Petition
Schlag gegen die AfD geplant – dieser Mann will Björn Höcke die Grundrechte entziehen
Erneut wird ein AfD-Verbot diskutiert. Ein Mann verfolgt aber einen anderen Plan: Er will Björn Höcke die Grundrechte entziehen. Hunderttausende unterstützen ihn.
Berlin/Hamm – Die AfD ist im Umfragehoch und feierte zuletzt Erfolge – dabei werden Teile der Partei vom Verfassungsschutz beobachtet. Schon mehrmals wurde über ein Verbotsverfahren diskutiert. Das gestaltet sich aber schwierig. Indra Ghosh geht einen anderen Weg. Er hat eine Online-Petition gestartet – mit dem Ziel, Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen. Er beruft sich dabei auf die „wehrhafte Demokratie“ im Grundgesetz.
AfD hat gute Umfrage-Werte
Wenige Monate vor den Landtagswahlen in mehreren ostdeutschen Bundesländern kann die AfD Umfragen zufolge mit starken Wahlergebnissen rechnen. Allein in Thüringen sind knapp 37 Prozent für die Partei drin – obwohl vor mehr als zwei Jahren die Thüringer AfD vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde.
AfD-Landeschef Björn Höcke ist ein Faschist
Björn Höcke ist seit 2014 Chef dieses Landesverbandes. Der Politiker, der im September Ministerpräsident in Thüringen werden will, darf nach einer Gerichtsentscheidung als Faschist bezeichnet werden. Er gilt inzwischen als der bundesweit einflussreichste Politiker der AfD. Insider sagen, er sei mächtiger als die eigentlichen Parteichefs, Alice Weidel und Tino Chrupalla.
Angesichts der hohen Umfragewerte für die AfD wird in der Bundespolitik laut über ein Parteiverbot nachgedacht. Jüngst hatte das SPD-Chefin Saskia Esken ins Spiel gebracht – auch vor dem Hintergrund, dass die AfD Teil eines rechtsextremen Netzwerkes sei und beispielsweise Listen unliebsamer kritischer Journalisten führe und Meldeportale für Lehrer einrichte, die sich kritisch über die AfD äußerten.
AfD-Geheimtreffen mit Rechtsextremen
Bei dem Potsdamer Treffen im November, über das zuerst das Medienhaus „Correctiv“ berichtet hatte, waren teils radikale Thesen zur Migrationspolitik diskutiert worden. Zu den Teilnehmern zählten mehrere Politiker der AfD wie Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, sowie der Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause. Martin Sellner, in den vergangenen Jahren Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung (IB) in Österreich, trug dort unter anderem Ideen dazu vor, wie erreicht werden könne, dass mehr Ausländer Deutschland verlassen und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimiliation gedrängt werden könnten.
AfD-Verbot dürfte sich als schwierig gestalten
Das Grundgesetz bietet in Artikel 21, Absatz 2 die Möglichkeit, eine Partei zu verbieten. Danach sind Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger „darauf ausgehen“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Die Hürden für solch ein Verbot sind jedoch sehr hoch. Einer ganzen Partei oben Gesagtes nachzuweisen, dürfte sehr schwer werden, befürchten Verfassungsrechtler.
Das Grundgesetz bietet allerdings noch ein weiteres Instrument, das konkret und zielgenau gegen einzelne Verfassungsfeinde eingesetzt werden kann: die Grundrechtsverwirkung. Nach Artikel 18 der deutschen Verfassung können demjenigen Grundrechte entzogen werden, der diese „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben bewusst unter dem Stichwort „wehrhafte Demokratie“ dem Staat diese Möglichkeit eingeräumt. Die Feinde der Demokratie sollten niemals die Möglichkeit bekommen, die Demokratie abzuschaffen – so der Wunsch.
Carlo Schmid, der als einer der Väter der bundesdeutschen Verfassung gilt, sagte bei der Verabschiedung des Grundgesetzes am 8. September 1948 vor dem Parlamentarischen Rat: „Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“
Indra Ghosh startet Petition gegen AfD-Mitglied Höcke
Diesen Mut bringt nun Indra Ghosh auf. Er hat eine Online-Petition gestartet mit dem Ziel, Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen. Seine Petition richtet sich an die Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Parteien. Denn auf Antrag des Bundestages, der Bundesregierung oder einer Landesregierung kann das Bundesverfassungsgericht einzelnen Verfassungsfeinden das passive und aktive Wahlrecht und auch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennen.
Björn Höcke sollen Grundrechte entzogen werden
Im konkreten Fall will Indra Ghosh nun, dass das Bundesverfassungsgericht Björn Höcke das Recht abspricht, sich wählen zu lassen. „Das würde sein politisches Aus bedeuten“, sagt der Düsseldorfer unserer Zeitung. Mehr als 370 000 Menschen haben inzwischen seine Petition unterschrieben, berichtet wa.de.
Ghosh, der als Physiker arbeitet, ist 56 Jahre alt und sieht in dem in Lünen (NRW) geborenen Höcke einen „wahrhaft gefährlichen Feind der freiheitlichen Demokratie“. In seiner Petition zitiert Ghosh, der nach eigenem Bekunden keiner Partei angehört, aus dem Verfassungsschutzbericht des Freistaates Thüringen über den AfD-Landesverband Thüringen, dessen Vorsitzender Höcke ist: „Der AfD Landesverband Thüringen ist (jedoch) eine erwiesen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Der Landesverband vertritt seit Jahren Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, gegen das Demokratie- und gegen das Rechtsstaatsprinzip richten.“
Ghosh sieht in Höcke einen gefährlichen politischen Brandstifter
Für den Initiator der Petition sind diese Worte alarmierend und Grund genug, aktiv zu werden. Ghosh sieht in Höcke einen gefährlichen politischen Brandstifter – auch, weil er in zahlreichen Wortbeiträgen und Reden antisemitische oder rassistische Anspielungen verbaut. Ghosh zitiert aus Höckes Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“: „Ein paar Korrekturen und Reförmchen werden nicht ausreichen, aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt.“
Seit Bestehen der Bundesrepublik ist der Artikel 18 des Grundgesetzes noch nie angewandt, sind niemandem die Grundrechte entzogen worden. Doch sei dies eine „gezielte Maßnahme, um unsere Demokratie zu schützen“, sagt die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff. Sie ist Professorin für öffentliches Recht an der Universität Bielefeld, wo Klimaaktivisten im vergangenen Jahr einen Hörsaal besetzt hatten, und hegt große Sympathien für die Möglichkeiten der Grundrechtsverwirkung als Mittel der „wehrhaften Demokratie“.
Grundrechtsverwirkung schneller als Parteiverbotsverfahren
„Das Instrument der Grundrechtsverwirkung ermöglicht es, gezielt die Wirkungsmöglichkeiten derjenigen, und nur derjenigen, Akteure erheblich zu beschneiden, denen tatsächlich ein relevanter Missbrauch vorgeworfen werden kann.“ Sie sieht in der Grundrechtsverwirkung den Vorteil, dass es weniger umfangreicher Ermittlungen bedarf und schneller als ein Parteiverbotsverfahren durchführbar wäre. Das Bundesverfassungsgericht könnte schnell handeln und Verfassungsfeinden das Recht auf Wählbarkeit oder Parteifunktionalität entziehen, so die Professorin.
Ghosh will in den nächsten Tagen die Fraktionsspitzen anschreiben
Wie geht es weiter? Indra Ghosh will in den nächsten Tagen die Fraktionsspitzen der im Bundestag vertretenden Parteien anschreiben und einen Termin für die Übergabe der Petition vereinbaren. Er hofft darauf, dass der Bundestag dann schnell einen entsprechenden Antrag nach Art. 18 GG vor dem Bundesverfassungsgericht stellt. Eine erste Kontaktaufnahme hat ihn allerdings ernüchtert: Niemand hat auf sein Schreiben reagiert.
Nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages muss sich der Petitionsausschuss aber mit dem Anliegen beschäftigen, da mehr als 50 000 Bürger die Petition unterzeichnet haben. Im Parlament wird also auf jeden Fall über den Grundrechtsentzug gesprochen.
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