„Zeit des Warnens ist vorbei“
Regierungserklärung nach Mannheim-Angriff: Scholz für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien
Nach dem Messerangriff von Mannheim fordern Politiker, straffällige Ausländer auch nach Afghanistan abzuschieben. Scholz äußert sich unter anderem dazu.
Update vom 6. Juni, 10.20 Uhr: Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen Ampel-Regierung nach der für einen Polizisten tödlichen Messerattacke von Mannheim eine schnelle und entschlossene Reaktion verlangt. „Die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen, diese Zeit ist jetzt vorbei“, sagte der CDU-Vorsitzende am Donnerstag im Bundestag in der Antwort auf die Regierungserklärung von Scholz zur aktuellen Sicherheitslage. „Die Menschen erwarten, dass wir handeln. Sie erwarten Entscheidungen. Sie warten auf eine klare, unmissverständliche Antwort der Politik“, ergänzte Merz. „Das bedeutet konkret: Ihre Regierung, Herr Bundeskanzler, muss jetzt handeln. Sie müssen diese Lage in den Griff bekommen.“
„Es geht um den Kernbestand des Zusammenhalts unserer Gesellschaft, um nicht mehr und nicht weniger“, rief Merz. Der Mord an dem Polizisten „und die damit einhergehenden weiteren Mordversuche in Mannheim fallen in eine Zeit, in der unsere Gesellschaft ohnehin schon sehr verunsichert ist“.
Es gebe Angriffe auf Polizeibeamte, Einsatzkräfte, Menschen, die Hilfe leisten wollen, politisch Andersdenkende und immer häufiger auch auf Kommunalpolitiker. Ausdrücklich wolle er hier auch den Angriff auf einen AfD-Kommunalpolitiker in Mannheim am Dienstagabend nennen. Dies seien Erscheinungsformen einer zunehmenden Verrohung und Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft. „Und darauf müssen wir jetzt gemeinsam hart und klar reagieren“, verlangte Merz.
Regierungserklärung von Scholz im Bundestag über Mannheim: „Solche Straftäter gehören abgeschoben“
Update vom 6. Juni, 9.20 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz will die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen. „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Bundestag. Das Bundesinnenministerium arbeite daran, das zu ermöglichen.
Wie genau er das ermöglichen will, sagte der Kanzler nicht. Das Bundesinnenministerium arbeite an der praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch.
Man werde auch nicht länger dulden, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden. „Deshalb werden wir unsere Ausweisungsregelungen so verschärfen, dass aus der Bildung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt“, sagte der Kanzler. „Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte und gehört auch abgeschoben.“
Regierungserklärung von Scholz: Ukraine-Krieg und Mannheim im Fokus
Erstmeldung: Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gibt am Donnerstag (6. Juni) im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage ab. Dabei wird es einerseits um seine Erlaubnis an die Ukraine gehen, russisches Territorium auch mit deutschen Waffen anzugreifen. Zudem dürfte sich Scholz zum Messerangriff von Mannheim und der sich daran anschließenden Debatte über eine Abschiebung ausländischer Straftäter äußern.
Ein 25-jähriger Afghane hatte vergangene Woche bei einer islamkritischen Kundgebung in Mannheim mehrere Menschen mit einem Messer verletzt, darunter einen 29-jährigen Polizisten, der später an seinen Verletzungen starb. Aus mehreren Bundesländern kam anschließend die Forderung, Abschiebungen in Länder wie Afghanistan oder Syrien wieder zu erlauben. Innenminister Nancy Faeser (SPD) prüft das derzeit.
Mannheim-Messerangriff: „Politischer Wille für umfassenden Kampf gegen Islamismus gefragt“
Seit der Machtübernahme durch die radikal-islamistischen Taliban in Kabul im August 2021 schiebt Deutschland niemanden mehr nach Afghanistan ab. Schon in der Zeit davor hatte man sich wegen der damals bereits schwierigen Sicherheitslage darauf verständigt, nur Männer – und bevorzugt Straftäter und sogenannte Terror-Gefährder – unter Zwang nach Kabul zu bringen. Zu den vielen Menschen aus Syrien und Afghanistan, die in den vergangenen zehn Jahren als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind, zählen auch einige, die inzwischen in der Bundesrepublik schwere Straftaten begangen haben oder denen die Polizei zutraut, einen Terroranschlag zu begehen.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dringt nun im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) auf ein entschlosseneres Vorgehen gegen ausländische Straftäter und Gefährder: „Wer bei uns schwere Straftaten begeht, der muss auch in Länder wie Afghanistan zurückgeführt werden können.“ Es dürfe keine Denkverbote geben, „sondern nun ist der politische Wille gefragt, den Islamismus in unserem Land umfassend zu bekämpfen“.
Abschiebung nach Afghanistan? CDU will Gespräche mit Kabul über Rückführungen
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), forderte von Kanzler Scholz „einen Plan zur ernsthaften Bekämpfung des politischen Islamismus“. „Außerdem bietet die Regierungserklärung für Scholz eine gute Gelegenheit zu erklären, wie er seine seit langem angekündigte Abschiebeoffensive in Gang setzen will“, sagte Frei dem RND. Der Bundestag stimmt direkt nach der Regierungserklärung über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Bekämpfung des politischen Islams ab.
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), spricht sich für Gespräche über Rückführungsabkommen mit den radikal-islamistischen Taliban in Afghanistan aus. „Wir müssen mit der faktischen Regierung in Kabul über Rückführungen reden, auch wenn wir dieses Regime nicht mögen“, sagte Throm dem Handelsblatt.
Debatte nach Messerangriff in Mannheim: Völkerrecht steht Abschiebung nach Afghanistan im Weg
Völkerrechtler und Menschenrechtsexperten haben jedoch Bedenken. „Das sogenannte Non-Refoulement ist ein absolutes Verbot: Das heißt, Asylbewerber oder Flüchtlinge dürfen nicht in ein Land zurückgewiesen werden, in dem ihnen eine menschenrechtswidrige Behandlung droht“, sagte der Heidelberger Völkerrechtler Matthias Hartwig der Rheinischen Post. „Umgekehrt heißt das, dass sie hier aufgenommen werden müssen.“ Auch Menschenrechtsexpertin Nele Allenberg verwies in dem Blatt auf die Refoulement-Verbote.
Personen, „die Verbrechen begangen haben oder die ein schwerwiegendes Sicherheitsrisiko für das Land darstellen“, seien zwar vom Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention ausgeschlossen, sagte Hartwig, der Professor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ist. Allerdings: „Für Deutschland gelten die Regeln der europäischen Menschenrechtskonvention, wo in Artikel 3 das Folterverbot festgeschrieben steht. Das wird vom europäischen Menschenrechtsgerichtshof dahingehend ausgelegt, dass eine Person, ganz gleich, was sie getan hat, nicht in ein Land ausgeliefert werden darf, wo ihr Folter droht.“ Zudem verwies Hartwig auf das Legalitätsprinzip. Danach müsse die Staatsanwaltschaft eine in Deutschland begangene Straftat verfolgen. Der Strafanspruch solle nicht durch eine Abschiebung ausgehebelt werden.
Regierungserklärung von Scholz im Bundestag: Entscheidung zur Ukraine dürfte verkündet werden
Mit der Erlaubnis eines Einsatzes deutscher Waffen auf russischem Territorium hat Scholz nach mehr als zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine einen mit den wichtigsten Bündnispartnern abgestimmten Kurswechsel vollzogen. Er soll vor allem der Abwehr der Angriffe auf die ukrainische Metropole Charkiw von russischem Gebiet aus dienen. Diese Entscheidung dürfte Scholz am Donnerstag im Bundestag erklären. (dpa)