Nachwuchs hadert mit Merz-Koalition
„Nicht glücklich“ – Juso-Vize fordert „Konsequenzen“ von SPD-Spitze
Die Jusos sind gegen den Koalitionsvertrag. Nun wollen sie die SPD erneuern. Rückhalt für die Parteispitze aus Klingbeil und Esken gibt es nicht.
Berlin – Eine weitere Hürde auf dem Weg zu Schwarz-Rot ist genommen. Doch obwohl 84 Prozent der SPD-Mitglieder, die auch wählten, dem Koalitionsvertrag zustimmen, gehen die Sozialdemokraten alles andere als einig und geschlossen in die Rolle als Junior-Partner der Union. Der stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Lasse Rebbin macht dem Unmut der SPD-Jugendorganisation im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau Luft: Er deutet an, dass sich die etablierten Genossinnen und Genossen sich auf schwierige Jahre mit ihren jungen Wilden einstellen können.
SPD-Spitze ist froh über Ergebnis des Mitgliedervotums – Jusos sind enttäuscht von SPD und CDU
Die Wahlbeteiligung lag mit etwa 56 Prozent deutlich unter den letzten beiden Abstimmungen zu Koalitionsverträgen (je etwa 78 Prozent). Allerdings war es auch das erste rein digital ausgetragene Votum. Der Anteil der Ja-Stimmen war indes höher als bei den letzten beiden Abstimmungen zu Koalitionseintritten.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch gab sich bei der Präsentation des Ergebnisses zufrieden. „Damit bekommt die SPD eine große Rückendeckung von der Basis für das Eintreten in die Bundesregierung und damit für die Übernahme der Verantwortung im Sinne der Bundesrepublik Deutschland.“ Am Montag (5. Mai) will die SPD ihre Ministerinnen und Minister vorstellen, am Dienstag soll Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler gewählt werden.
Alles andere als froh dürfte an diesem Tag Rebbin sein. „Das Ergebnis stimmt uns nicht glücklich, aber wir akzeptieren es“, sagt er im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. „Der Koalitionsvertrag geht gegen unsere Grundüberzeugungen in Fragen der Migration, der Arbeit und dem Sozialen. Deswegen haben wir ihn abgelehnt und viele Mitglieder sind uns dabei gefolgt.“ Schwarz-Rot plant eine verschärfte Einreise- und Abschiebepolitik, außerdem sind Kürzungen im Sozialhaushalt – etwa beim Bürgergeld (dann als „Neue Grundsicherung“ bekannt) – vorgesehen.
„Koalitionsvertrag nur mit Faust in der Tasche zugestimmt“
Trotz der hohen Zustimmung hält der stellvertretende Juso-Chef eine entsprechend große echte Rückendeckung unter den SPD-Mitgliedern für unwahrscheinlich. „Ich glaube, dass viele SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag nur mit der Faust in der Tasche zugestimmt haben. Auch die Wahlbeteiligung ist nicht sehr hoch, vielleicht haben sich manche wegen der Inhalte sowie der personellen Aufstellung der Union einer Stimme enthalten“, mutmaßt Rebbin.
Auch wenn die SPD nun als Juniorpartnerin der Union mit dem politischen Gestalten beschäftigt sein dürfte, plädiert der Juso-Vize für Veränderungen in der Sozialdemokratie. Denn die Unzufriedenheit sei bei vielen spürbar. „Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, dass wir die gesamte Partei einem Erneuerungsprozess unterziehen und über die Bereiche Migration, Arbeit und Soziales sprechen. Denn neben der Regierung geht es auch um die Zukunft der SPD, die mit einem Ergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl nicht zufrieden sein kann“, mahnt Rebbin.
SPD-Spitze um Klingbeil und Esken müsse Konsequenzen ziehen
Den Jungsozialisten fällt es spürbar schwer, sich mit der neuen Realität abzufinden. Von der Kanzlerpartei zum Wahlabsturz und direkt in die nächste Regierung hinein – nun aber als kleiner Partner und mit der Mammutaufgabe, sich in der Staatsverantwortung neu aufzustellen und zu erfinden. Die Jusos wollen das soziale Gewissen von Merz und Klingbeil sein. „Wir werden diese Bundesregierung kritisch begleiten und kritisieren, wenn wir finden, dass sie sich in die falsche Richtung bewegt. Wir Jusos betrachten uns schon immer als Korrektiv“, sagt Rebbin.
Der (Noch-)Parteispitze aus Lars Klingbeil und Saskia Esken spricht Rebbin nicht gerade sein volles Vertrauen aus: „Die gesamte Parteispitze hat natürlich genauso wie andere Akteure dieses Wahlergebnis mitzuverantworten und dementsprechend auch die Verantwortung, es aufzuarbeiten und daraus Konsequenzen zu ziehen.“
Rückhalt von der eigenen Jugendorganisation sieht anders aus. Besonders Eskens Position scheint gefährdet, aus der Partei werden unzufriedene Rufe immer lauter. Ob nun Esken, Klingbeil oder Bärbel Bas: Die künftigen SPD-Chefs müssen sich in den nächsten Jahren auf eine unbequeme Jugendorganisation einstellen.
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