Rechtsruck in Europa
Wahl in Polen: Warschau auf anti-deutschem und EU-feindlichem Kurs
Neben der Parlamentswahl in Polen soll in einem Referendum auch über politische Kernthemen abgestimmt werden. Das ruft Kritik an der Regierungspartei hervor.
Warschau – Im Wahlkampf vor der für den 15. Oktober 2023 geplanten Parlamentswahl in Polen herrscht bereits seit Monaten ein rauer Ton. Und zwar nicht nur bei den Parteien untereinander, sondern auch gegenüber der von vielen Seiten verhassten EU und dem Nachbarland Deutschland, dem vor allem die nationalkonservative Regierungspartei PiS immer wieder Einflussnahme vorwirft. Die Spaltung weiter vorantreiben könnte nun auch ein für den Wahltag geplantes Referendum.
Dabei sollen die Menschen in Polen ausgerechnet über mehrere Fragen abstimmen, zu denen sich auch die amtierende Regierungspartei klar positioniert. Kritikerinnen und Kritiker werfen PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski deswegen vor, damit die Wahlberechtigten gezielt täuschen und die PiS an der Macht halten zu wollen.
Referendum zur Polen-Wahl: Bevölkerung soll über Grenzzaun und Staatsunternehmen abstimmen
Zu den bereits bekannt gegebenen Fragen zählen laut einem Bericht der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza die folgenden drei:
- „Unterstützen Sie den Ausverkauf von staatseigenen Unternehmen?“
- „Sind Sie für eine Anhebung des Renteneintrittsalters?“
- „Unterstützen Sie die Aufnahme Tausender illegaler Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika?“
Zur letzten Frage weist die Zeitung darauf hin, dass die Antwort des Referendums keine Auswirkung auf die in der EU geltenden Regeln über die Aufnahme von Geflüchteten habe und wirft der Partei vor, die Intelligenz ihrer Wählerinnen und Wähler zu beleidigen und nur gezielt Spaltung voranzutreiben.
Eine weitere Frage des Referendums, die am Montag durch Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak bekannt gegeben wurde, ist zudem „Unterstützen Sie die Beseitigung der Barriere an der Grenze zwischen Polen und Belarus?“ Der 5,5 Meter hohe Zaun entlang der 418 Kilometer langen polnisch-belarussischen Grenze ist erst im vergangenen Jahr errichtet worden. Hintergrund seines Aufbaus war neben wachsenden Sicherheitsbedenken aufgrund des Ukraine-Kriegs auch die Politik des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko, der im Winter 2021/2022 gezielt Geflüchtete einfliegen ließ, die von Belarus aus versuchen sollten, in die EU zu kommen. Kritische Stimmen warfen Lukaschenko damals vor, Geflüchtete „als Waffe“ einzusetzen.
Regierungspartei PiS in Polen: Warum kritische Stimmen ihr Populismus vorwerfen
Gerade die Frage nach dem Verkauf von Staatsunternehmen richtet sich dabei gezielt auf den anti-deutschen und EU-kritischen Kurs der Regierungspartei PiS. Das macht auch ein von der Tagesschau zitierter Video-Beitrag Kaczynskis deutlich, in dem er vergangene Woche die erste Frage für das Referendum ankündigte und Deutschland vorwarf, das Land wolle seinen politischen Opponenten Donald Tusk „in Polen einbetten, um polnische Vermögenswerte zu privatisieren und zu veräußern“.
Tusk, der Oppositionspolitiker der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) ist, war nicht nur von 2007 bis 2014 Regierungschef in Warschau, sondern auch 2014 bis 2019 Präsident des Europäischen Rates. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, wird er vonseiten der aktuellen Regierungspartei regelmäßig als Marionette Berlins dargestellt. In anderen Fällen warf man ihm dagegen auch schon vor, die Interessen Russlands zu vertreten.
Polen-Wahl im Oktober: Aktuelle Wahlumfragen prognostizieren knappen Ausgang
Dass die anti-deutsche Wahlkampfstrategie aus dem Referendum, allein wegen des großen Anteils „misstrauisch bis feindlich“ gegenüber dem Nachbarland eingestellter Polinnen und Polen in der Bevölkerung aufgehen könnte, befürchtet laut AFP auch der Warschauer Politikwissenschaftler Marcin Zaborowski: Seiner Ansicht nach werde es am Wahltag dadurch nicht mehr nur um „eine einfache Wahl zwischen PiS und Opposition“ gehen, sondern um den „allgemeinen Blick“ auf die Welt.
Aktuellen Wahlumfragen zufolge wird es im Gegensatz zur letzten Parlamentswahl in Polen 2019 als PiS mit 43,6 Prozent und großem Vorsprung vor der Opposition gewann, nämlich äußerst eng. Während die Rechtskonservativen derzeit bei Werten um 33 Prozent einpendeln, liegt Tusks PO mit 26 bis 32 Prozent nur knapp dahinter. Einem Bericht des ZDF zufolge könnte sich damit eine Regierungskoalition der PiS mit der rechtsextremen Partei Konfederacja anbahnen, die zahlreiche Umfragen inzwischen bei über zehn Prozent sehen. (saka mit AFP/dpa)
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