Schulden für die Sicherheit
Wegen „angespannter Bedrohungslage“: SPD verlangt Milliarden für die Polizei
Einflussreiche Sozialdemokraten rufen nach einem Sondervermögen für die innere Sicherheit. Die FDP reagiert zunehmend genervt.
Berlin – Als Bundeskanzler Olaf Scholz angesichts des Ukraine-Krieges ein mit 100 Milliarden Euro ausgestattetes Sondervermögen für die Streitkräfte in Aussicht gestellt hat, war sich der Deutsche Bundestag weitgehend einig. „Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt“, sagte der SPD-Politiker drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Die damit einhergehenden Schulden schienen zunächst zweitrangig.
SPD-Politikerin Esdar: „Die Zeitenwende muss auch innenpolitisch sichtbar sein“
Zwei Jahre später verlangen mächtige Sozialdemokraten im Parlament zusätzliches Geld – für die innere Sicherheit. „Äußere Sicherheit kann nicht ohne innere Sicherheit gedacht werden“, erklären die SPD-Landesgruppen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen/Bremen in einem gemeinsamen Positionspapier. „Wir brauchen ein neues Sondervermögen, in dem nicht nur die äußere Sicherheit sichergestellt wird.“
Die SPD-Abgeordnete Wiebke Esdar ist Vorsitzende des Gremiums „Sondervermögen Bundeswehr“. Die Haushaltspolitikerin erklärt auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA: „Die Zeitenwende muss auch innenpolitisch sichtbar sein.“ Die angespannte Bedrohungslage zwinge Deutschland, auch die zivilen Strukturen zu stärken. Neben der Polizei sollten unter anderem das Technische Hilfswerk oder das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gestärkt werden, sagt Esdar, „für die Beschaffung, Versorgung und Logistik im Krisenfall“.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hält ein Sondervermögen für überfällig
Wie viel Geld soll es sein? Zum jetzigen Zeitpunkt sei es noch nicht möglich, dazu eine belastbare Aussage zu treffen, entgegnet die SPD. Im Positionspapier steht zur möglichen Verteilung nur vage, dass in einem neuen Sondervermögen „mindestens 20 Prozent für die enormen Herausforderungen aufgrund der Zeitenwende für die innere Sicherheit in der Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums“ liegen sollten. Sicherheitsfachleute gehen angesichts der Ertüchtigung der Polizei von zweistelligen Milliardensummen aus.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hält Mehrausgaben bei der inneren Sicherheit für überfällig. „Mit der Bereitstellung eines Sondervermögens würde endlich auch der innenpolitischen Zeitenwende entsprochen“, sagt der Bundesvorsitzende Dirk Peglow im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Allein die Kürzungen im Sachhaushalt des Bundeskriminalamtes führen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität oder des Rechtsextremismus.“
Die Union findet die Haushaltsbeiträge der SPD „nur noch grotesk“
Inflation eingerechnet, sind die finanziellen Mittel für die Sachausstattung pro Stelle bei der Kriminalpolizei laut BDK seit 2018 um 50 Prozent gesunken. „Unter diesen Umständen wird es uns schwer gemacht, erfolgreich zu arbeiten“, sagt Peglow, „zumal Kriminalität immer öfter im digitalen Raum stattfindet.“
Aus Sicht der oppositionellen Unionsfraktion ist der Etat bereits üppig ausgestattet. „Die Ampel-Regierung hat in diesem Jahr 477 Milliarden Euro und weitere Sondertöpfe zur Verfügung, um ihre Aufgaben zu lösen“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz. „Niemals zuvor konnte eine Bundesregierung mit einem solch großen Haushalt ihre Politik gestalten.“ Stattdessen erfinde die Ampel in regelmäßigen Abständen immer neue Sondervermögen. „Es ist nur noch grotesk.“
„Die Schuldenbremse steht“, stellt der Koalitionspartner von der FDP klar
Innerhalb der Ampel reagiert man zunehmend genervt. „Der SPD steht es frei, nach Belieben Beschlüsse zur Schuldenbremse zu fassen“, sagt FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer. „Die immer gleichen Debattenbeiträge der SPD ändern aber nichts an der Regierungspolitik und dem Umgang mit der Schuldenbremse, wie auch der Kanzler jüngst bestätigte – die Schuldenbremse steht.“
Aus Sicht der FDP sollten Verteidigung und Sicherheit nachhaltig finanziert werden, findet Meyer, „ohne horrende Zinskosten und ohne das Vertrauen in die Staatsfinanzen zu untergraben“. Wer höhere Verteidigungsausgaben wolle, müsse auf Wirtschaftswachstum setzen – „und dafür ist die Wirtschaftswende notwendig“.
Rubriklistenbild: © picture alliance/dpa | Christophe Gateau
