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Menschenrechte

Deswegen setzt die Türkei Wasser als Waffe in Nordsyrien ein

Die Türkei setzt in Nordsyrien Wasser als Waffe gegen die Zivilbevölkerung ein. Die Folge: trockene Felder und mangelnde Stromversorgung.

Frankfurt – Wasser ist besonders für die Menschen in Nordsyrien wertvoll. Die Menschen in der Gegend, Kurden nennen diese Region Rojava, haben immer weniger davon zur Verfügung. So ist etwa seit 2019 das Wasserwerk von Allouk durch das türkische Militär besetzt. Dadurch haben die Menschen in der Region immer weniger Wasser zur Verfügung. Auch die Klimaerwärmung trägt zusätzlich dazu bei, dass der Grundwasserpegel sinkt und die Felder zunehmend vertrocknen. Der Hauptgrund für die Wasserknappheit in der Region ist, dass die Türkei immer weniger Wasser durch den Euphrat in sein Nachbarland durchlässt.

Türkei lässt weniger als die Hälfte von vereinbartem Wasser ins Nachbarland

„Der Euphrat ist die wichtigste Wasserquelle für die Region Nordsyrien, welche zugleich von der Türkei kontrolliert wird. In einem Vertrag von 1987 verpflichtete sich die Türkei gegenüber Syrien dazu, 500 Kubikmeter pro Sekunde in ihr Nachbarland durchfließen zu lassen“, sagt die Wissenschaftlerin Şermin Güven im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA. Güven ist Kultur- und Sozialanthropologin sowie Doktorandin an der FU Berlin. In den vergangenen fünf Jahren habe die Türkei jedoch weniger als 200 Kubikmeter pro Sekunde der vereinbarten Menge durchgelassen, was einen immensen Wasserstress für die Zivilbevölkerung auslöste, berichtet die Wissenschaftlerin.

Güven kritisiert, dass auch die Qualität des Wassers aus der Türkei immer schlechter werde. So werde auch Schmutzwasser nach Nordsyrien durchgelassen. Bei den Menschen beobachte man daher Krankheiten wie Cholera, Thyphus, Hepatitis A oder Diphterie.
Auch verschlechtere sich in den überfüllten Krankenhäusern neben den Stromausfällen, limitierten Laborkapazitäten der Zugang zum sauberen Wasser, sodass eigentlich vermeidbare Epidemien schwer einzudämmen seien, so Güven.

Türkische Soldaten und mit ihnen verbündete Dschihadisten zeigen nach der Eroberung Afrins 2018 die türkische Flagge aus einem Regierungsgebäude.

Nur fünf Stunden Strom pro Tag in Kobane wegen Wasserknappheit

In der Stadt Kobane sieht man die Folgen der Wasserknappheit. „Die Menschen der nordsyrischen Stadt Kobane leiden unter akutem Trinkwassermangel, die Krankenhäuser sind überfüllt, weil gastrointestinale Erkrankungen grassieren, die Felder verdorren. Da Strom vorwiegend aus Wasserkraft erzeugt wird, gibt es bspw. in Kobane nur 5 Stunden Strom am Tag“, sagt die Vorsitzende des Vereins Städtefreundschaft Frankfurt-Kobane, Bianca Winter.

Die Türkei terrorisiere die Menschen im mehrheitlich kurdischen Nordosten Syriens nicht nur mit ständigen militärischen Angriffen, sondern setze auch Wasser als Waffe ein, sagt Winter. Auch das führe zu mehr Flüchtlingen, die nach Europa wollen. Zu dem Thema wollen Experten am Sonntag bei einer Veranstaltung des Frankfurter Vereins diskutieren.

Wasser ist ein Menschenrecht

Auch die Menschenrechtsorganisation medico international kritisiert das Vorgehen der Türkei. In der Region setzt die Türkei auch Wasser als ein Kriegsmittel ein. Wasser ist ein Menschenrecht, dieses wird in Nordostsyrien verletzt“, so Anita Starosta, die Referentin für Syrien, Türkei und Irak bei medico international im Gespräch mit unserer Redaktion.

Laut Kamal Sido, dem Nahostreferenten bei der Gesellschaft für bedrohte Völker, führt die Wasserknappheit bei den Menschen zu großen Problemen. „Diese Politik hat katastrophale Folgen für die Menschen. Ohne Wasser in einem Land, das von Krieg und Gewalt erschüttert wird, können die Menschen nicht überleben. Fast jeder denkt an Auswanderung“, erzählt Sido im Gespräch mit fr.de.

Deutschland schadet eigenem Ansehen im Nahen Osten

Sido zeigt sich verärgert, wie die Bundesregierung die Position der Türkei in jeder Hinsicht stärke. „Die Ampel-Regierung lässt Erdogan gewähren. Die Menschen in Deutschland dürfen diese Politik der Bundesregierung nicht länger hinnehmen. Sie schadet dem Ansehen Deutschlands im Nahen Osten“, warnt der Menschenrechtsexperte.

Die Türkei hingegen will die Selbstverwaltung in der Gegend schwächen und die kurdische Bevölkerung auch in anderen Teilen der Region vertreiben. Lag der Anteil der kurdischen Bevölkerung in Afrin bis zu seiner Besatzung durch türkisches Militär 2018 bei über 90 Prozent, liegt der Anteil der Kurden heute bei weniger als 30 Prozent.

Khaled Davrisch, Vertreter der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in Deutschland, fordert daher ein Ende der Maßnahmen Ankaras gegen die Menschen in der Gegend. „Das Wasserembargo der Türkei gegen Nord- und Ostsyrien ist nicht nur eine humanitäre Tragödie, sondern auch ein alarmierendes Beispiel für den Einsatz von Wasser als Waffe gegen die Zivilbevölkerung,“ so Davrisch ebenfalls im Gespräch mit fr.de.

Bislang gibt es keine Konsequenzen für die Türkei

Bislang blieben die Handlungen der Türkei gegen das Nachbarland ohne Konsequenzen für die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Experten, mit denen wir gesprochen haben, bestätigten uns sogar, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung inzwischen sogar die Projekthilfen für Organisation, die in der Region den Menschen helfen willen, gestoppt habe. Eine Maßnahme der Bundesregierung, die zwar Ankara glücklich macht, aber das Leid der Menschen in dem Gebiet verschlimmert.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Hasan Kirmizitas

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