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Radikale Emotionalität

„Emotionale Reife fehlt“: Auftreten von Olaf Scholz ist laut Neurowissenschaftlerin problematisch

Politik geht nur mit Emotionen, sagt eine Medienpsychologin und hat Vorschläge, was Olaf Scholz und die Ampel-Regierung besser machen könnten.

 „Jede Entscheidung, die wir treffen, basiert auf Emotionen“, sagt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Das menschliche Gehirn funktioniert nicht über Fakten, sondern über unsere Gefühle. Nicht Zahlen, Daten und Diagramme machen Politik, sondern Angst, Wut und Liebe. Momentan passiere das jedoch komplett ungesteuert, kritisiert sie.

Statt Emotionen clever zu nutzen, setze auch die Ampel-Regierung vor allem auf Fakten. „Politikern und Politikerinnen fehlt es an emotionaler Reife“, sagt Urner. Sie ist Professorin für Medienpsychologie an der Media University in Köln und hat mit ihrem neuen Buch „Radikal Emotional“ eine Anleitung geschrieben, wie alle (auch der aufgrund seiner Nüchternheit gern als „Scholzomat“ bezeichnete Olaf Scholz) in drei Schritten zur emotionalen Radikalität gelangen können.

Neurowissenschaftlerin über Politik: „Ohne emotionale Nähe ist die Tür zu“

„Für radikale Emotionalität braucht es radikale Aufmerksamkeit, Ehrlichkeit und Verbundenheit“, erklärt Urner. Wir müssen unsere Gefühle verstehen, sie ehrlich kommunizieren und die Gefühle anderer verstehen wollen. Alles Dinge, die in der politischen Debatte zu kurz kommen. Statt Diskussionen zu Atomkraft oder zum Paragraf 218 (Schwangerschaftsabbrüche) wirklich emotional zu führen, greifen Amtsträger zu Rationalität. Sie wollen ja nicht polarisieren, nicht populistisch sein.

Das Problem: „Je lauter die Forderung nach Rationalität, desto emotional aufgeladener werden die Debatten“, sagt Urner. „Hier kommt Olaf Scholz ins Spiel, der sich besonders emotionsbefreit gibt. Damit vermittelt er eine Pseudo-Sachlichkeit, denn auch er hat sehr viele Emotionen, die seinen Entscheidungen zugrunde liegen“, sagt die Neurowissenschaftlerin. „Trifft diese Pseudo-Sachlichkeit auf Menschen mit anderen Überzeugungen, dann kommt es unweigerlich zu Konflikten. Denn für Letzere fühlt sich Scholz‘ Argumentation zurecht falsch an, weil er seine Werte nicht radikal ehrlich mitteilt.“

Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt die Moldauische Präsidentin. (Archivbild)

Wie könnte eine radikal emotionale politische Diskussion aussehen? Zum Beispiel hätten die Grünen bei der Atomausstiegsdebatte nicht nur mit Zahlen argumentieren sollen (zum Beispiel, wie viel Strom Atomkraft produziert), sondern hätten radikal ehrlich argumentieren müssen, dass sie ein „sauberes Land“ wollen, ein emotionaler Aspekt, der vielleicht auch bei Politikern der AfD auf Verständnis stieße. „Studien und Fakten sind zentral“, sagt Urner. „Aber ein emotionaler Zugang ist der Schlüssel, der die Tür zum Gehirn öffnet, um die Fakten hereinzulassen. Ohne emotionale Nähe ist die Tür zu.“

Was die AfD beim Thema Emotion richtig macht

Der rasante Aufstieg der AfD ist für Maren Urner nicht verwunderlich. „Die Kampagnen der AfD zeigen eindrücklich, wie sehr Menschen über Emotionen funktionieren“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland. „Wenn auf einem Wahlplakat der AfD steht ‚Mut zur Wahrheit‘, kann es absurder nicht werden.“ Schließlich verbreite die Partei zahlreiche Falschinformationen. Deswegen spreche sie so gerne davon, dass wir in „Absurdistan“ leben.

Besonders wichtig sei der emotionale Zugang in Krisenzeiten, in denen wir uns mit dem Nahost-Konflikt, dem Ukraine-Krieg, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Klimakrise befinden. „Der historische Blick zeigt: Diktatoren waren immer dann besonders erfolgreich, wenn die Bevölkerung besonders verunsichert und die Angst besonders groß war.“ In einem solchen Zustand seien Menschen nicht in der Lage, konstruktive Debatten zu führen.

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

Brauchen Politiker eine „emotionale Reifeprüfung“?

In ihrem Buch fordert die Professorin für Medienpsychologin ein Ministerium der Liebe beziehungsweise Verbundenheit und wirft die Idee in den Raum, dass Politiker und Politikerinnen erst eine „emotionale Reifeprüfung“ bestehen sollten, bevor sie wichtige Entscheidungen treffen. Vielleicht bräuchte es Mediatoren, die Debatten im Bundestag immer wieder auf das Emotionslevel zurückleiten können, überlegt Urner.

Aber nicht nur dort müssten wir ansetzen: „Das Private ist politisch und das Politische ist privat“, sagt Urner. Am Ende gehe es immer um unser Zusammenleben und die Politik sei, genauso wie die sozialen Medien, nur ein Instrument, um dieses Zusammenleben zu gestalten. Deswegen sei auch bei jedem einzelnen wichtig, radikal aufmerksam, ehrlich und verbunden zu sein. Dazu gehöre vielleicht auch, den AfD-Wähler im Nachbarhaus mal zum Kaffee einzuladen.

Rubriklistenbild: © Sebastian Gollnow/dpa

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