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Soldaten hadern mit Moskauer Reaktionen
„Werden uns nie erholen“: In Russland nehmen Zweifel und Angst vor Putins Kurs zu
Berichte mehren sich, wonach Teile der russischen Bevölkerung den Ukraine-Krieg ablehnen und mit der eigenen Armee Russlands nichts zu tun haben wollen.
Moskau – Es regt sich kein Protest in Russland gegen den Ukraine-Krieg? Dass das nicht stimmt, versinnbildlicht die bereits 77-jährige Künstlerin Jelena Ossipowa. Sie wird laut ZDF im Volksmund als das „Gewissen von Sankt Petersburg“ bezeichnet, weil sie im hohen Alter mit Plakaten auf offener Straße gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukrainer protestiert.
Ukraine-Krieg: „Gewissen von Sankt Petersburg“ kritisiert Russland
„Es gibt recht viele Menschen, die nicht alles verstehen. Sie kommen dann zu mir, die ich im Rollstuhl sitze, und sie sagen: ‚Wenn ich protestiere, verliere ich meinen Job, dann verliere ich alles.‘ Verstehen sie? Die Gesetze sind jetzt so geschrieben worden“, erzählt Ossipowa in der jüngst veröffentlichten Reportage „Machtpoker an der Ostsee“ des ZDF. „In welche Richtung hat sich Deutschland damals bewegt? Wir haben jetzt die gleiche schwere Krankheit wie einst Deutschland. Es ist genau dasselbe“, sagt sie mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg.
Sie ist kein Einzelbeispiel. Berichten zufolge wachsen in der Russischen Föderation die Zweifel an dem als Spezialoperation bezeichneten völkerrechtswidrigen Überfall. Und die Angst davor, was die aggressive Politik von Kreml-Autokrat Wladimir Putin dem eigenen Land noch alles an Ungemach beschert.
„Russland bedarf einer Rehabilitierung nach schwerer Krankheit“, schrieb Ossipowa auf eines ihrer Plakate, wegen derer sie schon mehrmals festgenommen und zu Geldstrafen verurteilt wurde. Nicht nur sie hadert und zweifelt. Laut amerikanischem Nachrichtenmagazin Newsweek veröffentlichte der Militärgeheimdienst der Ukraine (GUR) kürzlich Audioaufnahmen eines angeblich abgehörten Telefongesprächs zwischen zwei russischen Staatsbürgern, in dem sie den schlechten Zustand des Landes unter Putin beklagen.
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Dass sich das Land „vielleicht nie wieder erholen wird“, wenn Putin nicht bald von der Macht gestürzt werde, sollen die beiden Männer demnach diskutiert haben. Newsweek bemüht eine Übersetzung der Kyiv Post. „Es gab eine goldene Zeit. Die Menschen waren normal: Sie liebten, respektierten und halfen einander. Und jetzt haben sie sich in so etwas wie Wölfe verwandelt“, sagte einer der Männer laut dem Bericht. Der andere Mann antwortete demnach: „Wir müssen möglicherweise noch 100 Jahre leben, um wieder die Standards der 1980er Jahre zu erreichen. Wenn man bedenkt, was diese Personen getan haben. Und wenn sie weitere zehn Jahre an der Macht bleiben, werden wir uns möglicherweise nie wieder erholen. Wir müssen darauf warten, dass sich die Menschen erheben und Maßnahmen ergreifen.“
Es gab eine goldene Zeit. Die Menschen waren normal: Sie liebten, respektierten und halfen einander. Und jetzt haben sie sich in so etwas wie Wölfe verwandelt.
Noch ein Beispiel: Laut pro-ukrainischer Kyiv Post veröffentlichte der russische Militär-Blogger Semyon Pegov vom Blog WarGonzo auf seinem Telegram-Kanal ein Interview mit zwei namentlich nicht genannten russischen Soldaten. Die zwei jungen Männer, die auf einem Screenshot gezeigt werden, erzählten demnach, dass sie in Moskau teils mit Abscheu betrachtet würden. Konkret: Wenn sie in Militäruniform in der Metro fahren würden, würden sie böse Blicke kassieren, schilderten sie. Die Informationen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
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„In der Tat distanzieren sich die Leute in der U-Bahn und sagen: ‚Bah, Mörder‘“, sagte einer der Soldaten laut Kyiv Post: „Du fährst mit der U-Bahn und die Leute starren dich an, weil du eine Uniform trägst. Auch ich bin nicht freiwillig gegangen, sondern habe eine Vorladung erhalten. (…) Aber wenn ich in den Urlaub komme, zeigen sie mit dem Finger auf mich.“ Einzelne Moskauer sollen ihn gefragt haben, warum er sich der Einberufung nicht entziehen konnte, erzählte der Soldat laut dem Bericht weiter.
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Und noch ein Beispiel: In der Stadt Perm in der Nähe des Uralgebirges sollen der Rektor und zehn Lehrer einer Schule aus Protest zurückgetreten sein, berichtet das oppositionelle russische Nachrichtenportal MediaZona. Denn: Kriegsbefürworter sollen den Pädagogen vorgeworfen haben, „patriotische“ Treffen mit „Veteranen der Sondermilitäroperation“, wie der Ukraine-Krieg offiziell genannt wird, abzulehnen. Stattdessen seien die Lehrer und die Schulleitung bemüht gewesen, den Kindern die Wahrheit über den Krieg zu sagen.
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Damit nicht genug: Nach dem kurzzeitigen Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin steige die Gefahr eines weiteren Putschversuchs, meinte Christo Grozew vom Investigativ-Portal Bellingcat kürzlich. Der Experte hatte bereits die Wagner-Rebellion vorhergesagt. In sechs Monaten werde Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin entweder tot sein oder einen neuen Aufstand starten, prognostizierte der Experte im Gespräch mit der Financial Times. Mit Ausnahme des Militärs stünde die russische Elite generell nicht hinter dem Ukraine-Krieg. Offenbar genau aus dieser Richtung vermutet Grozew einen möglichen neuen Aufstand. (pm)