Malta-Frachter aus Russland
„Schwimmende Bombe“? Schiff mit Fracht aus Russland erreicht englischen Hafen
Das beschädigte Schiff MV Ruby, beladen mit Ammoniumnitrat, sorgt in Europa für Besorgnis. Die Fracht stammt aus Russland.
Great Yarmouth – Der Frachter „MV Ruby“ irrte in diesem Herbst wochenlang über die Nordsee. Der Rumpf gerissen, die Propeller beschädigt – mehrere Häfen verweigerten dem Schiff trotz des mutmaßlichen Notfalls die Einfahrt. Denn „Ruby“ hat Fracht aus Russland an Bord: 20.000 Tonnen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat. Ende Oktober ging der Frachter dann in England vor Anker. Doch die kontroverse Fahrt war damit nicht zu Ende.
Trojanisches Pferd? Weshalb selbst Malta das Schiff unter maltesischer Flagge nicht anlegen ließ
„Ruby“ fährt unter maltesischer Flagge, ist im Besitz des maltesischen Unternehmens Ruby Enterprise und wird laut New York Times von Serenity Shipping mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten verwaltet. Das Mistrauen ist dennoch groß, denn die Fracht kommt aus Russland. Ursprünglich war das Schiff von der nordrussischen Halbinsel Kola in See gestochen. Danach zog es sich Schäden zu. Die genauen Umstände sind noch ungeklärt, ein Sturm gilt als mögliche Ursache.
„Ruby“ ankerte im Anschluss in Tromsö, der norwegische Hafen rief das Schiff aber nach einigen Wochen zur Abfahrt auf. Von da an mäanderte der Frachter auf offener See. Zahlreiche Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee, darunter Litauen, Schweden und Malta verweigerten dem Schiff die Einfahrt. Der Argwohn war groß: „Rubys“ Fracht Ammoniumnitrat ist nicht nur Hauptbestandteil von Dünger, sondern gilt auch als Auslöser der Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut vor vier Jahren.
Die Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPA) bezeichnete die „MV Ruby“ deshalb als „schwimmende Mega-Bombe“. Es kursieren Bedenken, dass Russland das Schiff als eine Art „Trojanisches Pferd“ in einen Nato-Hafen schleusen könnte. Zwar gebe es keine Hinweise auf böswillige Absichten, doch könne Litauen es sich nicht leisten, in Interaktionen mit Russland unvorsichtig zu bleiben, begründete Außenminister Gabrielius Landsbergis Litauens Einfahrtverbot für das Schiff.
„Ruby“ verlässt England und kommt mit einem Teil der Ladung wieder zurück
Ende Oktober ging der Frachter dann im ostenglischen Great Yarmouth vor Anker. Der Hafen komme seinen Verpflichtungen nach und unterstütze das Schiff beim Umladen seiner Ladung, kommentierte Hafenchef Richard Goffin. Einem BBC-Bericht von Montag (18. November) zufolge hatte „Ruby“ den englischen Hafen kürzlich verlassen, einen Teil des kontaminierten Düngers auf See entsorgt – und war dann wieder zurück nach Great Yarmouth eingefahren. Darauf weisen auch Daten von Marine-Trackern wie Vesselfinder hin. Die Entscheidung, den Frachter wieder einfahren zu lassen, sei „inakzeptabel“, so eine gemeinsame Erklärung von Gemeindevertretern des Norfolk County Council.
Für Einwohner und Unternehmen in Great Yarmouth bestehe „die Gefahr einer großen Explosion“, hieß es weiter. Ein Regierungssprecher erklärte laut BBC indes, es gebe keine Rechtsgrundlage, das Schiff zu stoppen, da die korrekten Sicherheitsstandards eingehalten worden seien. Es handle sich um eine „kommerzielle Entscheidung, die zwischen dem Schiffsbetreiber und dem Hafen getroffen wurde“, teilte ein Sprecher des Verkehrsministeriums mit. Hafenchef Goffin gab sich entspannt: „Dünger ist eine ganz normale Fracht, die jeden Tag als Massengut in Häfen im ganzen Land umgeschlagen wird. Ohne ihn gäbe es keine Landwirtschaft in England.“
Man sei lediglich der Verpflichtung nachgekommen, einem Schiff in Not zu helfen, indem man einen sicheren Hafen zur Verfügung gestellt habe, zitiert BBC Goffin weiter. In den kommenden Tagen soll der Rest der Ladung auf den Frachter „MV Zimrida“ umgeladen werden, hieß es. Inwiefern dies das Problem beheben soll, war zunächst nicht bekannt. Die „MV Ruby“ ist nicht das einzige Schiff mit explosiver Ladung, das vor der Küste Englands liegt. Ein Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg in der Mündung der Themse hat 1.400 Tonnen Sprengstoff an Bord.