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Präsidentschaftswahlen in Russland
Kreml bereitet „Wahlen“ in Russland vor – mit bizarren Kriterien für Putins Konkurrenz
Putin ist fast 71 Jahre alt. Das beschäftigt auch das Volk Russlands. Umfragen sehen ihn trotzdem weit vorne – liegt es an der Konkurrenz?
Moskau – Derzeit genießt Wladimir Putin laut dem russischen Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum einen hohen Zustimmungswert in der Bevölkerung von 82 Prozent (Stand Juli 2023). Der Spiegel nannte das Lewada-Zentrum das „einzige unabhängige Meinungsforschungsinstituts in Russland“. Laut der russischen Exil-Internetzeitung Meduza steht ein positives Ergebnis für Putin bei der in 2024 stattfindenden Wahlen in Russland aber auch so bereits fest – wenn es nach dem Kreml geht.
Hinweise dafür will Meduza, dessen Team – als in Russland unerwünschte Organisation – ihr Büro in Lettland aufgeschlagen hat, von zwei Insidern aus dem Kreml erfahren haben. Scheinbar seien Putins Kontrahenten bei den nächsten Präsidentschaftswahlen handverlesen und nach Alter ausgesucht worden. Ziel sei nichts weniger als Rekordwahlergebnisse für Putin bei der kommenden Wahl.
Putins Wahlkampfteam will transparenten Kontrahenten bei den Wahlen in Russland 2024
Federführend sei hier der stellvertretende Generalstabschef Sergej Kirijenko und das innenpolitische Team des Kremls. Eine Auswahl, ohne wesentliche jüngere Kandidaten, als der amtierende Präsident selbst, würde den bald 71-jährigen Putin in einem besseren Licht darstellen, so wohl die Hoffnung des Kremls.
Mögliche Putin-Kontrahenten kämen aus drei Fraktionen des russischen Parlaments, nämlich der Kommunistischen Partei (CPRF), der rechtsextremen Liberal-Demokratischen Partei (LDPR) und der zentristischen Partei „Neues Volk“. Die Partei „Gerechtes Russland“ trete hingegen gar nicht erst mit einem eigenen Kandidaten an. Stattdessen werde man Putin im Wahlkampf unterstützen, hat die Partei über ihren Vorsitzenden Sergej Mironow ausrichten lassen.
Der 79-jährige und durchschaubare Gennadi Sjuganow von der kommunistischen Partei Russlands ist ein gern gesehener Gegner für Putin bei den Präsidentschaftswahlen 2024.
Sehr alt und transparent: Kandidat der kommunistischen Partei Russlands keine Gefahr für Putin
Meduzas „informierten Quellen“ zufolge sei bereits die Nominierung der kommunistischen Partei keine Gefahr für Putin. Er kenne ihren langjährigen Vorsitzenden Gennadi Sjuganow nur zu gut. Der 79-Jährige habe nicht das Zeug dazu, über seine bestehende Wählerschaft hinaus, neue Wählerinnen und Wähler anzulocken, sei sich Putins Wahlkampf-Team sicher. Bei den Wahlen 2008 (17 Prozent) und 2012 (18 Prozent) habe er zudem sehr berechenbare Ergebnisse erzielt. Aktuell gibt ihm die Öffentlichkeit einen Zustimmungswert von gerade einmal drei Prozent, wie das Lewada-Zentrum in einer Umfrage herausgefunden haben will.
Sjuganows Performance bei den kommenden Wahlen sei vorhersehbarer, als die des CPRF-Kandidaten von 2018: Hier habe damals Pawel Grudinin dem Team-Putin kurz Schweiß auf die Stirn getrieben, als seine Einschaltquoten während des Wahlkampfes stiegen. Putin habe sich dazu gezwungen gefühlt, eine Verleumdungskampagne gegen Grudinin in die Wege zu leiten. Grudinin ist übrigens zehn Jahre jünger als Putin. Sein Wahlergebnis von 2018 lag am Ende dann bei 11,77 Prozent der Stimmen.
Putins Zirkel der Macht im Kreml – die Vertrauten des russischen Präsidenten
Sexismusvorwürfe und uncharismatisch: Kandidat der rechtsextremen LDPR für Putin perfekt
Leben könne der Kreml, laut Meduza, auch mit der Nominierung der rechtsextremen Liberal-Demokratischen-Partei Russlands (LDPR). Die ernennt wohl ihren Parteivorsitzenden Leonid Sluzki. Er ist auch Vorsitzender des Außenausschusses der Staatsduma, dem direkt gewählten Unterhaus der Föderationsversammlung Russlands. Dem 55-jährigen Sluzki hängen noch Vorwürfe von unerwünschten sexuellen Annäherungsversuchen aus 2018 nach, auch wenn eine Ethikkommission der Duma ihn entlastete.
Quellen von Meduza zufolge – etwa eine nahestehende Quelle zur Präsidialverwaltung, ein Kenner der LDPR-Leitung und eine Quelle mit Zugang zur politischen Strategie im Kreml – soll Sluzki zum einen nach mehr öffentlicher Aufmerksamkeit streben und vor allem daher kandidieren. Zum anderen soll der LDPR-Kandidat aber auch über wenig Ausstrahlung verfügen: „Er passt genau ins Bild: ein seriöser Mann im Anzug und einem Amt. Niemand würde ihn als Wahlverderber bezeichnen“, habe die Quelle aus dem Kreml zu diesem Putin-Widersacher kommentiert.
Der 55-jährige Leonid Sluzki der rechtsextremen Liberal-Demokratischen-Partei Russlands steht auch auf der Wunschliste mit Putins Favoriten-Kontrahenten.
Unnahbar und Putin treu: Liberaler Netschajew möchte eher nicht für die Wahlen in Russland kandidieren
Ähnlich würde es auch bei dem Kandidaten der wirtschaftsliberalen Partei „Neues Volk“ aussehen, wie der Kreml-Insider verraten habe. Hier tritt der Unternehmer Alexei Netschajew an, auch ein Kreml-Favorit. Er gilt als Putin-Unterstützer, laut Europe Elects, einem Webportal, das Ergebnisse verschiedener europäischer Meinungsforschungsinstitute veröffentlicht. Auch Netschajew gelte im Kreml als uncharismatisch und unnahbar und sei daher keine Gefahr für Putins Wiederwahl.
Netschajew wäre der Wunschkandidat des Kremls, doch so richtig Lust zu kandidieren habe er gar nicht, wie ein Experte Meduzaerläutert haben soll. Er würde nur auf ein sehr niedriges Wahlergebnis kommen und mit diesem schlechten Ruf womöglich die Staatsduma-Wahlen 2026 für seine Partei ruinieren. Netschajew würde viel lieber seinen Parteikollegen und den stellvertretenden Vorsitzenden der Duma, Wladislaw Dawankow, nominieren. Der tritt momentan zur Bürgermeisterwahl in Moskau an. Wie ein Wahlkampf-Insider mitgeteilt haben soll, ist er mit seinen 39-Jahren aber zu jung und habe zu viel Elan, um gegen Putin ins Rennen gehen zu dürfen. „Das wäre für Putin kein schmeichelhafter Kontrast“, habe der Experte gewertet.
Der Alexei Netschajew von der wirtschaftsliberalen Partei „Neues Volk“ möchte eigentlich nicht so gerne Kandidat werden und lieber seinen 39-jährigen Parteikollegen gegen Putin ins Rennen schicken.
Sein Alter spielt zwar nur drittgrößte Rolle in Russland, aber es könnte Putin irgendwann schaden
Beim Alterslimit gehe es dem Kreml aber nicht bloß um pure Wahlergebnisse. Es gehe auch darum, dass die russische Bevölkerung sich Fragen stellt: Was ist in einigen Jahren mit dem bereits über 70-jährigen Präsidenten? Ist er dann überhaupt noch in der Lage, das Land zu regieren? Braucht es nicht langsam frischen Wind mit einem jüngeren Kandidaten? Diese Frage beschäftigt die Russen tatsächlich einigermaßen stark, was ihren Präsidenten betrifft.
Das Alter sei die dritthäufigste Antwort bei einer Umfrage des Forschungsunternehmens „Russian Field“, was Putins Volk nicht an seinem Präsidenten gefällt, berichtet Meduza. Laut der Umfrage sei er ansonsten noch „zu sanft“ und widme sich zu wenig der Innenpolitik Russlands. In einer weiteren Umfrage der Gesellschaftsforscher gab Putin vor allem der ältere Teil der russischen Bevölkerung Zuspruch. Ob das Alter des Präsidenten ihm irgendwann ein Bein stellen wird oder dann doch ein schleppender Verlauf im Ukraine-Krieg, bleibt für die Wahlen 2024 ungewiss. (Emanuel Zylla)