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Analyse

„Hätte Ihnen mehr zugetraut“: Höcke in TV-Duell entlarvt – mit welchen Aussagen er durch den Faktencheck fällt

Die Reaktionen auf das TV-Duell zwischen Björn Höcke und Mario Voigt gehen weit auseinander. Beide können Punkte für sich verbuchen. Am zufriedensten dürften die Moderatoren sein.

Berlin – Ob das Duell nun die erfolgreiche Entlarvung eines rechtsextremen AfD-Politikers war oder ein Tabubruch, der Björn Höcke eine bundesweite Bühne für die Verbreitung seines völkischen Gedankenguts gab, lässt sich abschließend nicht beantworten. Nach dem viel beachteten TV-Duell des Privatsenders Welt erklären sich beide Seiten, das Höcke-Lager ebenso sowie sein Gegner, der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt, zum Sieger des Duells. Für den wichtigsten Moment des Duells sorgten die Moderatoren.

TV-Duell: AfD-Mann Björn Höcke geriet heftig ins Wanken

Etwa in der Mitte des Duells, das auf 45 Minuten angesetzt war, letztlich aber 70 Minuten dauerte, geriet Höcke ins Wanken. Welt-TV-Chefredakteur Jan Philipp Burgard und Welt-TV Chefmoderatorin Tatjana Ohm konfrontierten den AfD-Politiker knappe fünf Monate vor der Landtagswahl in Thüringen mit Auszügen aus seinem Buch.

Das TV-Duell zwischen Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) knapp fünf Monate vor der Thüringer Landtagswahl sorgte für viele Diskussionen. Ein gerechtfertigter Schlagabtausch oder ein Tabubruch?

Darin warf Höcke der heutigen SPD-Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz vor, außer der Sprache „keine spezifisch deutsche Kultur“ zu haben, weshalb sie „in Deutschland nichts verloren“ habe. Höcke weichte trotz mehrfachem Nachfragen aus und wollte partout nicht auf die Fragen der Moderation eingehen, ob er eine deutsche Politikerin ausweisen wolle. Schließlich flüchtete er sich in die Entschuldigung, sich an die Stelle im Buch nicht mehr genau erinnern zu können.

Höcke wollte über seine extremen Aussagen nicht sprechen

Bemerkenswert war auch Höckes (geplante oder spontane) Umdeutung des im neurechten Lager geprägten Begriffs der „Remigration“, also der Ausweisung oder Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Darauf angesprochen, sagte Höcke, er meine mit dem Begriff stattdessen die Rückholung im Ausland befindlicher Deutscher. Blickt man auf vergangene Reden des Rechtsaußen-Politikers, wird deutlich, dass Höcke den Begriff sehr wohl schon im Sinne rechter Denkschulen verwendet hat.

Momente wie diese machten deutlich, dass Höcke sich auf großer Bühne staatsmännisch geben und seine extremsten Äußerungen der Vergangenheit nicht im Mittelpunkt haben wollte. Die Welt-Moderatoren haben ihm das nicht durchgehen lassen, auch wenn sie sich insgesamt im Duell zurückgehalten haben. Die große Bühne für Höcke war für den Sender ein Risiko – letztlich dürften die Verantwortlichen mit dem Ausgang aber zufrieden sein. Auch Voigt wies auf Höckes ausweichendes Verhalten hin. „Ich hätte Ihnen mehr Mumm zugetraut, dass Sie zu Ihren Thesen stehen.“

Faktencheck: Höcke hat falsche Aussagen verbreitet

Mit Blick auf Höckes Aussagen verwies das TV-Team auf einen Faktencheck, der im Hintergrund lief, jedoch erst am Tag nach dem Duell veröffentlicht wurde. Neben seiner Umdeutung des „Remigrationsbegriffs“ wären weitere Einordnungen schon während der Sendung hilfreich gewesen. So sagte Höcke etwa, dass die Energiepreise „durch die Decke gehen“, dass „60 Prozent der Deutschen sagen, man kann in Deutschland seine Meinung nicht mehr frei äußern“ oder dass der „deutsche“ Antisemitismus im Vergleich mit dem von Menschen mit Migrationshintergrund klein sei.

Tatsächlich sind die Preise für viele Energieformen mittlerweile wieder auf dem Niveau vor Beginn des Ukraine-Kriegs. Auch die Zahl zur freien Meinungsäußerung ist nicht korrekt. Höcke bezog sich in der Sendung wohl auf den Freiheitsindex 2023, in dem Menschen folgendes gefragt wurden: „Haben Sie das Gefühl, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann, oder ist es besser, vorsichtig zu sein?“ 40 Prozent der Befragten antworteten mit „Kann frei reden“. Das heißt aber nicht, dass 60 Prozent vom anderen Extrem überzeugt sind, es gab mehr als zwei Antwortmöglichkeiten. Auch sein Antisemitismusvergleich wird zumindest vom Zentralrat der Juden verneint, welcher rechtsextremen Antisemitismus weiterhin als größte Gefahr jüdischen Lebens in Deutschland sieht.

CDU-Politiker Mario Voigt wollte sachlich bleiben

Und Mario Voigt? Der ist mit der Strategie ins Duell gegangen, nicht mit der Nazi-Keule zu schwingen, sondern Höcke an Inhalten zu stellen: „Es ist einfach, ihn einen Faschisten zu nennen, das hat ein Gericht schon gemacht. Es geht um die Sachfragen.“ Beim Fachkräftemangel und der Einwanderung machte Voigt deutlich, dass Höckes extreme Anti-Migrations-Haltung untauglich sei, um deutschen Unternehmen genügend Arbeitskräfte zu garantieren. „Sie brechen das Rückgrat des Wohlstands“, so Voigt, der Höcke und der AfD Populismus vorwarf: „Backen aufblasen, Probleme beschreiben, aber kein einziges Problem lösen.“

Die meiste Zeit gelang es dem CDU-Politiker, seine Linie zu halten. Unter Druck geriet Voigt allerdings, als Höcke ihn mit der europäischen Klimapolitik des „Green Deals“ von Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) und den Merkel-Jahren konfrontierte und der CDU zu grüne Politik vorwarf. Höcke bezeichnete Voigt als „Wohlstandsvernichter“ und machte dessen Partei für die Politikverdrossenheit im Land verantwortlich.

TV-Duell: Ein klarer Gewinner bleibt aus

Trotz der sich im Laufe des Duells – das sich trotz der anstehenden Landtagswahl kaum um Thüringen drehte – aufheizenden Debatte bot Höcke seinem CDU-Kontrahenten letztlich noch eine gemeinsame Koalition an. Voigt lehnte ab. Unterm Strich geriet Höcke öfter als Voigt unter Druck, er wollte seine extremsten Positionen kaum kommentieren, und Voigts Strategie der sachlichen Konfrontation ging in weiten Teilen auf.

Einen klaren Sieger gibt es trotzdem nicht, beide Lager können Argumente für sich finden. Voigt darf als bisher eher unbekannter Politiker nun auf mehr Reichweite hoffen. Und Höcke hat es geschafft, als Politiker am äußersten rechten Rand erstmals in ein Spitzenduell eingeladen zu werden. Ob das Duell bei der Landtagswahl im September noch eine Rolle bei der Wahlentscheidung spielen wird, bleibt offen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Martin Lengemann/WELT/dts Nachrichtenagentur

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