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Putins Schattenkrieg gegen die Kinder
Russland entführt massenhaft ukrainische Kinder – Pläne lagen schon vor dem Angriff vor
Sie sollten Russen werden: Der Kreml lässt tausende ukrainische Kinder verschleppen – der Plan dazu lag schon vor Kriegsbeginn in der Schublade.
Kiew – Zehntausende, möglicherweise Hunderttausende ukrainische Kinder verschleppte Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Das Ziel: Ihre ukrainische Identität auszulöschen und sie zu Russen zu machen. Der Kreml hat das lange geplant, wie eine Analyse der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) zeigt.
Ukraine-Krieg: Kreml-Dokumente belegen Putins Pläne, ukrainische Kinder zu verschleppen
Seit Beginn der völkerrechtswidrigen Invasion am 24. Februar 2022 hat Russland systematisch ukrainische Kinder aus besetzten Gebieten wie Luhansk, Donezk nach Russland gebracht – meist unter dem Vorwand „humanitärer Evakuierungen“, wie ISW berichtet. Ins Visier nahm Moskau dabei besonders Kinder in Waisenhäusern. Bereits vor dem Einmarsch existierten interne Kreml-Dokumente, datiert auf den 18. Februar 2022, die solche Maßnahmen vorbereiteten, wie ukrainische Menschenrechtsaktivisten nachwiesen. Entsprechende Vorwürfe über Kindesverschleppungen hatte die Ukraine schon 2022 geäußert.
Laut ukrainischen Behörden sind bisher über 19.000 Verschleppungen bestätigt. Schätzungen des Humanitarian Research Lab der Yale University gehen von bis zu 35.000 Kindern aus. Die tatsächlichen Zahlen könnten deutlich höher liegen: Russischen Angaben zufolge habe man bis Juli 2023 700.000 ukrainische Kinder „aufgenommen“, wie es von der Kinderrechtsbeauftragten Maria Lvova-Belova hieß. Gegen Lvova-Belova hatte der internationale Strafgerichtshof in Den Haag ebenso wie gegen Präsident Wladimir Putin im März 2023 einen Haftbefehl wegen ihrer Rolle bei der Verschleppung ukrainischer Kinder ausgesprochen.
Indoktrinierung der Kinder mit „militärisch-patriotischen“ Trainingskursen
Russlands Verbrechen an ukrainischen Kindern seien „bemerkenswert gut dokumentiert, insbesondere von den Tätern selbst“, so die Analyse der US-Kriegsexperten des ISW. Im Mai 2022 erließ Putin demnach ein Dekret, das es russischen Behörden erlaubt, „Kindern ohne elterliche Fürsorge“ ohne Zustimmung die russische Staatsbürgerschaft zu verleihen. In der Praxis soll das die Verbringung ukrainischer Kinder nach Russland legitimieren. Diese Kinder werden häufig in russische Lager gebracht – das Humanitarian Research Lab identifizierte mindestens 43 Einrichtungen, darunter 32 explizite „Umerziehungseinrichtungen“.
Russland nutze diese Lager, um ukrainische Kinder zu indoktrinieren, sie für ihre ukrainische Identität zu bestrafen und ihnen durch sorgfältig ausgearbeitete, vom Kreml genehmigte Lehrpläne und „militärisch-patriotische“ Trainingskurse prorussische Gefühle einzuflößen, heißt es vom ISW. All das hinterlasse bleibende psychische Spuren. Der ehemalige ukrainische Kinderrechtskommissar Mykola Kuleba bezeichnete diese Umerziehungsprogramme einmal als „Todeslager für die ukrainische Identität.“ Die Ukraine spricht mit Blick auf die Verschleppung der Kinder von Kriegsverbrechen, die der UN-Definition von Völkermord entsprechen.
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Putins Schattenkrieg gegen die Kindheit: „Ohne die Rückgabe der Kinder kein Frieden“
Manche Kinder werden zur Adoption freigegeben, oft unter neuem Namen und mit russischen Dokumenten, heißt es in dem ISW-Bericht weiter. Einige hochrangige russische Beamte mit Verbindungen zu Putin haben demnach selbst ukrainische Kinder adoptiert. Darunter auch die Kinderrechtsbeauftrage Lvova-Belova. Geburtsorte und Namen werden durch russische ersetzt, sodass die Spuren verwischen und weder Behörden noch Familienangehörige die Kinder wieder finden können. „Das russische Adoptionssystem verschluckt ukrainische Kinder in einem bürokratischen schwarzen Loch, dessen Grundprinzip die administrative Auslöschung der ukrainischen Identität ist“, so die ISW-Analyse.
Für ukrainische Jungen im Teenageralter besteht zudem das Risiko, in die russische Armee eingezogen zu werden und gegen ihre eigenen Landsleute kämpfen zu müssen – ein Tatbestand, der einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht darstelle, wie die ISW-Experten betonen. Unlängst waren Berichte von ukrainischen Kindern in russischen Trainingslagern bekannt geworden. Das Fazit der US-Denkfabrik lautet deshalb: „Ohne die Rückgabe der von Putin verschleppten Kinder kann es in der Ukraine keinen wahren Frieden geben.“
In den Gesprächen über Friedensverhandlungen hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auch die Freilassung von Gefangenen und die Rückkehr entführter ukrainischer Kinder in ihre Heimat betont. Bislang gelang es Kiew laut Angaben des Ministeriums für Reintegration, 1.277 ukrainische Kinder zurückzuholen, unter anderem über nichtstaatliche Organisationen und eigene Initiativen.