„Trump nun in einer Reihe mit JFK“
Was auf das Trump-Attentat folgt: USA-Expertin bangt um die Demokratie einer „verstörten Nation“
Donald Trump kreiert in Lebensgefahr einen ikonischen Moment. Politologin Christiane Lemke sieht „fast ein Lehrbeispiel für politisch-mediale Inszenierung“.
Berlin – Sie hat sich vorgenommen, auch über die kommende US-Wahl ein Buch zu schreiben. So richtig weiß Christiane Lemke aber noch nicht, wo sie anfangen soll – so viele Gedanken regen sich in ihr. Ihren ursprünglichen Arbeitstitel „Herausforderungen für die Demokratie“ hat sie inzwischen gestrichen. „Es geht ja längst nicht mehr nur um die Rhetorik von Donald Trump und seinen rechten Populismus“, erklärt die USA-Expertin im Gespräch mit IPPEN.MEDIA, „es geht an die Grundfesten der amerikanischen Demokratie.“
Ihre Sorge um die älteste Demokratie der Welt ist seit dem Attentat auf Donald Trump noch einmal gewachsen. „Dieser Angriff wird die USA gesellschaftlich und politisch noch tiefer spalten”, sagt Lemke, Professorin an der Leibniz-Universität Hannover. „Wir erleben eine verstörte Nation.“
Trump ruft „fight, fight, fight“ und sucht noch während des Angriffs die Kameras
Während eines Wahlkampfauftritts des designierten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump in Butler, Pennsylvania, waren am Samstag Schüsse gefallen. Dem früheren US-Präsidenten wurde dabei nach eigenen Angaben ein Ohr durchschossen, nach Angaben seines Wahlkampfteams geht es ihm jedoch gut. Durch die Attacke starb ein Zuschauer, zwei weitere wurden schwer verletzt, wie der Secret Service mitteilte. Der mutmaßliche Schütze wurde den Informationen zufolge getötet.
Das Attentat löste weltweit Entsetzen aus. Wie US-Präsident Joe Biden verurteilten zahlreiche Politiker und Politiker politisch motivierte Gewalt. Trump selbst suchte im Angesicht größter Bedrohung die Kameras. „In diesem Moment der Lebensgefahr hat Trump die Situation für sich genutzt und ein ikonisches Bild geschaffen, indem er die Faust nach oben gerissen und ‚fight, fight, fight‘ gerufen hat“, erklärt Lemke. „Er hätte ja auch geduckt bleiben können.“
Das Trump-Attentat wird gravierende Folgen für den US-Wahlkampf haben
Trump aber folgte seinem politischen Instinkt. „Er schafft es, in gewissen Situationen medientauglich zu reagieren“, sagt Lemke, die auch an der Universität von North Carolina at Chapel Hill lehrt. Diese Qualität habe sich jetzt mehr denn je für ihn ausgezahlt: „Bei aller Tragik ist dieses Bild fast schon ein Lehrbeispiel für eine politisch-mediale Inszenierung.“
Das Trump-Attentat wird gravierende Folgen für den Wahlkampf haben. Die US-Amerikaner verlieren stetig das Vertrauen in die Institutionen des Landes. Der Secret Service ist für die Sicherheit von Präsidenten und früheren Präsidenten zuständig. Nicht wenige Wahlberechtigte zweifeln nach dieser Tat an der Integrität der Sicherheitsbehörden. „Anhänger von Donald Trump werden sich in ihrer Auffassung bestätigt sehen, dass es sich um eine große Verschwörung handelt“, prognostiziert Lemke. „Es werden bereits Spekulationen über den Secret Service geäußert, der Trump nicht richtig geschützt habe.“
Trump nach Attentat „in einer Reihe mit John F. Kennedy“ – jedenfalls in der Google-Suche
Die Republikaner werden ihren Parteikongress in MiIwaukee wohl nutzen, um nach der Tat politische Geländegewinne zu erzielen. Trump werde sich über die nächsten Monate bis zur US-Wahl im November als amerikanischer Held in Pose setzen, erwartet Lemke. „Nun kennt auch das letzte Kind im Mittleren Westen seinen Namen. Er hat noch einmal enorm an Popularität hinzugewonnen.“ Die Politikwissenschaftlerin hat vor dem Nominierungsparteitag der Republikaner gegoogelt: „Wenn man jetzt nach ‚John F. Kennedy‘ und ‚Attentat‘ sucht, wird direkt auch Donald Trump aufgelistet. Er steht jetzt in einer Reihe mit JFK“, betont Lemke. „Das allein zeigt schon die historische Bedeutung dieses Bildes.“
Die Demokraten stecken indes in einer schwierigen Lage, wie Lemke erläutert: „Sie stellen ihren Wahlkampf jetzt für ein paar Tage zurück. Aber auch anschließend werden sie Trump persönlich nicht mehr so hart angreifen können, wie sie es bisher getan haben.“ Ursprünglich von den Demokraten gesetzte Themen wie Frauenrechte würden an den Rand gedrängt. „Dafür wird es jetzt noch viel häufiger um Waffengewalt und Einwanderung gehen.“
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