Interview
Terror-Experte: Bundestagswahl könnte Anschlagsziel sein
Der Autor und Terror-Experte Bruno Schirra spricht im Interview über die Entwicklung der Anschläge, den Einfluss arabischer Staaten und welche möglichen Gefahren drohen.
Bruno Schirra: Nein. Sie können unmöglich jeden Lkw, der über Europas Straßen fährt, vor Diebstahl sichern oder jeden, der einen Lkw mietet, daraufhin überprüfen, ob er möglicherweise ein Salafist ist. Alle europäischen Sicherheitskräfte stehen dieser Terror-Strategie ohnmächtig gegenüber. Das ist der Grund, warum die Terror-Paten dazu aufrufen, mit Autos oder nur mit einem Messer zuzuschlagen.
Schirra: Die perfekteste Sicherheitsstruktur kann nicht jeden derartigen Anschlag vereiteln. Aber es sind trotzdem weit über 100 Attacken in den letzten Jahren in Europa verhindert worden. Dafür müssen die Sicherheitsorgane in die Strukturen des Islamismus eintauchen. Und die Politik muss sich von dem Irrglauben an den Täter-Typus „einsamer Wolf“ verabschieden! Ausnahmslos jeder dieser angeblichen Einzeltäter hatte in seinem unmittelbaren Umfeld – Familie, die Moschee, in der er verkehrt – eine Einbettung in salafistische Gedankenwelten. Diese Moscheen sind die Durchlauferhitzer der Radikalisierung. Und wir müssen die dschihadistischen Internetseiten dichtmachen.
Schirra: In Spanien gibt es seit Langem eine weite, tief verankerte dschihadistische Szene. Zudem ist Spanien dieses Jahr das Top-Land des Tourismus. Die Köpfe des Terrors haben sich sehr genau angeschaut, wo man effektiv zuschlagen kann, um maximale Angst und Schrecken zu erzeugen.
Schirra: Das glaube ich nicht. Zwar sagen alle: Wir wollen gelassen weiterleben. Aber wenn ich mit Leuten rede, höre ich immer wieder: Ich mache mir Gedanken, wenn ich ein Konzert besuche. Natürlich schaue ich den arabisch aussehenden Mann in der U-Bahn ganz genau an. Das ist ein schleichender Prozess, der unseren Alltag verändert.
Schirra: Nein. Ich kenne junge Leute, die auf diesem Weg waren oder sind. Das sind oft genug sehr gebildete Menschen, Studenten. Und die sagen ganz gelassen und offen: Mein Ziel ist es, für die göttliche Heilserfüllung zu sterben – die können selbst Psychologen kaum mehr erreichen. Das Einzige, was hier hilft, sind Imame, die sie überzeugen, dass der Koran das nicht will. Leider lässt sich aus dem Koran beides herauslesen: der heilige Krieg, aber auch eine humanistische Sichtweise, die mit Terror nichts zu tun hat.
Schirra: Wenn die Saudis und Kuwaitis wollten, dann wäre das Terror-Problem in einem Jahr erledigt. Das ist der Schoß, aus dem das herauskriecht. Saudi-Arabien exportiert seit einem halben Jahrhundert die Ideologie des „heiligen Tötens“. Der Westen weiß das. Säßen die frommen Terror-Prediger nur auf Sand und nicht auf Öl, dann hätten wir das Problem nicht.
Schirra: Spanien hat jahrzehntelange Terrorerfahrung mit der hochkriminellen baskischen ETA. Die spanische Polizei hat allein im letzten Jahr 700 Terrorverdächtige verhaftet. Das spricht für sehr gute Polizeiarbeit.
Schirra: Ja. In salafistischen Kreisen wird solch ein Anschlag in Deutschland vor der Wahl heftig diskutiert. Zudem wird auf den Propaganda-Plattformen immer wieder gefordert: Ihr müsst Rom und den Vatikan ins Visier nehmen.
Schirra: Teilweise ja. Dabei wird aber vergessen, dass der IS bereits 2012 aktiv dazu aufgerufen hat, in Europa Terroranschläge zu verüben – da gab es das Kalifat noch gar nicht. Aber richtig ist, dass der IS im Irak und Syrien in erhebliche Schwierigkeiten geraten ist. Jeder Terroranschlag in Europa signalisiert: Wir sind noch da! Wir verlagern nur die Kampfplätze.
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