Pistorius pocht auf Schnelligkeit
Schutzschild über Europa: Pistorius will in den USA kaufen – Frankreich das Geld in Europa behalten
Deutschland und Frankreich streiten darüber, wie Europa seine Luftverteidigung verbessern soll. Verteidigungsminister Pistorius macht eine deutliche Ansage.
Paris/Berlin – Seit geraumer Zeit streiten Deutschland und Frankreich über die Frage, ob europäischer Länder für die Luftverteidigung mehr Waffen in den USA kaufen oder sich stattdessen auf interne Produktionen stützen sollten. Wie in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und seinem französischen Kollegen Sébastien Lecornu öffentlich wurde, ist man sich in der Frage weiterhin unein: Geld gegen Zeit, lautet die Debatte.
„Was uns wichtig ist, ist, dass wir so schnell wie möglich ein Schutzschild über Europa haben“, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius der französischen Zeitung Le Monde. „Wir sind bereit, nicht-europäische Systeme zu kaufen, während wir darauf warten, dass wir unsere eigenen Systeme in Europa entwickelt haben.“ Man könne sich in Europa laut Pistorius nicht erlauben, Zeit zu verlieren – was als Anspielung auf die angespannte Sicherheitslage in Europa seit des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gesehen werden kann.
Pistorius will Waffen für Luftverteidigung in den USA kaufen – Frankreich das Geld in Europa behalten
Pistorius versicherte zwar, dass die europäische Verteidigungsbranche und auch die französische Industrie wichtige Partner seien, sie könnten aber nicht alles liefern, was man benötige. „Die USA sind unsere Verbündeten, unser größter Partner in der NATO. Es ist völlig vertretbar, amerikanische Systeme zu kaufen“, so Pistorius.
In Frankreich ist man hinsichtlich der Luftverteidigung anderer Meinung. „Zu einem Zeitpunkt, zu dem die europäischen Steuerzahler viel Geld auf den Tisch werden legen müssen und zu dem Europa eher versucht, die europäische Verteidigungsindustrie zu favorisieren, wird jeder zustimmen, dass wir unsere Autonomie nicht durch den Kauf des amerikanischen Patriot-Systems stärken“, sagte Sébastien Lecornu im Interview und griff damit erneut Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron aus dem Juni auf.
Macron versucht seit geraumer Zeit, die europäischen Länder davon zu überzeugen, Verträge mit der Industrie des EU-Blocks abzuschließen, statt europäische Gelder unter anderem für US-amerikanische Unternehmen auszugeben.
Deutschland und Frankreich streiten über Waffen-Projekte für Europa: Auch der Panzer-Deal stockt
Hintergrund der Diskussion ist das Projekt „European Sky Shield Initiative“ (Essi), das besonders angesichts des Ukraine-Kriegs helfen soll, Lücken im Nato-Schutzschirm für Europa zu schließen. Plan ist es, ein vierstufiges Luftverteidigungssystem zu schaffen, das vom sofortigen Schutz des Kampffelds bis hin zur Abwehr von Bedrohungen aus größerer Entfernung reicht. Zu dem Projekt gehört auch der von Deutschland erwünschte Kauf des weitreichenden israelischen Systems Arrow 3. Mittlerweile beteiligen sich 19 Staaten an dem Projekt. Frankreich ist aufgrund Macrons Wunsch nach einer strategischen Autonomie Europas nicht dabei.
Neben des Ausbaus der Luftverteidigung wollen Deutschland und Frankreich gemeinsam Panzer und Militärflugzeuge entwickeln. Um den Plan weiter zu besprechen, wollen sich Pistorius und Lecornu am Donnerstag in Evreux treffen. Beide Rüstungsprojekte erweisen sich aktuell als schwierig, da Politik und Industrie unterschiedliche Interessen verfolgen. Pistorius bekräftigte unterdessen, dass beide Länder an dem Projekt festhalten und „damit das Fundament zu einem der modernsten Panzersysteme der Welt zu schaffen“, so der Verteidigungsminister im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. (nz mit afp-Material)
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