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Mehr Geschlechtertoleranz

Was ist das beschlossene Selbstbestimmungsgesetz?

Einfach beim Standesamt den Geschlechtseintrag und den Namen ändern: Die Bundesregierung bringt das Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg.

Berlin – Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist das mittlerweile beschlossene Selbstbestimmungsgesetz für „eine kleine Gruppe von Menschen, für die es eine große Bedeutung hat“, erklärte er im „Morgenmagazin“ vom ZDF am Mittwoch (23. August) vor dem Beschluss im Bundeskabinett. Die Bundesregierung erfülle damit einen „Verfassungsauftrag“, denn die aktuelle Rechtslage sei vom Bundesverfassungsgericht kritisiert worden. Buschmann glaubt, das Gesetz ermöglicht nun einen fairen und würdevolleren Umgang mit betroffenen Personen, „denen wir das Leben nun etwas leichter machen“. Es sei ein „Stückchen Toleranz, die wir uns als offene Gesellschaft erlauben“ könnten.

Das Bundeskabinett hat inzwischen den Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet. Das sei „ein großer Moment“ für trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland, teilte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch nach dem Beschluss mit. Kritik am Selbstbestimmungsgesetz kommt vor allem von der Union und der AfD.

Buschmann geriet noch im Mai ins Visier von Linksextremisten, die ihm „massiv transfeindlichen Einfluss auf den Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes“ vorwarfen und sein Haus in Gelsenkirchen beschmierten.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht im neuen Selbstbestimmungsgesetz vor allem eine Erleichterung für betroffene Menschen, ihre Identität würdevoll und unbürokratisch ausleben zu können.

Buschmann: Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht würdevolleren Umgang mit Betroffenen

Das seit 1981 existierende Transsexuellengesetz erfährt mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz eine Überarbeitung. Das Transexuellengesetz empfanden viele Betroffene als demütigend. Bisher waren zwei psychologische Gutachten und eine Entscheidung vom zuständigen Amtsgericht notwendig für Betroffene. „Stellen Sie sich vor, sie gehen zum Amt. Sie wollen ihr Leben leben und niemanden etwas Böses. Dann werden Sie nach ihren sexuellen Vorlieben gefragt und welche Unterwäsche sie tragen“, verdeutlichte Buschmann die unangenehme Situation Betroffener in der Vergangenheit.

Das neue Gesetz erleichtere trans-, intergeschlechtlichen und nicht binären Menschen die Bürokratie bei Standesämtern, denn sie müssten nur noch wenig Papierkram erledigen, wenn sie Vornamen oder Geschlecht im Personenstandsregister verändern wollen.

Bei Jugendlichen unter 14 Jahren übernehmen die Eltern künftig das Formale beim Standesamt. Ist der Nachwuchs schon über 14, müssen Eltern eine Einverständniserklärung einreichen. In familiären Härtefällen kann das Familiengericht mit Blick auf das Kindeswohl entscheiden.

Buschmann nimmt Stellung zur Kritik über das Selbstbestimmungsgesetz

Auf die Kritik, das Gesetz könne missbraucht werden, etwa weil auch Jugendliche unter 18 Jahren ohne Beratungsgespräch ihr Geschlecht ändern könnten, erwiderte Buschmann: „Vor einer unreifen, übereilten Entscheidung schützen erstmal die Eltern. Ich bin der festen Überzeugung, dass der übergroße Teil der Eltern sehr seriös und sorgfältig sich die Frage stellt: ‚Was ist das beste für mein Kind‘.“

Eine weitere Kritik lautete, das Gesetz könnten Männer missbrauchen, um sich Zugang zu Orten zu verschaffen, die nur von Frauen vorgesehen sind, also etwa Frauen-Toiletten, -häuser oder -saunen. Buschmann wies darauf hin, dass Betreiber auch weiterhin darüber entscheiden können, wer Zugang zu ihren Räumlichkeiten erhält. Fälle dieser Art würden aber „in der Praxis ganz selten“ auftreten.

Buschmann erklärte, es gehe bei dem Gesetzentwurf nicht darum, das biologische Geschlecht abzuschaffen oder eine Unterscheidung zwischen Männern und Frauen aufzuheben. Betroffene Bürger sollen lediglich ihre Identität auch im Verhältnis zum Staat offen leben können. (dpa / Emanuel Zylla)

Wichtige Fragen zum neuen Selbstbestimmungsgesetz

Wer ist betroffen?

Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen betrifft das Selbstbestimmungsgesetz: Eine Unterscheidung besteht zwischen „trans“, also Menschen, die sich nicht oder nicht nur mit ihrem Geschlecht identifizieren, das bei ihrer Geburt festgestellt wurde, zwischen „inter“, also Personen, „die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen“ sowie „nicht-binär“ für diejenigen, die sich weder als Frau, noch als Mann identifizieren.

Wie läuft die Änderung des Geschlechtseintrages künftig ab?

Egal ob die medizinische Geschlechtsumwandlung bereits durchgeführt wurde oder nicht, künftig reicht eine Erklärung und Eigenversicherung beim Standesamt aus. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren brauchen eine Erklärung der Erziehungsberechtigten und ihre Zustimmung.

Lässt sich das neue Gesetz für kriminelle Zwecke missbrauchen?

Kriminelle können mit dem Selbstbestimmungsgesetz nicht einfach ihren Namen ändern und so einer Strafverfolgung entgehen. Voraussichtlich soll es so sein, dass Standesämter Anträge zunächst an die Meldebehörden und demnach auch die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten. Hier würde sich dann klären, ob ein Verfahren oder eine Fahndung für den Antragstellenden besteht. Falls nicht, würden die Daten nach der Überprüfung gelöscht werden.

Kann Name und Geschlecht beliebig oft verändert werden?

Zwar könne beliebig oft eine Änderung der persönlichen Daten vorgenommen werden, allerdings werde nach der Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr aktiv, bei der in diesem Zeitraum keine erneute Änderung möglich ist. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) weist aber auf Zahlen hin, dass etwa nur ein Prozent der Menschen die Änderung von Namen und Geschlecht wieder rückgängig machen.

Wie ist die Situation in anderen Ländern?

In der Schweiz lässt sich zwar der Eintrag zum Geschlecht im Personenregister ohne Probleme ändern, jedoch können Bürger dort nur zwischen „männlich“ und „weiblich“ wählen. Das Land hat keine Erfahrungen mit größerem Missbrauch der Selbstbestimmung gemacht. Selbstbestimmungsgesetze gibt es in der EU etwa auch in Portugal, Irland oder Dänemark. Außerhalb der EU lassen sich Uruguay oder Argentinien als Beispiele nennen.

Rubriklistenbild: © Britta Pedersen/dpa

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