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Stellungskrieg

„Es wird keinen Durchbruch geben“: Ukraine-Offensive steckt vor Wintereinbruch fest

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Ein russischer T-72 Panzer: Der Ukraine-Krieg entwickelt sich nach Angaben des Oberbefehlshabers der ukrainischen Armee zu einem Stellungskrieg (Symbolbild).

Der Winter steht kurz bevor und in der Ukraine droht ein Stellungskrieg, wie es aus Kiew hieß. Aus ukrainischer Sicht gibt es fünf Lösungsansätze.

Kiew – Der Ukraine-Krieg befindet sich in einer Pattsituation. Das sagte der ukrainische Oberbefehlshaber Walery Saluschny in einem am Mittwoch (1. November) veröffentlichten Interview mit dem Economist. Zugleich warnte der General in einem Gastbeitrag in der Zeitung davor, dass sich die Situation zunehmend zu einem Stellungskrieg entwickle. Der Widerspruch aus dem Kreml ließ nicht lange auf sich warten.

Ukraine-Krieg: „In jedem anderen Land hätten solche Verluste den Krieg gestoppt

17 Kilometer in fünf Monaten: Das ist das bisherige Ergebnis der ukrainischen Gegenoffensive. Auch wenn Militärexperten betonen, dass sich Erfolg oder Misserfolg der Offensive nicht allein anhand von Geländegewinn beurteilen lasse, bewertet Kiew selbst die Situation derzeit „allmählich“ als Stellungskrieg, „genau wie im Ersten Weltkrieg“. Russland habe ukrainischen Angaben zufolge mindestens 150.000 Soldaten verloren. „In jedem anderen Land hätten solche Verluste den Krieg gestoppt“, sagte General Walery Saluschny dem Economist. Nicht jedoch im Falle des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dessen Bezugspunkte der Erste und Zweite Weltkrieg seien – mit Millionen von Toten.

Eigentlich hätten vier Monate aus Sicht der Ukraine ausreichen müssen, um die Krim zu erreichen. Angesichts des derzeitigen relativen technologischen und taktischen Gleichgewichts zwischen ukrainischen und russischen Streitkräften werde ein Eindringen in die russischen Linien aber wahrscheinlich nicht möglich sein.

„Es wird höchstwahrscheinlich keinen tiefgreifenden und schönen Durchbruch geben“, so der ukrainische Oberkommandierende wörtlich. Das zeige auch der Frontabschnitt bei Awdijiwka. „Die einfache Tatsache ist, dass wir alles sehen, was der Feind tut, und sie sehen alles, was wir tun. Damit wir aus dieser Sackgasse herauskommen, brauchen wir etwas Neues“, analysierte der General und zog dabei die chinesische Erfindung des Schießpulvers als Vergleich heran, die einst zum „Game Changer“ wurde.

Mit diesen fünf Punkten will der Oberbefehlshaber der Ukraine das Patt lösen

Im Gegensatz zur Erfindung des Schießpulvers reiche im Ukraine-Krieg nicht eine einzige Neuerung aus. Vielmehr sei die Kombination verschiedener technischer Lösungen entscheidend, sagte Walery Saluschny dem Economist. Innovationen seien in fünf Bereichen nötig. So brauche man mehr Drohnen zur Erlangung der Luftüberlegenheit, müsse die Fähigkeiten in der elektronischen Kriegsführung ausbauen, die Effektivität der Artillerieabwehr steigern - etwa durch bessere GPS-Unterstützung und mehr Aufklärungsdrohen - und bei der Minenräumung besser werden. Auch die Schaffung und Ausbildung der notwendigen Reserven sei entscheidend. Dafür sei laut Saluschny die Einführung eines einheitlichen staatlichen Registers für Wehrpflichtige und Reservisten, sowie eine Erhöhung der Anreize für den Militärdienst nötig.

Das Zögern des Westens bei der Lieferung von Waffen, insbesondere bei Langstreckenraketensystemen und Panzern, habe Russland ermöglicht, sich neu zu formieren und eine Verteidigung aufzubauen, betonte der General. Ähnlich hatten sich zuvor bereits westliche Militärexperten geäußert. So hatte etwa die Diskussion über die Lieferung von Kampfpanzern etwa ein Jahr gedauert. Das ließ Russland genügend Zeit, ein Bollwerk aus Minenfeldern, Schützengräben und Panzerabwehrsperren zu errichten, gegen das die Ukraine nun mühsam ankämpft. „Russland darf nicht unterschätzt werden“, warnte der Oberkommandierende.

Das ist aus Sicht Kiews der Hauptgrund für das jetzige Dilemma

Das Zögern des Westens sei zwar frustrierend, aber nicht der Hauptgrund für das jetzige Dilemma, räumte Saluschny im Gespräch mit dem Economist ein. Entscheidend sei vielmehr die Technologie. Das größte Risiko eines Stellungskrieges sei, „dass er sich über Jahre hinziehen und den ukrainischen Staat zermürben kann“, warnte der ukrainische Oberbefehlshaber.

In einem langen Krieg habe Russland die Oberhand. Die Bevölkerung sei dreimal so groß, die Wirtschaft zehnmal so groß. „Seien wir ehrlich, es ist ein Feudalstaat, in dem die billigste Ressource ein Menschenleben ist“, so der Militär. Für die Ukraine indes sei ihr Volk das Wichtigste. Kremlchef Putin zögert indes noch, eine bei der Bevölkerung unpopuläre Generalmobilmachung auszurufen.

Der Kreml wies unterdessen die Aussagen Saluschnys zurück, wonach es derzeit eine Pattsituation gebe. „Russland führt die spezielle Militäroperation kontinuierlich durch. Alle gesetzten Ziele sollen erfüllt werden“, so Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag vor Journalisten. Wie die US-Kriegsexperten des Institut for the Study of War in ihrem aktuellen Bericht analysierten, sprach der ukrainische General im Economist-Interview von einer Pattsituation, in seinem Gastbeitrag vermied er diesen Begriff jedoch und sprach stattdessen von einem „Stellungskrieg“.

Wintereinbruch steht bevor und Russland hortet Raketen: Erneut Schläge gegen Infrastruktur erwartet

Im Hinblick auf den kommenden Winter erwarten Experten erneut Schläge gegen die ukrainische Infrastruktur. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es mit dem nahenden Winter weitere russische Angriffe geben wird“, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jüngst in seiner täglichen Videoansprache gesagt. Darauf müsse man sich vorbereiten, mahnte der Regierungschef. Experten hatten zuletzt eine Abnahme der Intensität der Luftangriffe beobachtet. Moskau hortete offenbar Raketen und setzte zunehmend auf Drohnen. Das deute darauf hin, dass man „das, was man gespart hat“ zu einem späteren Zeitpunkt „in einem größeren Rahmen zum Einsatz bringt“, sagte der ehemalige Nato-General Erhard Bühler in seinem Podcast.

Im Hinblick auf die Pattsituation am Boden betonte der frühere General, es gebe noch andere Operationslinien und es könnten sich auch neue Optionen ergeben. Als Beispiel nannte der Experte etwa einen Ausbau der Brückenköpfe am Fluss Dnipro bei Cherson im Süden der Ukraine. Wenn die Ukrainer in der Lage seien, „eine gepanzerte Brigade über den Fluss zu verlegen und hinter den Verteidigungslinien anzugreifen, würde das die Russen absolut lähmen“, befand auch der ehemalige britische Oberstleutnant Glen Grant. Das Gleichgewicht könne sich ganz leicht wieder verschieben, meint der Militär und ergänzte: Noch immer seien die Ukrainer in der Lage, mit wenig Mitteln vieles zu erreichen.

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