Wirtschaftskrise
Inflation in der Türkei steigt an – Experten zweifeln an Erdogans Zahlen
Die Türkei steckt weiterhin in einer Wirtschaftskrise. Offiziell liegt die Inflationsrate bei 64,86 Prozent – doch es besteht Manipulationsverdacht.
Ankara – In der Türkei ist die wirtschaftliche Lage weiterhin angespannt. Nach Angaben des staatlichen Statistikbüros TÜIK liegt die jährliche Inflationsrate bei 64,86 Prozent. An den staatlichen Zahlen gibt es Zweifel. Das unabhängige Wirtschaftsforschungsinstitut Ena Grup geht hier sogar von 129,11 Prozent Inflation aus. Auch bei den monatlichen Inflationszahlen gibt es unterschiedliche Werte: TÜIK beziffert diese mit 6,70 Prozent – und Ena Grup mit 9,38 Prozent.
Bemessung für Inflation in der Türkei erneut geändert
Zuletzt hatte das staatliche Statistikamt auch ihren Korb zur Berechnung der Inflationszahlen neu zusammengesetzt. In diesem sind etwa verschiedene Produkte, Mietpreise und Dienstleistungen enthalten, die zur Berechnung der Inflation beobachtet werden. Auch kamen in den Korb jetzt Frauenjacken sowie Mieten für Veranstaltungsräume für Hochzeiten und Verlobung. Kinderschuhe sind dagegen nicht mehr in dem Korb zur Ermittlung der Inflation.
Warum etwas in diesen Korb hineingesetzt oder herausgenommen wird, wird nicht erklärt. Solche Praktiken könnten sich allerdings gut dazu eignen, die Inflationszahlen zu manipulieren. Produkte, die im Preis nicht stark steigen, können die Inflationszahlen bremsen.
Inflation in der Türkei steigt weiter deutlich an
Deswegen wird die Kritik an der TÜIK immer größer, weil die Inflationszahlen beschönigt seien. Dazu hat der Finanzexperte Dr. Murat Kubilay auf X eine Liste von 25 Produkten und Dienstleistungen veröffentlicht, deren Preise in den vergangenen fünf Jahren am meisten gestiegen sind. Armbanduhren sind demnach in den vergangenen 5 Jahren um 1019 Prozent teurer geworden, Kartoffeln um 1001 Prozent, Milch um 828 Prozent und Standard-Krankenhausleistungen um 682 Prozent.
„Die offizielle Inflation in diesem Zeitraum beträgt 500 %, d. h. selbst die TÜİK gibt zu, dass die Preise um das Fünffache und das Sechsfache gestiegen sind“, kommentiert Kubilay auf X.
Finanzminister Mehmet Simsek versucht zu beschwichtigen. Ein Anstieg der Teuerung im Januar spiegele nicht den Inflationstrend wider. „Ab Februar erwarten wir, dass die monatliche Inflation deutlich zurückgeht und sich im Einklang mit unserer Prognose entwickelt. Die jährliche Inflation wird in der zweiten Jahreshälfte deutlich zurückgehen“, schreibt Simsek auf X.
MIT-Professor warnt vor einem Zusammenbruch der Türkei
Der renommierte Wirtschaftsprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Daron Acemoglu, hatte für die seit Jahren anhaltende Wirtschaftslage vor allem die mangelnde Rechtsstaatlichkeit verantwortlich gemacht. Vor allem junge und gut Ausgebildete verlassen zunehmend das Land. „Die Freiheiten werden eingeschränkt. Die klügsten jungen Leute, die die Zukunft der Türkei als düster ansehen, haben begonnen, ins Ausland zu gehen. Wenn nur wenige gehen, gibt es kein Problem, aber wenn es so viele sind, führt das zu einem Zusammenbruch, und die Türkei steht kurz davor“, sagt er in einem Interview mit der Zeitung Cumhuriyet am 20. Dezember 2023.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International prangern immer wieder Menschenrechtsverstöße in der Türkei an. Zudem ignoriert es weiterhin die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. (erpe)
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