigkeit und ihrer territorialen Integrität. Aber wenn wir nicht in der Lage sind, auf dem Verhandlungsweg zu einer Einigung zu kommen, wie wir mit einigen dieser Umgehungsfragen umgehen sollen, dann haben wir natürlich die Möglichkeit, auf diese Strafmaßnahmen zurückzugreifen. Ich hoffe, dass wir das nicht tun müssen. Ich hoffe aber auch, dass wir nicht zögern werden, diese Instrumente einzusetzen, wenn es nötig ist.
Die Ölpreisobergrenze scheint auch nicht zu funktionieren…
Nun, sie funktioniert. Aber natürlich haben wir zwei Probleme. Das eine ist der sehr hohe Ölpreis. Das bedeutet natürlich, dass Russland höhere Preise für sein Öl erzielen kann, als dies früher der Fall gewesen wäre. Und zweitens gibt es Probleme mit der Umgehung der Vorschriften durch die Verschiffung und den Transport dieses Öls.
„Es gibt Hinweise auf Schattenflotten“
Wie meinen Sie das konkret?
Es gibt Hinweise, dass einige Schifffahrtsunternehmen bei den Transportkosten und dem Preis für das Öl manipulieren. Und wir haben auch Hinweise darauf, dass es sogenannte Schattenflotten mit sehr alten, manchmal extrem maroden Tankern gibt, die offenbar nicht von westlichen Versicherern, sondern von Russland oder China versichert werden. Doch mit welcher Garantie? Wenn es irgendwann zu einer Umweltkatastrophe kommt und einer dieser Tanker irgendwo an einer Küste Öl ablädt, weiß ich nicht, ob das betroffene Land durch diese Versicherung tatsächlich entschädigt würde. Die G7-Industriestaaten befassen sich aktiv damit und überlegen, wie man gegen diese Art der Umgehung vorgehen kann. Und ich denke, in den nächsten Wochen werden wir weitere Maßnahmen sehen.
Die Ukraine fordert, die Preisobergrenze zu senken. Wäre das ein Weg?
Ich denke, die allgemeine Ansicht ist, dass das Problem nicht die Preisobergrenze ist. Diese funktioniert, aber nicht so effektiv, wie wir ursprünglich gehofft hatten. Der Ölpreis liegt jetzt bei fast 100 Dollar pro Barrel. Das macht den Ölhandel natürlich sehr viel interessanter und kommt Russland zugute. Wenn der Ölpreis 100 Dollar beträgt, wird eine Senkung der Preisobergrenze von 60 auf 40 Dollar keine großen Auswirkungen haben. Ich denke, das Hauptaugenmerk liegt auf der Umgehung der Preisobergrenze durch Schattenflotten oder durch Fälschung der Frachtbriefe und der Dokumentation über die Transportkosten im Vergleich zu den Kosten der Fracht. Es wird sehr aktiv daran gearbeitet, diese Schlupflöcher zu schließen.
Die Debatte über das 12. Sanktionspaket hat begonnen. Was sollte darin enthalten sein?
Ich bin nicht an der Ausarbeitung neuer Sanktionen beteiligt. Ehrlich gesagt denke ich, dass es noch ein weiter Weg ist, bis wir dazu kommen. Und in der Zwischenzeit wird es alle möglichen Spekulationen darüber geben, was darin enthalten sein sollte und was die Leute wollen. Aber das ist nicht mein Thema.