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Rüstungsbranche der Ukraine

Trotz Angriffen auf Fabriken: Wie die Ukraine Munition und Waffen für den Krieg gegen Russland produziert

Sowjetische Haubitze D-30
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Ukroboronprom stellt seit März 2023 122-mm-Munition für die sowjetische Haubitze D-30 her.

Zehntausende Beschäftigte arbeiten im ukrainischen Staatsbetrieb Ukroboronprom, der gemeinsam mit Rheinmetall ein Joint Venture plant. Die Produktion geht auch während russischer Angriffe weiter.

Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Security.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Security.Table am 04. Juli 2023.

Kiew – Die russische Invasion von Februar 2022 hat die ukrainische Rüstungsindustrie vor eine neue Realität gestellt. Schnell wurde klar, dass die existierenden Waffenbestände aus der Sowjetzeit für einen großen Verteidigungskrieg nicht ausreichen. Einer der Gründe: Angriffe auf ukrainische Munitionsfabriken. Mehr als 100 Drohnen- und Raketenangriffe auf Rüstungsobjekte in der Ukraine sind in den vergangenen 16 Monaten bekannt geworden, nicht nur im Osten des Landes. Außerdem stellen die neuen mobilen Brigaden eine Herausforderung dar, denn die beschädigte Wehrtechnik soll möglichst vor Ort in Frontnähe repariert werden.

Fast die gesamte Rüstungsbranche der Ukraine ist konzentriert in dem Dachkonzern Ukroboronprom (Ukrainische Verteidigungsindustrie). Selbst nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Donbass 2014 lief der Betrieb in großen Standorten wie Kramatorsk im Gebiet Donezk weiter – auch für den Export. Indonesien, Südsudan, die Demokratische Republik Kongo, aber auch die USA, Kanada und Deutschland zählten zu den Abnehmern. Nur nach Russland soll nach offiziellen Angaben seit dem Export eines Hubschraubers im Jahr 2013 keine Ausfuhr mehr erfolgt sein.

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Ukraine-Krieg: Produktion von Munition gemeinsam mit Nato-Staaten

Seit Februar 2022 aber ist ohnehin alles anders. Ukroboronprom stellte auf den Import von Waffen um, der Export rückte in den Hintergrund. Zugleich musste der Konzern um ein Vielfaches mehr produzieren, reparieren – und neu entwickeln. Rund 60.000 Menschen beschäftigt der Konzern heute und unterhält Betriebe längst nicht mehr nur in der Ukraine. Selbst bekannt gegeben hat Ukroboronprom Kooperationen in Tschechien und in Polen. Nach ukrainischen Medienberichten sollen dort unter anderem 82-mm-Splitterminen, 120-mm-Minen und 125-mm-Panzermunition hergestellt werden.

Und seit der vergangenen Woche hat Ukroboronprom auch einen neuen Chef: Der erst 31-jährige Herman Smetanin löst Jurij Hussjew, 43, ab. Smetanins Ernennung geht auf den neuen Minister für strategische Industrien, Oleksandr Kamyschin, zurück. Er selbst hatte vorher die ukrainische Bahn geleitet und soll den 31-Jährigen persönlich ausgesucht haben. Kamyschin, 38, ist seit Ende März in seinem neuen Amt. Seitdem hat es Ukroboronprom geschafft, die Produktionskapazitäten etwa bei der Munition deutlich zu erhöhen. Dass ein derart wichtiger Posten einer so jungen Person wie Smetanin anvertraut wird, ist für die Präsidentschaft Wolodymyr Selenskyjs typisch. Er setzt seit seinem Wahlsieg 2019 auf Verjüngung wichtiger Stellen im Staat.

Vom ukrainischen Staatskonzern zur Aktiengesellschaft

Wie andere staatlich geführte Bereiche musste sich Ukroboronprom nach Kriegsbeginn binnen kürzester Zeit an die schwierigen Bedingungen anpassen. Im Vergleich zur Bahn und zur Post, die in den Vorkriegsjahren modernisiert wurden, war die Ausgangslage des Rüstungskonzerns aber eine andere. Nur gegen scharfe Kritik aus der Bevölkerung gelang es dem damaligen Ministerpräsidenten Wiktor Janukowytsch 2010, die Zusammenlegung der staatlichen Rüstungsunternehmen unter einem Dach durchzusetzen. Die Zeitung Ukrajinska Prawda bezeichnete den neuen Konzern seinerzeit als „Korruptionsspielzeug Janukowytschs“.

„Auch unter Präsident Petro Poroschenko gab es dann trotz des Donbass-Kriegs keine besonderen Schritte nach vorne“, bemängelt der ukrainische Militäranalyst Stanislaw Besuschko. Vielmehr sei die Zahl der durch Medienrecherchen aufgedeckten Korruptionsskandale zum Ende von Poroschenkos Amtszeit 2019 noch einmal in die Höhe gegangen. Erst danach habe sich die Lage bei Ukroboronprom zum Besseren verändert. Als nächster Reformschritt steht der Wandel vom Staatskonzern in eine Aktiengesellschaft an – wenn auch etwas holprig wegen des Krieges.

Heute ist man bei Ukroboronprom stolz darauf, dass der Konzern nur sechs Monate brauchte, um die Produktion auf Zehntausende Geschosse Munition pro Monat zu erhöhen. Zudem erwiesen sich Eigenentwicklungen im Krieg als erfolgreich: Die Radhaubitze 2S22 Bohdana beispielsweise bewährte sich bei der Befreiung der Schlangeninsel im Schwarzen Meer im Juli 2022. Und der Seezielflugkörper R-360 Neptun war für die Versenkung der „Moskwa“, des Flaggschiffs der russischen Schwarzmeerflotte, kurz nach Kriegsbeginn verantwortlich. „Das reicht aber nicht. Man hätte hier trotz der Umstände effektiver sein können“, kritisiert Besuschko. Bei der Bohdana etwa hätten sich Probleme gezeigt, die noch behoben werden müssen.

Kooperation mit Rheinmetall poliert Image auf

Die im Mai verkündete strategische Partnerschaft mit Rheinmetall hingegen hält Besuschko für einen großen Erfolg. „Das ist sowohl im Hinblick auf das Image von Ukroboronprom als auch im Sinne der Reduzierung von Korruptionsrisiken unglaublich wichtig“, sagt er. „Andere potenzielle Partner werden dadurch sehen, dass die Ukraine vertrauenswürdig ist, dass das Unternehmen wirklich einen Wandel hinbekommt.“

Ein Vertrag über ein Joint Venture von Rheinmetall und Ukroboronprom, an dem das deutsche Unternehmen 51 Prozent besitzen soll, wird dem Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger zufolge im Juli oder August unterschrieben. Im ersten Schritt wird sich das Joint Venture auf Wartung und Reparatur der an Kiew gelieferten Technik konzentrieren. Dann will man gemeinsam ausgewählte Waffenarten vor Ort in der Ukraine produzieren. Im Gespräch ist der Transportpanzer Fuchs. Noch ist unklar, ob die Produktion in einer bestehenden oder in einer neu zu bauenden Fabrik erfolgen wird. Einiges deutet auf die erste Variante hin, obwohl Rheinmetall offen den Wunsch äußert, eine Panzerfabrik in der Ukraine bauen zu wollen.

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