Terry Gou
Foxconn-Milliardär will Taiwans Präsident werden – und verspricht „50 Jahre Frieden“ mit China
Sein Unternehmen Foxconn machte Terry Gou zum Milliardär. Jetzt tritt er an, um Taiwans nächster Präsident zu werden. Doch meint er es wirklich Ernst?
Taipeh – Knapp 300.000 Unterschriften muss Terry Gou sammeln, um im kommenden Januar bei den Präsidentschaftswahlen in Taiwan antreten zu dürfen. Die Stimme von Lillian hat er bereits. Die 65-jährige Taiwanerin, die nur ihren englischen Spitznamen nennen will, steht an einem Donnerstagvormittag vor Gous Wahlkampfbüro im Osten von Taipeh und kommt aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Gou, Gründer des Apple-Zulieferers Foxconn und laut Forbes knapp sieben Milliarden US-Dollar schwer, habe mit seinem riesigen Unternehmen „ein Königreich erschaffen“, sagt Lillian. Da sei es doch logisch, dass so jemand wenn nicht König, dann doch zumindest Präsident von Taiwan werden wolle. Das Zeug dazu habe Gou jedenfalls.
Schon vor drei Jahren hatte Terry Gou versucht, Präsident zu werden, damals als Kandidat der Kuomintang (KMT), jener Partei, die Taiwan jahrzehntelang regierte und für einen eher Peking-freundlichen Kurs steht. Die Meeresgöttin Mazu habe im Traum zu ihm gesprochen, sagte Gou seinerzeit, und ihn ermutigt, Präsident zu werden. Letztendlich konnte allerdings selbst die Göttin nicht verhindern, dass Gou bei den parteiinternen Vorwahlen nur auf dem zweiten Platz landete. Jetzt versucht er es erneut, diesmal als unabhängiger Kandidat, deswegen auch die Unterschriftensammlung.
Taiwan: Noch liegt Terry Gou in den Umfragen hinten
Es laufe gut, sagt in Taipeh ein Mitarbeiter von Gou, die Menschen würden fleißig kommen, um für den „big boss“, wie sie ihn hier nennen, zu unterschreiben. Vor dem Büro haben sie mit Klebeband Linien am Boden markiert, damit die Leute sich geordnet anstellen können. An diesem Donnerstag ist der Andrang allerdings überschaubar, vor dem Büro drängen sich mehr Mitarbeiter von Gou als Unterstützer.
Noch bis Anfang November hat Gou Zeit, um die notwendigen Stimmen zu sammeln. Lillian, die sich als Freiwillige in seinem Team engagiert, ist zuversichtlich, dass das gelingt. Und sie glaubt fest daran, dass Gou es schaffen kann, im kommenden Jahr in Taipehs Präsidentenpalast einzuziehen. Derzeit sprechen die Umfragen allerdings eine andere Sprache, Gou liegt deutlich hinter den drei weiteren Kandidaten, bei zehn bis 14 Prozent. Die besten Chancen werden Lai Ching-te eingeräumt, dem Kandidaten der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei und aktuellen Vizepräsidenten von Taiwan. Er kommt in neuesten Umfragen auf 28 bis 35 Prozent, gefolgt von Hou Yu-ih (16 bis 20 Prozent) von der KMT und Ko Wen-je von der Taiwan People‘s Party (17 bis 23 Prozent).
„Ich werde nicht zulassen, dass Taiwan die nächste Ukraine wird“
Alles nur eine Momentaufnahme, sagt Gou-Anhängerin Lillian. Wenn der Foxconn-Gründer erst einmal die erste Hürde genommen habe und sich auch offiziell Präsidentschaftskandidat nennen dürfe, dann würden seine Werte schon noch steigen, erklärt sie. Hinter ihr verkündet ein Plakat Gous Wahlkampfslogan: „Die Menschen hoffen auf Wandel. Und Wandel bringt Hoffnung.“
Für Gou spreche sein unternehmerisches Können, sagt Lillian. Die jungen Leute in Taiwan würden zu wenig verdienen, die Inflation sei zu hoch, die Wohnungen viel zu teuer. „Wer soll sich das leisten?“ Auch Jinghao, ein 29-Jähriger, der gerade für Gou unterschrieben hat, glaubt, dass der Foxconn-Gründer seinen Erfolg als Unternehmer auf das ganze Land übertragen werde. „Wir brauchen mehr Investitionen aus dem Ausland“, sagt er. „Dann wird sich auch China zweimal überlegen, ob es Taiwan wirklich angreift.“
Die Volksrepublik betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und will den demokratisch regierten Inselstaat notfalls mit Gewalt mit dem Festland vereinigen. Terry Gou verspricht, es nicht so weit kommen zu lassen. Die regierende Fortschrittspartei von Präsidentin Tsai Ing-wen und ihr Kandidat Lai Ching-te hätten Taiwan „gefährlich nahe an den Rand eines Krieges gebracht“, klagte er vor Kurzem. Er aber werde „50 Jahre Frieden bringen“, wenn man ihm denn die Chance dazu gebe. „Ich werde nicht zulassen, dass Taiwan die nächste Ukraine wird.“
Wie Ernst meint es Terry Gou?
Wie er das anstellen will, hat Gou indes noch nicht verraten. Kritiker befürchten zudem, dass dem Multimilliardär seine Foxconn-Fabriken in China wichtiger sind als Taiwan selbst – und er im Falle eines Angriffs die Seiten wechseln könnte. Gou selbst weist solche Unterstellungen empört zurück. Seinen Job als Foxconn-Chef hatte er bereits 2019 aufgegeben, vor Kurzem verließ er auch den Aufsichtsrat des Unternehmens.
Unklar bleibt, welche Strategie Gou mit seiner Kandidatur eigentlich verfolgt. Sein erklärter Hauptgegner ist Lai von der regierenden Fortschrittspartei. Die Opposition aber ist zersplittert wie lange nicht mehr, und mit Gou betritt nun ein dritter Herausforderer die Arena. Das macht die Chancen von Lai nur noch größer. Manch einer spekuliert deswegen, dass Gou mit seiner Kandidatur lediglich Druck auf die beiden Oppositionskandidaten aufbauen will, damit sie ihre Kräfte gegen Lai vereinen. Aber mit welchem Ziel? Damit einer der beiden alleiniger Kandidat wird – oder doch Gou selbst?
Am Ende also könnte Terry Gou zwar alle Unterschriften beisammen haben, die er braucht, um Präsident zu werden – und doch noch einen Rückzieher machen. Was die Meeresgöttin Mazu wohl dazu sagen würde?
