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G20-Gipfel in Indien

Politikwissenschaftlerin: „Bundesregierung muss die Entwicklungen in Indien im Blick haben“

Kinder feiern in Neu-Delhi die Landung der indischen Raumsonde Chandrayaan-3 auf dem Mond.
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Indien feiert die Landung der Raumsonde Chandrayaan-3 auf dem Mond: Aufgestiegen in den Kreis der Raumfahrtmächte

Die Welt schaut nach Indien – und wie viel Sorge muss die Welt vor Indien haben?

Seit kurzem ist Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde. Und mit seinen politischen und wirtschaftlichen Ambitionen macht es deutlich, dass es in der Reihe der Großmächte mitspielen will. Im Interview erklärt die Politikwissenschaftlerin Mayssoun Zein Al Din, wie Deutschland und Europa mit Indien umgehen sollte.

Frau Dr. Zein Al Din, seit heute schaut die Welt nach Indien. Beim G20-Gipfel wird das Gastgeberland seine Fortschritte unterstreichen und Vorzüge untermauern. Wie viel Sorge muss die Welt vor Indien haben?
Mayssoun Zein Al Din: Die Welt sollte Indiens Rolle beim G20-Gipfel mit Optimismus und Hoffnung entgegenblicken. Während Indien sich seiner Herausforderungen bewusst ist, legt es ein unermüdliches Engagement für Innovation und nachhaltiges Wachstum an den Tag und verzeichnet erhebliche Beiträge in Wissenschaft und Technologie. Dies trägt auch positiv zum globalen Wachstum und zu Stabilität bei. Insgesamt wird Indien die Präsidentschaft sicherlich dafür nutzen, enger mit globalen Partnern, einschließlich der EU, zusammenzuarbeiten.
Was macht Indien aus Ihrer Sicht besser als der Westen?
Mayssoun Zein Al Din: Indien und der Westen sind in vielerlei Hinsicht sehr unterschiedlich. Zu den bemerkenswerten Stärken Indiens gehören sicherlich die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit seiner vielfältigen Bevölkerung. Spannend ist auch die Entwicklung Indiens zu einem globalen Zentrum für Informationstechnologie und Softwareentwicklung, damit trägt das Land zu bedeutenden technologischen Innovation bei.
Ein weiterer wichtiger Bereich, in dem Indien uns vorausgeht, betrifft seine pharmazeutische Industrie. Indien spielt eine entscheidende Rolle bei der Herstellung von erschwinglichen generischen Medikamenten, die in vielen Teilen der Welt benötigt werden. Ein letzter entscheidender Unterschied zu Europa ist Indiens demographisches Potential, seine große, junge Bevölkerung, die wirtschaftliches Wachstum und Innovation bedingt.
An dieser Stelle weise ich gern auf Indiens Rolle in den geostrategischen Veränderungen der Welt. Indien beobachtet die schwelenden Weltordnungskonflikte sehr genau und beherrscht in ausgezeichneter Weise das strategische Spiel, darauf zu reagieren. Dabei kann Indien seine Interessen und seine Chancen sehr gut platzieren. Europa tut das leider nicht.
Neidvolle Blicke erntet Indien auch aus China. Das soll auch eines der Gründe sein, warum der chinesische Staatspräsident Xi nicht nach Delhi reisen will. Verliert China den Anschluss?
Mayssoun Zein Al Din: Bei aller Bewunderung für das, was Indien in den vergangenen Jahren gelungen ist, können wir nicht über seine massiven Probleme hinwegsehen. Eine existentielle Armut gerade in den ländlichen Regionen, ein marodes Bildungssystem, das nur einer kleinen Elite zugute kommt und die gesellschaftlichen Herausforderungen seit Amtsantritt der Regierung unter Premierminister Narendra Modi: Religiöse Konflikte im Land verschärfen sich. Der Hindu-Nationalismus und der politische Islamismus spielen heute eine größere Rolle als in der Vergangenheit, und vieles mehr.
Beide große Nationen sind sich über ihre Herausforderungen bewusst, agieren aber mit wachsendem Selbstbewusstsein bei der Gestaltung der Zukunft der Welt. Dabei ist China weit davon entfernt, seinen Anschluss zu verlieren, China bestimmt die sich entwickelnde globale Dynamik in entscheidender Weise.
Warum tut die Bundesregierung weiterhin gut daran, sich intensiv mit den indischen Fortschritten zu beschäftigen?
Mayssoun Zein Al Din: Nicht nur die Bundesregierung muss die Entwicklungen in Indien im Blick haben. Auch andere Regierungen tun das und profitieren davon.
Bei der Suche nach Lösungen für internationale Herausforderungen ist eine Zusammenarbeit mit Indien wichtig. Indien ist ein bedeutender Akteur in der globalen Geopolitik und ein Mitglied von Organisationen wie den BRICS und der G20. Wir erleben einen schwelenden Weltordnungskonflikt zwischen China und den USA. Die Sicherheit und Stabilität in der Region Südasien sind von globaler Bedeutung geworden. Indien kann zur Förderung von Frieden und Sicherheit in der Region beitragen.
Indiens schnelles Wirtschaftswachstum und sein großer dynamischer Verbrauchermarkt bieten erhebliche Chancen für deutsche Unternehmen und Investoren.
Nicht zu vernachlässigen sind Indiens hochqualifizierte Fachkräfte, die für uns als Industrienation, gerade angesichts des Fachkräftemangels, den wir seit Jahren erleiden, extrem wichtig geworden sind.
Was für den Weltraum entwickelt wird, revolutioniert Jahre später meist auch die Technik auf der Erde. Hat die dritte Welt im Weltall die erste Welt auf der Erde längst überholt?
Mayssoun Zein Al Din: Die Raumfahrt ist zweifellos ein Motor für technologischen Fortschritt und Innovationen, die unser Leben auf der Erde verbessern können. Unstrittig ist auch, dass Länder des Globalen Südens erhebliche Fortschritte in der Weltraumforschung gemacht haben und diese dafür nutzen, ihre Rolle in der Mächtekonstellation des 21. Jahrhunderts kraftvoll zu unterstreichen.
Die Erfolge der Länder des Globalen Südens im Weltraum sind großartige Meilensteine und tragen zum globalen Wissenspool bei, sie bedeuten aber nicht, dass sie die Industrienationen auf breiter Front überholen. Weltraumforschung und technologische Innovation sind komplexe und vielschichtige Prozesse. Viele Faktoren tragen zu deren Erfolg bei, darunter politische Entscheidungen, Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, Bildungssysteme und der Zugang zu Ressourcen. Die Länder des Globalen Südens müssen noch immer mit massiven Herausforderungen auf der Erde umgehen, wie Armut, Unzureichende Bildung, soziale Ungleichheit und vieles mehr.
Nach wie vor sind die USA ungebrochen der wichtigste weltraumpolitische Akteur. Aber es sind eben im Vergleich zur Mitte des 20. Jahrhunderts deutlich mehr Staaten und nicht zuletzt und vor allem auch private Unternehmen geworden, die sich im Weltraum engagieren. Das Bild ist insgesamt bunter geworden und dies bringt neue politischer Herausforderungen mit sich.

Zur Person

Die promovierte Politikwissenschaftlerin Mayssoun Zein Al Din ist Geschäftsführende Direktorin der Nordrhein-Westfälischen Akademie für Internationale Politik (englisch: Academy of International Affairs NRW) mit Sitz in der Bundesstadt Bonn. Sie widmet sich den globalen Herausforderungen und Strukturveränderungen der internationalen Politik im 21. Jahrhundert. Im Zentrum der Akademie steht mit einem Fellowship-Programm die Förderung wissenschaftlicher Exzellenz sowie die internationale und interdisziplinäre Vernetzung.

Mayssoun Zein Al Din, Geschäftsführerin der Nordrhein-Westfälischen Akademie für Internationale Politik

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