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SPD-Politikerin Carmen Wegge im Interview

Sie will die AfD verbieten: „Ansonsten ist die Gefahr für die Demokratie zu groß“

Wird die AfD verboten? Eine Gruppe von Abgeordneten will die Partei überprüfen lassen. „Ansonsten ist die Gefahr für die Demokratie zu groß“, sagt SPD-Politikerin Carmen Wegge im Interview.

Fünf Bundestagsabgeordnete wollen der AfD an den Kragen. Sie haben einen Antrag initiiert, mit dem sie beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zum Verbot der Partei vorantreiben möchten. Es „liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Partei verfassungswidrig ist“, heißt es in dem achtseitigen Dokument „Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD“.

Die SPD-Politikerin Carmen Wegge ist Erstunterzeichnerin des Antrags. Für sie ist klar, dass die AfD überprüft gehört. „Ansonsten ist die Gefahr für die Demokratie zu groß.“ Im Interview mit IPPEN.MEDIA spricht Wegge über die Gründe für ihren Vorstoß, AfD-Vergleiche zur NSDAP sowie Chancen und Folgen eines Verbotsverfahrens.

Überprüfung der AfD: „Wenn wir unsere Demokratie retten wollen … “

Frau Wegge, sollte die AfD aus Ihrer Sicht verboten werden?
Sie sollte überprüft werden. Eine Überprüfung ist das Einzige, worüber wir als Bundestag entscheiden können. Wir sollten die Tür nach Karlsruhe öffnen, damit das Bundesverfassungsgericht prüfen kann. Ein Verbot wäre nur die Folge, wenn die AfD tatsächlich verfassungswidrig ist.
Sie sind Erstunterzeichnerin des Antrags. Warum?
In den letzten zwölf Monaten bin ich zur Überzeugung gelangt, dass man jetzt die AfD überprüfen sollte. Ansonsten ist die Gefahr für die Demokratie zu groß.
Was ist in den letzten zwölf Monaten passiert?
Die AfD hat sich weiter radikalisiert: Verbindungen nach China und Russland, das Treffen in Potsdam samt Deportationsplänen, das Aufdecken der Terrorgruppe um Prinz Reuß, wo auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete dabei war, die den Deutschen Bundestag stürmen wollte. Es gibt nach wie vor Verbindungen der AfD in die neue Rechte, in rechtsradikale Organisationen oder zur Identitären Bewegung. Und wir hatten die Ereignisse im Thüringer Landtag, wo man ganz klar sehen konnte, was passiert, wenn die AfD nur ein bisschen an Macht erlangt. Sie hebelt das Parlament vollkommen aus. Wenn wir unsere Demokratie retten wollen, dann müssen wir eine Überprüfung der AfD anstreben…
… die dann vom Bundesverfassungsgericht erfolgt. Aber verstehe ich Sie richtig, dass Sie der Überzeugung sind: Die AfD ist verfassungswidrig?
Ich bin überzeugt, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen. Es gab dieses Jahr das Urteil vom Oberverwaltungsgericht Münster, das die Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall bestätigt hat. Da hat das Gericht auch ganz klar festgestellt, dass die AfD in ihren Positionen gegen die Menschenwürde und andere Prinzipien verstößt. Wir sehen, dass die AfD die Delegitimierung der staatlichen Institutionen vorantreibt, und sie ist vor allem groß genug. 
Anders als die NPD, bei der in den 2010er Jahren ein Verbotsverfahren gescheitert war. 
Ja. Sie ist nicht etwa nicht verboten worden, weil sie nicht verfassungswidrig war. Das war sie auf jeden Fall. Sondern weil sie nicht ausreichend groß war, um eine echte Gefahr für die Demokratie darzustellen. Bei der AfD ist das anders. Sie ist stärkste Kraft bei Landtagswahlen, stellt einen Landrat oder Oberbürgermeister, hat also auch Exekutivgewalt in diesem Land. 
Carmen Wegge über die AfD. Sie sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag und ist dort unter anderem Mitglied im Rechtsausschuss.

SPD-Politikerin Wegge: „Nur weil man eine Partei wählen kann, ist sie nicht demokratisch“

Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei, steht in Umfragen bei circa 17 Prozent – vor der SPD – und holte in Ostdeutschland zuletzt 30 Prozent. AfD-Wähler fühlen sich doch vor den Kopf gestoßen von diesem Antrag, oder nicht?
Eine Überprüfung der AfD richtet sich nicht gegen die Wählerinnen und Wähler, sondern gegen die Partei selbst. Wir wissen von Rechtspopulismusforschern, dass es innerhalb der AfD-Wählerschaft hohe Zustimmungswerte zur Demokratie als solcher gibt. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass wir das in Deutschland schon einmal hatten: dass eine Partei, die demokratisch gewählt wurde, die Demokratie abgeschafft hat. Nur weil man eine Partei wählen kann, ist sie nicht demokratisch.
Sie sprechen von der NSDAP?
Genau.
Vergleichen Sie die AfD mit der NSDAP?
Man sollte sie nicht miteinander vergleichen, kann aber durchaus Parallelen erkennen. Auch damals hatte die Bevölkerung den Eindruck, in einer großen Krisensituation zu sein. Es gab Unsicherheiten und dadurch natürlich auch einen Nährboden, auf dem Hass und Hetze gediehen sind. Ähnlich scheint mir das heute auch zu sein.

AfD-Verbotsantrag

Ein Parteienverbot kann von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden.

Der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachteten AfD müsste in dem Verfahren nachgewiesen werden, „die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“ (Art. 21 Grundgesetz). Diese Prüfung dauert vermutlich Jahre.

Initiatoren des Antrags sind Martina Renner (Linke), Stefan Seidler (Südschleswigscher Wählerverband), Till Steffen (Grüne), Marco Wanderwitz (CDU) und Carmen Wegge (SPD).

Unterstützung gibt es vor allem von Grünen und Linken. Die Union um Parteichef Friedrich Merz ist skeptisch, auch Kanzler Olaf Scholz und Teile seiner Spitzen-SPD äußerten sich bislang zurückhaltend.

„Das Opfernarrativ gehört schon immer zur Erzählung der AfD“

Ausgerechnet nach den größten Erfolgen der AfD soll die Partei verboten werden. Da entsteht bei AfD-Anhängern doch der Eindruck, „die da Oben“ sorgen sich um die eigene Macht und wollen die politische Konkurrenz mundtot machen. Die AfD greift dieses Narrativ natürlich auf. Es ist also wirklich der richtige Zeitpunkt? 
Das Opfernarrativ gehört schon immer zur Erzählung der AfD. Irgendwann müssen wir sagen: Jetzt ist der Zeitpunkt für die Überprüfung gekommen. Wir reden viel über AfD-Anhänger, aber nicht über die Menschen, die große Angst vor der AfD haben und davor, was diese Partei mit dem Land anstellen könnte. Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen, die gegen die AfD und für Demokratie auf die Straße gegangen sind. Diese Stimmen muss man ernst nehmen, denn das ist die Mehrheit.
Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend hat ein AfD-Verbotsverfahren keine Mehrheit. Auch im Bundestag ist noch nicht absehbar, ob es eine Mehrheit geben wird.
Es handelt sich um eine Entscheidung, die gut abgewogen sein muss. Eine solche Entscheidung ist das schärfste Schwert der wehrhaften Demokratie. Deswegen befinden wir uns aktuell in guten Gesprächen, um in dieser Frage zusammenzukommen. 
Wann soll der Antrag im Bundestag behandelt werden?
Im November oder Dezember.
Dann könnte auch ein neues AfD-Gutachten vorliegen. Die gesamte Partei könnte als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft werden. Hätte das Auswirkungen?
Wir kennen das Ergebnis noch nicht. Aber ich gehe stark davon aus, dass in allen demokratischen Fraktionen im Falle einer solchen Hochstufung ernsthaft darüber nachgedacht wird, was das für das weitere Vorgehen bedeutet.

AfD-Verbotsverfahren: „Das wäre für viele Wähler ein Weckruf“

Was würde ein erfolgreiches AfD-Verbotsverfahren denn bedeuten? Wäre die AfD dann weg aus der deutschen Parteienlandschaft?
Die AfD müsste sich auflösen und von heute auf morgen würden die Mitglieder nicht mehr in den Parlamenten sitzen. Vom Europaparlament bis hin ins Kommunalparlament würde die AfD die Sitze verlieren, das Vermögen würde eingefroren werden, insbesondere würde die Partei natürlich auch von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Auch Nachfolgeorganisationen werden vom Verbot erfasst. Das heißt, man kann sich nicht einfach einen neuen Namen geben und einfach so weitermachen. 
Aber die Überzeugungen der schon jetzt in Teilen rechtsextremen Politiker werden ja trotzdem nicht einfach weggewischt.
Das stimmt. Das heißt, auch wir müssen uns fragen, wie wir die Wählerinnen und Wähler wieder zurück ins demokratische Spektrum bekommen. Würde das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit feststellen, wäre das für viele Wähler ein Weckruf. Aber natürlich wird es Menschen in diesem Land geben, die ein so gesichert rechtsextremes Menschenbild haben, dass es für uns schwer sein wird, auch sie zu erreichen. Aber das war vorher auch schon so.

Interview: Andreas Schmid

Rubriklistenbild: © Imago/Bihlmayerfotografie//picture alliance/dpa | Carsten Koall (Montage)

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