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Zweite Runde der Türkei-Wahl

Ultrarechtes Zünglein an der Waage: Ogans Votum könnte Türkei-Wahl entscheiden

Präsidentschaftskandidat von der nationalistischen Ata-Allianz, spricht bei einem Treffen eines neu gegründeten Bündnisses.
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Präsidentschaftskandidat von der nationalistischen Ata-Allianz, spricht bei einem Treffen eines neu gegründeten Bündnisses. (Archivbild)

Die Türkei-Wahl geht in eine zweite Runde zwischen Erdogan und Kilicdaroglu. Der Ultranationalist Ogan könnte dabei entscheidend für den Ausgang sein.

Istanbul/Ankara – Die erste Runde der Türkei-Wahl 2023 hat vorerst keinen Sieger produziert, jedoch eine Überraschung. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan konnte 49,4 Prozent der Stimmen gewinnen und lag somit - entgegen den meisten Umfragen - deutlich vor seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu, der 45 Prozent aller Stimmen ergatterte. Für einen Sieg in der ersten Runde reichte es bei keinem der Kandidaten. Am 28. Mai soll es nun in die Stichwahl gehen.

Türkei-Wahl: Nationalist Ogan gewinnt unerwartet viele Stimmen

Eigentlich hatte der Rückzug eines weiteren Kandidaten, Muharrem Ince, die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es bereits in der ersten Runde zur Entscheidung kommen könnte. Schließlich würden seine Stimmen an Erdogan sowie Kilicdaroglu verteilt werden und somit einen der Kandidaten über 50 Prozent bringen.

Der vierte Kandidat, Ultranationalist und Kandidat des sogenannten ATA-Bündnisses, Sinan Ogan, wurde nicht weiter beachtet. Ihm wurden bei Umfragen nur wenige Stimmen zugerechnet. Doch ausgerechnet Ogans Anteil an den Stimmen sorgte Sonntagabend (14. Mai) dafür, dass die Wahl jetzt in die zweite Runde geht. Er sicherte sich inoffiziellen Ergebnissen zufolge 5,2 Prozent der Stimmen.

Wahlen in der Türkei: Ogan wird zum Königsmacher der zweiten Runde

Sinan Ogan wurde vom Chef der ultranationalistischen „Zafer Partisi“ (zu Deutsch: Siegespartei), Ümit Özdag, als Kandidat aufgestellt. Die Partei, die unter anderem für die sofortige Rückführung von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer wirbt, verpasste zwar den Einzug in die türkische Nationalversammlung. Doch Ogans Stimmenanteil schenkte den türkischen Nationalisten eine „Schlüsselposition“, wie der Kandidat selbst unterstrich. Er könnte das Zünglein an der Waage werden.

In türkischen Medien wird Ogan als eines der größten Sieger des ersten Durchgangs der Türkei-Wahl bezeichnet, obwohl er es nicht in die zweite Runde geschafft hat. Denn nun werden seine Stimmen festlegen, ob Erdogan oder doch Kilicdaroglu in der zweiten Runde triumphieren werden. Welchen Kandidaten er unterstützen wird, dazu machte Ogan bislang keine Angaben.

Türkei-Wahl: Ogan fordert Erdogan und Kilicdaroglu dazu auf, sich von „Terror“ zu distanzieren

In mehreren Interviews mit türkischen Medien machte er aber sehr wohl Andeutung. Man werde den Kandidaten unterstützen, der sich von „Terrororganisation“ distanziere, sagte er etwa. Dies könnte jedoch als Kritik an beiden Seiten verstanden werden.

Das ATA-Bündnis wirft dem Oppositionsbündnis von Kilicdaroglu vor, sich auf Geschäfte mit der verbotenen PKK einzulassen. Grund sind die Treffen mit der pro-kurdischen HDP, die Ogan und Özdag so wie Erdogan als politischer Arm der PKK betrachten. Auf der anderen Seite wird aber das Bündnis zwischen Erdogans islamisch-konservativer AKP und der Hüda-Par kritisiert. Oppositionsparteien werfen der Hüda-Par vor, der politische Arm der Hisbollah-Miliz zu sein. Die Partei selbst bestreitet dies.

Kemal Kilicdaroglu: Die Geschichte von Erdogans Herausforderer

Kemal Kilicdaroglu führt seit 2010 die kemalistisch-sozialdemokratische CHP an.
Kemal Kilicdaroglu führt seit 2010 die kemalistisch-sozialdemokratische CHP an. Der heute 74 Jahre alte Finanzexperte sollte die Partei nach zwei herben Niederlagen gegen Recep Tayyip Erdogans AKP zu alter Stärke führen. Nun fordert er Erdogan als Präsidentschaftskandidat eines Bündnisses aus sechs Parteien heraus. Umfragen bescheinigen ihm gute Chancen, Erdogan tatsächlich an der Spitze des Staates abzulösen. © Adem Altan/afp
Seit 1974 ist Kemal Kilicdaroglu mit der Journalistin Selvi Kilicdaroglu verheiratet.
Geboren wurde Kemal Kilicdaroglu am 17. Dezember 1948 in Ballica, einem kleinen Dorf im Norden der Türkei. Seit 1974 ist er mit der Journalistin Selvi Kilicdaroglu verheiratet. Vor ihrer Ehe arbeitete sie an der Fakultät für Politikwissenschaft der Universität Ankara. Das Paar hatte drei Kinder, von denen eines im Alter von drei Monaten verstarb. Selvi Kilicdaroglu stammt wie ihr Mann Kemal aus Ballica. © Republican People‘s Party (CHP) Press Service/afp
Kemal Kilicdaroglu kämpft gegen die Türkei
Nationale Berühmtheit erhielt Kemal Kilicdaroglu in der Türkei aufgrund seines Kampfes gegen Korruption. Dabei machte er auch vor Mitgliedern der Regierung nicht Halt. 2008 beschuldigte er Dengir Mir Mehmet Firat, den Stellvertreter Erdogan während eineer Debatte im türkischen Parlament. Mit dabei hatte Kilicdaroglu Dokumente, die die Verwicklungen beweisen sollten. © Adem Altan/afp
Gemeinsam mit seiner Anhängerschaft feiert Kilicdaroglu den Erfolg der CHP in Ankara.
Im Jahr 2011 trat die CHP erstmals unter ihrem neuen Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu bei den Parlamentswahlen in der Türkei an - und feierte einen ersten Erfolg. Die Partei gewann mehr als fünf Prozent dazu und sicherte sich ihren Platz als größte Oppositionspartei hinter Erdogans regierender AKP. Gemeinsam mit seiner Anhängerschaft feierte Kilicdaroglu den Erfolg in Ankara. © Adem Altan/afp
Erdogan und Kilicdaroglu bei einer Beerdigung
Recep Tayyip Erdogan versuchte seinen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu immer wieder in die Nähe zur Terrororganisation PKK zu rücken. Doch Kilicdaroglu ging immer wieder auf Distanz zu der kurdischen Organisation, die er ebenfalls als „Terroristen“ bezeichnete. 2017 besuchte er an der Seite von Erdogan die Beerdigung eines türkischen Soldaten, der in Kämpfen mit der PKK getötet worden war. © Adem Altan/afp
Putschversuch in der Türkei 2016
Am 16. Juli wurde die Türkei von einem Militärputsch erschüttert. Die aufgebrachten Bürger stellten sich den Soldaten in zahlreichen Städten entgegen. Die Welt blickte auch auf Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu. Der stellte sich trotz aller Differenzen hinter Recep Tayyip Erdogan. Der Präsident entkam den Putschisten und der Umsturzversuch wurde schließlich abgewendet. © Adem Altan/afp
Kemal Kilicdaroglu entkommt Anschlag auf Konvoi
Auch Kemal Kilicdaroglu musste in seiner politischen Karriere bereits um sein Leben fürchten. Im Jahr 2016 wurde sein Fahrzeugkonvoi in der Region Artvin von militanten Kurden attackiert. Ein türkischer Soldat wurde getötet, zwei weitere verletzt. Kilicdaroglu konnte unverletzt entkommen. Der Anschlag wurde später mit der PKK in Verbindung gebracht und sorgte für Schockwellen in der türkischen Politik. © Republican People‘s Party (CHP) Press Service/afp
Kemal Kilicdaroglu beim Marsch für Gerechtigkeit in Istanbul
Nach dem Putschversuch und dem PKK-Anschlag bemühte sich Recep Tayyip Erdogan, die Türkei zu einem autoritären Staat umzubauen. Er führte das Präsidialsystem ein, beschränkte die Pressefreiheit und ging gegen zahlreiche Politiker der Opposition vor. Gemeinsam mit seinen Anhängern demonstrierte Kilicdaroglu 2017 mit einem „Marsch für die Gerechtigkeit“ von Ankara bis Istanbul gegen die Verhaftung eines CHP-Abgeordneten. © Ozan Kose/afp
Kemal Kilicdaroglu wird auf einer Beerdigung attackiert
Im Jahr 2019 kommt es erneut zu einem Angriff auf Kemal Kilicdaroglu. Diesmal wird der Oppositionspolitiker auf einer Beerdigung eines Soldaten in Ankara attackiert. Kilicdaroglu erlitt leichte Verletzungen und musste in einem nahe gelegenen Gebäude in Sicherheit gebracht werden. Der Angreifer entpuppte sich im Nachgang als Mitglied der regierenden AKP. © Harun Ozalp/afp
Wahl in der Türkei
Doch Kemal Kilicdaroglu ließ sich nicht von seinem Kurs abbringen. Im Jahr 2023 stehen seine Chancen, Recep Tayyip Erdogan abzulösen, besser als je zuvor. In Umfragen liegt er vor seinem Amtsinhaber. Die CHP könnte nach mehr als 20 Jahren wieder die Regierung in der Türkei stellen. Doch die Entscheidung darüber könnte auch erst am 28. Mai stehen - sollte keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit erhalten, kommt es dann zur Stichwahl. © Ozan Kose/afp

Wahlen in der Türkei: Ogans Stimmen könnten in der zweiten Runde zu Erdogan wandern

Außer dass Ogans Stimmen das Schicksal der zweiten Runde besiegeln werden, ist somit derzeit noch vieles unklar. Die nächsten zwei Wochen lang werden sowohl Erdogans Regierung als auch die Opposition versuchen, Ogan an ihre Seite zu ziehen. Sowohl Kilicdaroglu als auch Erdogans enger Vertrauter Binali Yildirim riefen ihn bereits in den Abendstunden an, um ihm zu gratulieren. Der Kandidat zeigte sich jedenfalls kaltblütig und unterließ voreilige Aussagen. Innerhalb des Bündnisses werden man nun Gespräche halten und „Verantwortung übernehmen, damit die Türkei nicht in eine Krise stürzt“, betonte Ogan gegenüber Journalisten. Der Kandidat wird als Königsmacher gefeiert.

Eine Analyse der britischen Publikation Middle East Eye zur ersten Runde gibt einen Denkanstoß darüber, wie sich die Stimmen von Ogan in der zweiten Runde verteilen könnten. Demnach könnte Erdogan in der zweiten Runde als Sieger hervorgehen, wenn alles glatt für den türkischen Machthaber läuft. In Zentralanatolien haben viele Erdogan-Wähler der Analyse zufolge in der ersten Runde für den nationalistischen Ogan gestimmt. Der Grund dürfte Protest gegen Erdogan sein. Doch in einer zweiten Runde könnten diese Stimmen sehr wahrscheinlich wieder zu Erdogan wandern, wie Middle East Eye schreibt.

AKP-Beamte, die sich gegenüber der Publikation äußerten, zeigten sich ähnlich wie Erdogan schon jetzt siegessicher. Sie tippen auf einen „leichten Sieg“ für den Machthaber. Davor dürfen beide Kandidaten aber nochmal zwei Wochen lang Wahlkampf machen und versuchen, die Wähler zu überzeugen. (bb)

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