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Unterstützung gegen Putin

„Jahrelange Zerstörung und Zermürbung“: Wird die Ukraine zum zweiten Afghanistan?

Der Zermürbungskrieg in der Ukraine erinnert manche an den Abzug aus Afghanistan. Experten machen unterdessen drei mögliche Kriegsziele aus und mahnen die Politik.  

Berlin – Das Ende kam plötzlich: Nach 20 Jahren Krieg verließ der Westen 2021 Afghanistan. Innerhalb weniger Monate zogen die USA ihre Truppen ab, die anderen NATO-Staaten folgten dem Beispiel – und die Taliban übernahmen das Land. In diesen Tagen werden bei manchen Beobachtern Erinnerungen daran wach, wenn sie auf die Ukraine blicken.

Ukraine-Krieg dauert an: Unterstützung und Waffenlieferungen zu zögerlich, sagen Kritiker

Der Krieg dort dauert an, Kritiker mahnen: Der Westen unterstützt die Ukraine im Kampf gegen Putins Invasionstruppen zu zögerlich und überlässt das Land sich selbst. Macht der Westen dieselben Fehler wie in Afghanistan? Die Vorzeichen seien zwar gänzlich andere, sagen Experten, aber die Regierungen müssten sehr viel entschlossener handeln, um eine Katastrophe zu verhindern.

Industriepark Raufoss: Wo Spezialmunition für die Ukraine und Autoteile produziert werden

Ein zugefrorener See in Norwegen nördlich von Oslo
Raufoss liegt zwischen dichten Wäldern und großen Seen – gut 130 Kilometer nördlich der norwegischen Hauptstadt Oslo.  © Peter Sieben
Ein rotes Haus mit Holzfassade in der Dämmerung im Schnee
Bunte Häuser mit Holzfassaden säumen die Straßen. © Peter Sieben
Ein Straßenschild in Raufoss in Norwegen und ein Haus im Schnee
„Verteidigungsausrüstung“ steht auf dem Schild über dem Logo von Rüstungsproduzent Nammo. Wer durchs idyllische Städtchen Raufoss schlendert, rechnet nicht damit, dass direkt neben an ein bedeutender Industriepark liegt, in dem auch Munition für die Ukraine produziert wird.  © Peter Sieben
Øivind Hansebråten, CEO vom Raufoss Industriepark in Norwegen
Øivind Hansebråten ist CEO vom Raufoss Industriepark, einem der bedeutensten in Norwegen. Im Vergleich zu deutschen Parks ist er recht überschaubar. „Ich weiß, in Deutschland ist alles größer, aber für uns ist das schon ganz gut“, sagt Øivind und grinst. Dafür geht es hier recht familiär zu. © Peter Sieben
Emma Østerbø im Catapult Centre in Raufoss
Know-how wird im Industriepark geteilt: Emma Østerbø ist General Manager beim Raufoss Katapult Center. Hier können Start-Ups Prototypen testen.  © Peter Sieben
Gebäude von Benteler im Raufoss Industriepark in Norwegen
Im Raufoss Industriepark gibt es auch ein großes deutsches Unternehmen: der Autozulieferer Benteler. Dabei sind die Löhne hier höher als in Deutschland. Aber: Das Unternehmen nutzt hier auch norwegisches Know-How, um Automationsmechanismen zu testen.  © Peter Sieben
Mitarbeiter von Benteler in Raufoss in Norwegen
In den Produktionshallen von Benteler arbeiten pro Schicht nur zwei bis drei Menschen – das meiste läuft automatisiert. Das hat zwei Gründe: Fachkräfte sind Mangelware, im riesigen Norwegen leben vergleichsweise wenige Menschen. Und: Die Löhne für Fachkräfte sind hoch. Viele Unternehmen setzen auf Automation.  © Peter Sieben
Das moderne Verwaltungsgebäude von Nammo in Raufoss in Norwegen
Das moderne Verwaltungsgebäude von Nammo: Der Rüstungskonzern und Produzent von Spezialmunition gehört zu den ganz großen und zentralen Unternehmen im Industriepark.  © Peter Sieben
Eine Backstein-Werkshalle von Nammo im Raufoss-Industriepark in Norwegen
Eine der Werkshallen von Nammo: Im Raufoss Industriepark gibt es zahlreiche renovierte historische Gebäude.  © Peter Sieben
Nammo-Munitionsfabrik in Raufoss in Norwegen
Fotos dürfen in der Munitionsfabrik nur an einer einzigen Stelle gemacht werden. Damit keine sensiblen Informationen nach außen dringen, gelten strenge Sicherheitsregeln.  © Peter Sieben
Ein Arbeiter an einer Maschine in der Munitionsfabrik von Nammo in Raufoss in Norwegen
Präzision hat eine hohe Priorität: Mithilfe von Robotern und Computertechnik werden die Projektile gefertigt.  © Peter Sieben
Thorstein Korsvold (links), Pressesprecher von Nammo, im Gespräch mit Redakteur Peter Sieben.
Thorstein Korsvold (links), Pressesprecher von Nammo, im Gespräch mit Redakteur Peter Sieben.  © Ippen.Media
Thorstein Korsvold, Pressesprecher von Nammo, stemmt eine Stahlhülse
Thorstein Korsvold stemmt eine der fertigen Hülsen, die zu Projektilen weiterverarbeitet werden: „Wiegt locker 30 bis 40 Kilo.“ Das meiste, das sie hier produzieren, geht an die ukrainischen Streitkräfte. So werden hier Rohlinge für M72-Panzerabwehrmunition gefertigt, die von ukrainischen Soldaten massenhaft verschossen werden. „Wir sind stolz auf unsere Produktion“, sagt Thorstein. „Aber es hat alles zwei Seiten. Wenn unser Geschäft besonders gut läuft, hat das düstere Gründe.“  © Peter Sieben

„Auch wenn sich beide militärische Konfrontationen zeitlich anschließen, da das Scheitern in Afghanistan und der folgenschwere Abzug aus Kabul nicht zuletzt auch durch die Kriegshandlungen in der Ukraine aus dem öffentlichen Gedächtnis gedrängt wurden, drängen sich mir doch eher signifikante Unterschiede zwischen beiden Kriegssituationen auf“, sagt David Leupold, Soziologe am Leibniz-Zentrum Moderner Orient in Berlin. Denn beim Krieg in Afghanistan müsse man weniger von einem militärischen als vielmehr von einem politischen Scheitern sprechen: Der Westen habe es nicht geschafft, einen von der afghanischen Bevölkerung anerkannten Staat aufzubauen.

Krieg in der Ukraine: „Vergleich zum Vietnamkrieg drängt sich regelrecht auf“

Der gegenwärtige Ukraine-Krieg ähnele weniger dem Krieg in Afghanistan, sondern sei eher in einer Kontinuität zu länger anhaltenden Stellvertreterkriegen zu begreifen: „Nämlich solche, wie wir sie während des Kalten Kriegs beispielsweise in Korea oder Vietnam beobachten konnten“, so Leupold. Spätestens seit Eintreten des Ukraine-Kriegs in die Phase des Zermürbungskriegs dränge sich ein Vergleich zum Vietnamkrieg regelrecht auf, der trotz massiver militärischer Ausgaben und menschlicher Verluste von den USA nicht gewonnen werden konnte und ein vollständig verwüstetes Land hinterließ.

Anna Veronika Wendland erkennt unterdessen gewisse Lehren, die sich jetzt aus der Afghanistan-Erfahrung ziehen ließen. Die Osteuropa- und Technikhistorikerin forscht am Herder-Institut in Marburg und sagt: „Militärische Aktivitäten mit dem Ziel, einen Konflikt zu befrieden und ein Territorium zu kontrollieren, scheitern, wenn die Akteure sich nicht über ihre Ziele im Klaren oder nicht willens sind, ihre Mittel dem jeweils erklärten Ziel anzupassen.“

Will der Westen, dass die Ukraine gewinnt – oder dass Putin verliert?

Es gebe drei mögliche Kriegsziele: Will der Westen, dass die Ukraine nicht verliert, dass die Ukraine gewinnt oder aber, dass Russland verliert? „Das erste impliziert ein jahrelanges Weiter so auf dem heutigen Level“, konstatiert Wendland. Es könne sich ein jahrzehntelanger Partisanenkrieg entwickeln, in dem Russland immer nur einen Teil des Landes kontrolliere: „Aber die gesamte Ukraine als Beute Russlands ist eher ausgeschlossen.“ Für das zweite Ziel müsse der Westen die Ukraine viel stärker mit Munition, Waffensystemen und Finanzhilfen unterstützen, so die Expertin. Beim dritten Ziel gehe es nebenbei noch um einen Regimewechsel in Russland, um auch bei einem Sieg der Ukraine einen neuen Angriff Russlands zu verhindern: „Das ist gewissermaßen die Zweite-Weltkriegs-Variante“, so Wendland; damals strebten die Alliierten das Ende des Nazi-Regimes in Deutschland an.

Ukraine-Krieg reicht jetzt bis nach Moskau: Fotos zeigen den Schaden durch Drohnen-Angriffe

Mehrere Wohngebäude werden geringfügig beschädigt, zwei Menschen leicht verletzt.
Am frühen Dienstagmorgen meldete die russische Hauptstadt verschiedene Drohnenangriffe. © IMAGO/Vitaly Smolnikov/Tass
Russlands Verteidigungsministerium machte die Ukraine dafür verantwortlich und spricht von „Terror“. Die Führung in Kiew weist die Beschuldigungen zurück.
Russlands Verteidigungsministerium machte die Ukraine dafür verantwortlich und spricht von „Terror“. Die Führung in Kiew weist die Beschuldigungen zurück. © IMAGO/Vitaly Smolnikov/Tass
Mitarbeiter des Rettungsdienstes nach einem gemeldeten Drohnenangriff in Moskau, Russland, vor einem Wohnblock.
Mitarbeiter des Rettungsdienstes nach einem gemeldeten Drohnenangriff in Moskau, Russland, vor einem Wohnblock. © IMAGO/Aleksey Nikolskyi/SNA
„Heute Morgen hat das Kiewer Regime einen Terrorakt mit unbemannten Flugkörpern auf Objekte der Stadt Moskau verübt“, hieß es vom russischen Militär.
„Heute Morgen hat das Kiewer Regime einen Terrorakt mit unbemannten Flugkörpern auf Objekte der Stadt Moskau verübt“, hieß es vom russischen Militär.  © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Verteidigungsminister Sergej Schoigu lobte die eigene Flugabwehr. Insgesamt seien acht Drohnen zerstört worden.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu lobte die eigene Flugabwehr. Insgesamt seien acht Drohnen zerstört worden. © Tass/IMAGO/Vitaly Smolnikov
Nach den Drohnen-Angriffen sperrten Sicherheitskräfte die Gegend ab.
Nach den Drohnen-Angriffen sperrten Sicherheitskräfte die Gegend ab. © IMAGO/Denis Bocharov
In sozialen Netzwerken hingegen vermuten viele, dass in Wirklichkeit viel mehr der kleinen Apparate - die optisch etwas wie Mini-Flugzeuge aussehen - auf Moskau zuflogen.
In sozialen Netzwerken hingegen vermuten viele, dass in Wirklichkeit viel mehr der kleinen Apparate - die optisch etwas wie Mini-Flugzeuge aussehen - auf Moskau zuflogen. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Seit Wochen schon häufen sich Attacken auch in Russland - meist jedoch in der unmittelbaren Grenzregion zur Ukraine und nicht auf zivile Objekte.
Seit Wochen schon häufen sich Attacken auch in Russland - meist jedoch in der unmittelbaren Grenzregion zur Ukraine und nicht auf zivile Objekte.  © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Es war aber nicht das erste Mal seit Beginn des Kriegs vor mehr als 15 Monaten, dass Drohnen bis in die Hauptstadt flogen.
Es war aber nicht das erste Mal seit Beginn des Kriegs vor mehr als 15 Monaten, dass Drohnen bis in die Hauptstadt flogen. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Erst Anfang Mai wurden zwei Flugkörper unmittelbar über dem Kreml abgefangen. Das brachte spektakuläre Bilder.
Erst Anfang Mai wurden zwei Flugkörper unmittelbar über dem Kreml abgefangen. Das brachte spektakuläre Bilder. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Damals wurde aus Sicht der Moskauer aber nicht das Dach des eigenen Gebäudes getroffen, sondern der Amtssitz von Präsident Wladimir Putin - und der war zum besagten Zeitpunkt nicht zuhause.
Damals wurde aus Sicht der Moskauer aber nicht das Dach des eigenen Gebäudes getroffen, sondern der Amtssitz von Präsident Wladimir Putin - und der war zum besagten Zeitpunkt nicht zuhause. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Nun aber ist die Verunsicherung in der Riesenmetropole mit mehr als 13 Millionen Einwohnern groß. Die sozialen Netzwerke quellen über.
Nun aber ist die Verunsicherung in der Riesenmetropole mit mehr als 13 Millionen Einwohnern groß. Die sozialen Netzwerke quellen über. © IMAGO/Vitaly Smolnikov/Tass

Jetzt laviere der Westen zwischen Ziel eins und zwei – und das sei ein Problem: „Wer öffentlich sagt, die Ukraine müsse siegen, muss seine Aktionen diesem Ziel besser anpassen“, so Wendland. „Es droht sonst eine jahrelange Zerstörung und Zermürbung der Ukraine.“ Sprich: Die Regierungen müssen entschlossener handeln. „Eine Herausdrängung der russischen Besatzer aus der Ukraine und die Wiederherstellung der völkerrechtlichen Ordnung ist immer noch möglich, wenn sich die westlichen Akteure nach dem Vorbild USA zu einer neuen Anstrengung zusammenfinden und realisieren, dass sie auf Kriegswirtschaft umstellen müssen.“

Sprecher der Union: Deutschland muss „Wertepartner Ukraine“ auch nach dem Krieg intensiv unterstützen

Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnt vor Vergleichen mit dem Afghanistan-Krieg. Dazu seien die Unterschiede in nahezu allen Bereichen, wie etwa Kultur, Bevölkerung und politischer Führung, zu groß. Aber er sagt: „Die zögerliche Unterstützung der Ukraine gefährdet in der Tat den Fortbestand des Landes und insbesondere seiner territorialen Integrität.“

Die gesamte Kriegsführung Putins sei darauf ausgerichtet, den Staat Ukraine vollends zu unterwerfen. „Die westliche Unterstützung konnte dazu beitragen, zunächst den Kollaps der ukrainischen Staatlichkeit zu verhindern und das Vorrücken russischer Kräfte aufzuhalten und sogar zurückzudrängen“, so Hahn. Wichtig sei dabei: Auch nach Abschluss der Kampfhandlungen werde der Westen dem „Wertpartner Ukraine“ massive Unterstützung zukommen lassen müssen: „Um ihn folgend an uns zu binden und damit auch dem überwiegenden Wunsch der ukrainischen Bevölkerung zu folgen.“

Hahn nimmt dabei die Bundesregierung in die Pflicht: Sie sei „eine Antwort schuldig geblieben, wie sie die dauerhafte Unterstützung der Ukraine und parallel die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr im Zuge der Zeitenwende mit der Ausrichtung auf Bündnis- und Landesverteidigung gewährleisten kann“. Ein strategisches Gesamtkonzept fehle.

Rubriklistenbild: © Ukrinform/dpa

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