Besonders starke Erwärmung im Mittelmeerraum
Dramatische Dürre in Spanien: Waldbrände, vertrocknete Stauseen und „Hitzeinseln“ in den Städten
Spanien steht vor der schlimmsten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Regierung hat über zwei Milliarden Euro bereitgestellt.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Climate.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Climate.Table am 25. Mai 2023.
Madrid/Berlin – Spanien kämpft gegen eine verheerende Dürre. Nach Angaben der staatlichen Meteorologischen Agentur (AEMET) war der April 2023 der sowohl der heißeste April als auch der mit den geringsten Niederschlägen in Spanien seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1961. „In den ersten vier Monaten des Jahres fielen nur 112 Liter pro Quadratmeter, normal wären 250 Liter. Es hat also weniger als die Hälfte der normalen Menge geregnet“, sagt Rubén del Campo, Sprecher der spanischen Wetterbehörde (AEMET), gegenüber Table.Media.
Wasserspeicher im April: 39 statt 69 Prozent gefüllt
Die Wasserreservoirs für den menschlichen Konsum und die Landwirtschaft sind nur noch zu 39 Prozent gefüllt. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre waren es 69 Prozent. Ursache ist nicht nur die aktuelle Trockenheit, sondern auch ein trockenes Jahr 2022. Auch bei den für die Stromerzeugung genutzten Stauseen sind die Wasserreserven geschrumpft. Sie sind nur zu 66,6 Prozent ihres Fassungsvermögens gefüllt, was ebenfalls deutlich unter den Durchschnittswerten der letzten zehn Jahre (78,1 Prozent) liegt.
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Als Reaktion darauf hat die Regierung von Pedro Sánchez am 11. Mai ein Hilfspaket in Höhe von 2,19 Milliarden Euro genehmigt. Die Ankündigung dieser Hilfszahlungen kam während des Wahlkampfs für die Regionalwahlen am 28. Mai. Sie sollen die schlimmsten Auswirkungen der Dürre abfangen. Doch die Opposition und auch ein Koalitionspartner von Sánchez witterten ein Wahlkampfmanöver. Die konservative Partido Popular (PP) etwa kritisierte das Maßnahmenpaket als „Wahlkampfgetöse“ und „fünf Jahre“ zu spät (Die Opposition ging mit einem deutlichen Sieg aus den Wahlen hervor, Anm. d. Red.).
Spaniens Regierung schnürt Hilfspaket über 2,2 Milliarden
Das Hilfspaket der Regierung Sánchez sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor:
- Mit 636 Millionen Euro an Direktbeihilfen für Landwirtschaft und Viehzucht sollen die durch die Dürre verursachten Verluste im Agrarsektor in Höhe von 300 Millionen Euro ausgeglichen werden.
- 1,4 Milliarden Euro sind für die Verbesserung der Wasserinfrastruktur und -nutzung vorgesehen. Neue Entsalzungsanlagen sollen gebaut und städtisches Wasser häufiger genutzt werden. Auch sollen die Wassergebühren für landwirtschaftliche Betriebe, die von Bewässerungsbeschränkungen betroffen sind, gesenkt werden. Diese Mittel werden vom Ministerium für den ökologischen Übergang bereitgestellt.
- Nach Angaben des Ministeriums für den ökologischen Wandel befinden sich 26,9 Prozent des Territoriums in angespannter Lage wegen der Wasserknappheit: 14 Prozent Spaniens sind demnach in einer Notsituation, bei 12,9 Prozent herrscht Alarmsituation. Besonders betroffen sind die Regionen Katalonien, das südliche Extremadura und Kastilien-La Mancha sowie das Guadalquivir-Becken in Andalusien.
Spanien hat außerdem ein Verbot bestimmter beruflicher Tätigkeiten im Freien erlassen, wenn die staatliche meteorologische Agentur eine Hitzewarnung ausspricht.
Besonders bedroht im Klimawandel: Spaniens Städte
Spanien ist vom Klimawandel besonders stark betroffen. Der Mittelmeerraum erwärmt sich 20 Prozent schneller als der weltweite Schnitt. Bei jetzigen Entwicklungen soll sich auf der iberischen Halbinsel die Temperatur bis 2040 um durchschnittlich 2,2 Grad erhöhen. Und in Großstädten würden die Auswirkungen durch das als „Hitzeinsel“ bekannte Phänomen noch verstärkt, sagt AEMET-Sprecher del Campo. „Das führt dazu führt, dass die Temperaturen in den Ballungsgebieten höher sind als in den nahe gelegenen ländlichen Gebieten“, erklärt del Campo. Der Grund: Asphalt in den Straßen verhindert Abkühlung durch Verdunstung, Baumaterial wie Beton strahlt nachts Wärme ab.
„Als Folge der Erwärmung des Mittelmeers in den letzten Jahrzehnten haben auch die sehr heißen Sommernächte an den Küsten des Mittelmeeres deutlich zugenommen. Andererseits nimmt die Fläche der Trockengebiete in Spanien zu, vor allem in der Nähe von Gebieten, die bereits vorher trocken waren. Besonders auffällig ist dies in der Region Murcia, in Kastilien-La Mancha, in der Extremadura und in der Ebro-Senke“, so del Campo weiter.
Klimaplan: Emissionsreduzierung um 30 Prozent
Der Nationale Integrierte Energie- und Klimaplan (PNIEC), den die Regierung von Pedro Sánchez 2021 vorstellte, zielt bis 2030 auf eine 23-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 ab. Derzeit läuft die zweijährliche Überprüfung des PNIEC, die dieses Ziel verschärfen soll. Nach einem Bericht von Reuters soll das Ziel um sieben Prozentpunkte auf eine 30-prozentige Reduzierung erhöht werden. Der Entwurf wird im Juni an die EU-Kommission geschickt und soll im Juni 2024 genehmigt werden, so ein Sprecher des Ministeriums für ökologischen Wandel gegenüber Table.Media.
Der bisherige PNIEC legt fest, dass bis 2030 42 Prozent der gesamten Energie in Spanien aus erneuerbaren Energien stammen werden. 74 Prozent der Stromerzeugung soll dann erneuerbar sein. „Trotz der Dürre machten die erneuerbaren Energien im Jahr 2022 22 Prozent der Energie und 42 Prozent des Stroms aus. Es wird erwartet, dass bis 2023 mehr als 50 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt wird“, so das Ministerium für den ökologischen Wandel.
Platz 4 im europäischen Klima-Ranking
In den unabhängigen Climate Scorecard Country Ratings 2021, das Planungen der Klimapolitik verschiedener Länder bewertet, liegt Spanien unter den EU-Ländern an vierter Stelle hinter Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Frankreich. Die Kriterien beziehen sich darauf, ob sich das Land verpflichtet hat, die Emissionen bis 2023 oder spätestens bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren und ob bis 2050 Kohlenstoffneutralität erreicht werden soll. Bei den pro-Kopf-Emissionen (Werte von 2021) liegt Spanien mit 4,9 Tonnen weit unter dem deutschen Wert (8,1 Tonnen) und auch unter dem EU-Schnitt von 6,1 Tonnen.
Das Rating bewertet Spanien vor allem wegen seiner Stärke bei Solar- und Windenergie positiv. Außerdem will Spanien seine Fahrzeugemissionen bis 2030 um 39 Prozent senken. Der bisherige PNIEC verfolgt das Ziel, bis 2030 fünf Millionen Elektrofahrzeuge (einschließlich Motorräder, Lieferwagen und Busse) einzuführen. (Von Isabel Cuesta Camacho)