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Umgekehrt gehisste Flagge

Skandal am US Supreme Court: Zeigte ein Richter Sympathie für die Capitol-Erstürmer?

Unruhe vor wegweisender Trump-Entscheidung: Ein US-Richter des Supreme Courts soll deutlich politische Stellung bezogen haben. Der gibt seiner Frau die Schuld.

Richmond, Virginia – Eine auf dem Kopf gehisste US-Nationalflagge vor dem Haus eines Supreme-Court-Richters hat in den USA erneut Zweifel an der Unbefangenheit des obersten US-Gerichts ausgelöst. Anhängerinnen und Anhänger Donald Trumps hatten die umgekehrte Flagge nach dessen Wahlniederlage im Jahr 2020 als Zeichen des Protestes gegen den Wahlausgang gewählt. Sie hatten behauptet, der Wahlsieg Joe Bidens sei unrechtmäßig erfolgt – ohne, dass bis heute jegliche Beweise hierfür vorlägen.

Symbol für Trump-Unterstützung: Flagge vor Haus von Samuel Alito sorgt für Skandal

Wie die New York Times berichtet, hing eine derartige verkehrt herum gehisste Flagge Anfang 2021 vor dem Wohnhaus des konservativen US-Supreme-Court-Richters Samuel Alito in Alexandria im Bundesstaat Virginia. Bei ihrem Bericht beruft sich die New York Times auf Fotos und Interviews mit Nachbarinnen und Nachbarn des hochrangigen Juristen. Demnach wurde die Flagge gehisst, kurz nachdem das US-Kapitol von Trump-Unterstützerinnen und Unterstützern gestürmt worden war.

Das Foto der umgekehrten Flagge in Alito’s Haus wurde nur elf Tage nach der Erstürmung des US-Kapitols durch eine Gruppe von Trump-Anhängern am 6. Januar aufgenommen, als der Kongress Bidens Sieg bestätigte. Gegenüber der New York Times stritt Alito ab, die Flagge selbst vor seinem Haus angebracht zu haben. „Ich war in keiner Weise an der Hissung der Flagge beteiligt“, soll er mitgeteilt haben. Stattdessen sei die Flagge kurzzeitig von seiner Frau Martha-Ann falsch herum vor dem Haus angebracht worden – „als Reaktion auf die Verwendung anstößiger und beleidigender Worte auf Gartenschildern durch einen Nachbarn“, heißt es demnach.

Unruhe schon vor Alito: Clarence Thomas im Fokus von Ethik-Debatte um US-Supreme Court

Alito ist nicht der erste hochrangige Richter, der sich Anschuldigungen einer mögliche politische Parteinahme entgegensieht. Richter Clarence Thomas war ebenfalls mit der Aufforderung konfrontiert, sich von Trumps Immunitätsverfahren zurückzuziehen, nachdem seine Frau Ginni gesagt hatte, sie habe vor dem Anschlag vom 6. Januar an einer Kundgebung des ehemaligen US-Präsidenten teilgenommen. Thomas geriet zudem unter Druck, nachdem bekannt wurde, dass er sich seit Jahrzehnten Luxus-Urlaube vom Unternehmer Harlan Crow finanzieren ließ. Crow ist einer der Großspender der Republikaner und treibt konservative Interessen in der Politik voran.

Nach den Skandalen um Thomas verabschiedete der US-Supreme Court im November seinen ersten Ethik-Kodex. Kritisiert wurde, dass es ihm an klaren Durchsetzungsmaßnahmen fehle, wie Richterinnen und Richter des Supreme Courts zur Rechenschaft gezogen werden könnten.

Oberster Gerichtshof in den USA: Das sind die Richter und Richterinnen des Supreme Court

Die aktuelle Besetzung des Supreme Court of the United States.
Der Supreme Court of the United States ist seit dem Jahr 1790 das oberste rechtsprechende Organ der USA und tagt in Washington. Insgesamt gibt es am Supreme Court neun Richter und Richterinnen, die vom amtierenden US-Präsidenten auf Lebenszeit ernannt werden. Die Gesamtbesetzung besteht aus dem Chief Justice, dem obersten Richter der Vereinigten Staaten, und den Associate Justices, den acht beigeordneten Richtern und Richterinnen. © Imago/Supreme Court of the United States
Oberster Richter der Vereinigten Staaten, John Roberts.
Er ist der oberste Richter der Vereinigten Staaten: Der 67-Jährige John Roberts wurde im Jahr 2005 vom damals amtierenden Präsidenten George W. Bush als Nachfolger von Sandra Day O’Connor ernannt. Vom 16. Januar 2020 bis zum 5. Februar 2020 leitete er das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump im Senat. John Roberts ist seit 1996 mit der Rechtsanwältin Jane Marie Sullivan verheiratet und hat zwei adoptierte Kinder, Jack und Josie.  © IMAGO/Pool via CNP /MediaPunch
Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Clarence Thomas.
Clarence Thomas ist seit dem Jahr 1991 Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Er identifiziert sich in der Gesellschaftspolitik mit konservativen und katholischen Positionen. Der 74-Jährige ist bekannt dafür, bei Verhandlungen keine Fragen zu stellen. 1984 ließ er sich von seiner ersten Frau Kate Ambush scheiden, mit der er seit 1971 verheiratet gewesen war. Im Jahr 1987 heiratete er Virginia „Ginni“ Lam. Sie geriet in den Fokus der Ermittlungen zum Sturm auf das Kapitol in Washington 2021. Per SMS soll sie Mark Meadows, den ehemaligen Stabschef im Weißen Haus, aufgefordert haben, alles zu tun, „um die Wahl von 2020 rückgängig zu machen“.  © IMAGO/Eric Lee
Richter des Obersten Gerichtes Supreme Court, Samuel Alito.
Samuel Alito ist seit 2006 Teil des Supreme Court. Alito kam in New Jersey als Sohn italienischer Einwanderer zur Welt .Er ist Katholik und hat mit seiner Frau Martha-Ann einen Sohn und eine Tochter. Alito neigt dazu, den Auffassungen von Exekutivbehörden großes Gewicht zuzumessen, vor allem in Straf- oder Einwanderungsverfahren. Dementsprechend fallen seine Urteile oft zuungunsten von Angeklagten, Asylsuchenden oder Einwanderern aus.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richtern im Obersten Gerichtshof in den Vereinigten Staaten, Sonia Sotomayor.
Ihr wurde Rassismus vorgeworfen: Die 68-jährige Sonia Sotomayor ist seit 2009 Richterin am Obersten Gerichtshof. US-Präsident Barack Obama nominierte sie für dieses Amt. Sonia Sotomayor, deren Eltern aus Puerto Rico stammen, wuchs in der Bronx auf. Erst nach dem Tod ihres Vaters, als sie neun Jahre alt war, erlernte Sotomayor die englische Sprache fließend, da der Vater zuvor nur Spanisch mit ihr gesprochen hatte. Sotomayor wurde im Zuge ihrer Nominierung vom republikanischen Politiker Newt Gingrich Rassismus vorgeworfen. Sie hatte in einer Rede 2001 die Erfahrung einer „weisen Latina“ („wise latina“) als höherwertig als die eines männlichen Weißen dargestellt.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richterin am Supreme Court der Vereinigten Staaten, Elena Kagan.
Elena Kagan ist seit Anfang August 2010 Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Sie ist das 112. Mitglied des Obersten Gerichts und die vierte Frau in diesem Amt. Ihre Nominierung wurde kritisiert, weil Kagan nie als Richterin an einem Gericht tätig war. Vereinzelt wurde vermutet, sie sei mehr politische Aktivistin als Juristin. Die Anhörungen im Senat dauerten etwa einen Monat. Letztendlich wurde ihre Ernennung durch den Senat mit 63:37 Stimmen bestätigt. © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Neil Gorsuch.
Er wurde von Donald Trump nominiert: Neil Gorsuch ist seit 2017 Richter am Supreme Court. Er nahm die nach Antonin Scalias Tod über ein Jahr vakante Stelle ein. Zuvor war der als konservativ geltende Gorsuch von 2006 an Bundesrichter gewesen. Neil Gorsuch ist der Sohn von Anne Gorsuch Burford, die von 1981 bis 1983 im Kabinett Reagan die erste Administratorin der Environmental Protection Agency (EPA) war. Der 55-Jährige ist verheiratet und hat zwei Töchter.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Brett Kavanaugh.
Er sorgte für Wirbel und FBI-Ermittlungen: Brett Kavanaugh ist seit 2018 ist er Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Als seine Ernennung durch den Senat der Vereinigten Staaten geprüft wurde, warfen ihm mehrere Frauen vor, sie in seiner Jugend sexuell bedrängt zu haben. Diese Vorwürfe und sein Verhalten vor dem Justizausschuss führten zu heftigen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Daraufhin eingeleitete Ermittlungen des FBI, ebenso wie die sechs bereits zuvor vom FBI durchgeführten Background-Checks, bestätigten die Vorwürfe nicht. Seit 2004 ist Kavanaugh mit der ehemaligen persönlichen Sekretärin von George W. Bush verheiratet und hat zwei Töchter mit ihr.  © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Amy Barrett.
Amy Coney Barrett wurde am 26. September 2020 von Donald Trump als Nachfolgerin der am 18. September 2020 verstorbenen langjährigen Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Ruth Bader Ginsburg, nominiert. Barrett wurde mit der Mehrheit von 52 gegen 48 Stimmen vom Senat der Vereinigten Staaten bestätigt. Die 50-Jährige wird häufig als „biegsam und manipulierbar“ kritisiert. Barrett ist seit 1999 mit dem Rechtsanwalt Jesse M. Barrett verheiratet. Das Ehepaar hat sieben Kinder, darunter zwei ursprünglich aus Haiti stammende Adoptivkinder. Eines ihrer leiblichen Kinder hat das Down-Syndrom. © IMAGO/Eric Lee - Pool via CNP
Richterin am Obersten Gerichtshof, Ketanji Brown Jackson.
Sie ist die erste schwarze Frau im Supreme Court: Ketanji Brown Jackson wurde in diesem Jahr von Präsident Joe Biden für das Amt nominiert. Vom Senat wurde sie mit 53 Ja-Stimmen bei 44 Nein-Stimmen bestätigt. Dabei erhielt sie die Zustimmung aller Senatoren aus der Fraktion der Demokraten, während von den Republikanern nur Susan Collins, Lindsey Graham und Lisa Murkowski mit „Ja“ stimmten. Politische Kommentatoren erwarten, dass Jackson eine verlässliche liberale Stimme im Supreme Court sein wird. © IMAGO/Eric Lee

Unparteiisch bleiben, politische Äußerungen vermeiden: Das sagt der Ethik-Kodex des Supreme Courts

Der Ethik-Kodex, der dem seit langem bestehenden Kodex für untere Gerichte ähnelt, besagt, dass Richterinnen und Richter des obersten US-Gerichts unparteiisch bleiben und politische Äußerungen zu Themen vermeiden müssen, mit denen sie befasst werden könnten. Laut der New York Times, die sich auf eine Liste von Richtlinien beruft, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Supreme Courts ausgehändigt wurde, hat das Gericht seine Beschäftigten angehalten, öffentliche politische Äußerungen zu vermeiden. Das interne Regelwerk des Gerichts verbietet den Richterinnen und Richtern auch, Aufkleber auf ihren Autos anzubringen oder Schilder aufzustellen.

Samuel Alito, Richter am US-Supreme Court

„Richter sollen sich aus der Politik heraushalten“, schrieb die ehemalige Bundesstaatsanwältin Joyce Vance als Reaktion auf den Bericht der Times über X (ehemals Twitter). „Richter Alito scheint das nicht zu interessieren. Als ich die Schlagzeile der NYT sah, dachte ich, ein Vandale hätte die amerikanische Flagge auf dem Kopf stehend an Alito’s Haus angebracht oder das Foto sei eine tiefe Fälschung. Es stellt sich heraus, dass das nicht der Fall ist.“

Kritik auf X: Alito mache seine Frau zu Unrecht fürs Hissen der Flagge verantwortlich

Andere Stimmen auf X hoben Alito’s Aussage hervor, seine Frau für die Platzierung der Flagge vor seinem Wohnhaus verantwortlich zu machen. Zu ihnen gehört auch der Verfassungsrechtsprofessor Anthony Kreis, der am Georgia State University College of Law lehrt: „‚Nimm das‘, sagte Samuel Alito, als er eine Flagge verkehrt herum aufhing – ein traditioneller und normaler Weg, um seine Wut auf einen Nachbarn auszudrücken –, bevor er plante, alles auf seine Frau zu schieben, die glücklicherweise die Hauptlast seiner schlechten Entscheidungen tragen würde, wie es der Rest der Frauen in Amerika bald spüren würde“, schrieb Kreis auf dem Kurznachrichtendienst X. In einem weiteren Beitrag spaßte er: „Das ist meine Theorie des Falles.“

Anwalt Elie Mystal glaubt nicht an eine Unschuld des Supreme Court-Richters Alito

Elie Mystal, Anwalt und Justizkorrespondent des progressiven Nachrichtenmagazins The Nation, schrieb in seiner eigenen Reaktion auf X: „Ich finde es immer toll, wenn starke männliche Republikaner für persönliche Verantwortung ihre Frauen im erstbesten Moment vor den Bus werfen“, erklärte er. In einem darauffolgenden X-Beitrag fügte Mystal hinzu, dass er „nicht für eine einzige Sekunde glaubt“, Alito habe „keinen Anteil“ an der Aufstellung der umgekehrten Flagge.

Der umstrittene Vorgang wurde publik, einige Wochen nachdem der Supreme Court Argumente zur Frage gehört hat, ob Trump in seinem Fall der Wahluntergrabung durch die Immunität des Präsidenten geschützt ist. Es wird erwartet, dass der Oberste Gerichtshof der USA in den kommenden Wochen ein Urteil fällt. Ein richtungsweisendes Urteil, das durch Alitos und Thomas‘ ethische Verfehlungen sowie die Tatsache, dass zwei der neun Richterinnen und Richter von Donald Trump selbst in den Obersten Gerichtshof berufen wurden, nicht gerade mit einem Vertrauensvorschuss bedacht ist. (fh)

Rubriklistenbild: © picture alliance / Jae C. Hong/AP/dpa | Jae C. Hong

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