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Hate Speech im Netz

„Wo dich niemand mehr findet“:  Immer mehr Kommunalpolitiker bedroht - jetzt reagiert der Landtag

Henriette Reker, damals Kölner Oberbürgermeisterkandidatin, wurde 2015 Opfer eines tätlichen Angriffs.
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Henriette Reker, damals Kölner Oberbürgermeisterkandidatin, wurde 2015 Opfer eines tätlichen Angriffs.

Kommunalpolitiker werden zunehmend bedroht und beleidigt - doch die Gesetzeslage ist schwierig.

  • Viele Kommunalpolitiker werden im Internet bedroht.
  • Die Gesetzeslage bei Hate Speech ist allerdings schwierig.
  • Der Münchner Landtag will jetzt Maßnahmen ergreifen.

München – Die Bedrohungen fingen an, als sie einen Asylhelferkreis gründen wollte. Im April 2016 war Silvia Kugelmann schon acht Jahre Bürgermeisterin in der 2500-Einwohner-Gemeinde Kutzenhausen bei Augsburg. Was dann begann, hat sie inzwischen oft geschildert. Briefe, mit denen sie um Freiwillige warb, landeten wieder im Rathaus-Briefkasten. Händisch beschrieben mit persönlichen – und wie so oft bei betroffenen Politikerinnen auch sexistischen – Beleidigungen. Und einer Drohung: „Wir bringen dich dahin, wo dich niemand mehr findet.“

Ihr Auto wurde mit Kot beschmiert. In einem Reifen steckte ein Nagel, bei Tempo 160 entwich plötzlich die Luft. Lange behielt sie für sich, was ihr widerfahren war. Erst nach eineinhalb Jahren ging sie an die Öffentlichkeit. Dann hörten die anonymen Angriffe auf. Und sie erfuhr, dass sie nicht alleine war.

Hetze gegen Kommunalpolitiker bleibt oft ohne Konsequenzen

Seitdem hat die Bürgermeisterin oft mit betroffenen Kollegen gesprochen. Im Juli hatte sie der Bundespräsident eingeladen, am Mittwoch sprach sie im Rahmen einer Expertenanhörung zur Bedrohung von Kommunalpolitikern vor dem Innenausschuss des Landtages. Es sei gut, ernst genommen zu werden, sagte sie. Doch zeige die Erfahrung, dass Beleidigungen, Bedrohungen oder Hass-Posting im Internet kaum je Konsequenzen hätten.

Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, wie viele kommunale Mandatsträger Ähnliches erlebt haben. Laut jüngeren Umfragen haben inzwischen vier von zehn Bürgermeistern Erfahrung mit Anfeindungen und Bedrohungen. Und das keineswegs nur anonym und im Internet.

Bedrohte Bürgermeister „wollen sich das nicht mehr antun“

In Bayern stehen im Frühjahr Kommunalwahlen an. Doch immer mehr Bürgermeister „hören auf, wollen sich das nicht mehr antun“, ist Kugelmanns Eindruck. „Es wird auch schwieriger, Kandidaten für die Gemeinderäte zu finden“, pflichtete ihr Hans-Peter Mayer, Direktor des Bayerischen Gemeindetages, bei.

Politik und Behörden stehen bei der Erfassung des Phänomens erst am Anfang. Die Datenlage ist dünn, die Gesetzeslage schwierig. Den Experten zufolge werden wohl nur wenige Delikte überhaupt angezeigt. Wie viele Anzeigen zu Verurteilungen führen, ist unklar. „Es gibt keine Verlaufsstatistiken“, erklärte der Münchner Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst. „Nach unseren Rückmeldungen liegt die Zahl abgeschlossener Strafverfahren im homoöpatischen Bereich“, berichtete Gemeindetags-Direktor Mayer.

Justizminister Georg Eisenreich (CSU) fordert Sonderdezernate

Die teils widersprüchlichen Empfehlungen der Experten reichten von einer Verschärfung des Strafrechts über mehr Personal und Befugnisse für Ermittler und Strafverfolger bis zu Anlaufstellen für Betroffene und einer stärkeren politischen Bildung.

Vereinzelt reagiert die Politik bereits. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) verkündete ebenfalls am Mittwoch die Einrichtung von Sonderdezernaten zur Verfolgung von Hass im Netz bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften. Anders als im anglo-amerikanischen Raum gebe es in Deutschland aber gar keine klare juristische Definition sogenannter „Hate-Speech“-Delikte, sagte Armin Engländer, Strafrechts-Experte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, im Ausschuss.

Hetze im Netz: „Die Grenzziehung zur Meinungsfreiheit ist schwierig“

„Die Grenzziehung zur Meinungsfreiheit ist schwierig“, ergänzte der Leitende Münchner Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst. Und Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung Tutzing monierte, dass in Bayern erwogen werde, politische Bildung an Gymnasien zu einem abwählbaren Fach zu degradieren.

Eines der größten Probleme sei aber, „die mangelnde Solidarität der Gutwilligen“, beklagte Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführer des hessischen Städte- und Gemeindebundes. Eine Erfahrung, die auch Bürgermeisterin Silvia Kugelmann teilt. „Es fehlt die Unterstützung der Wohlwollenden“. Denn auch die hätten inzwischen Angst, selbst ins Fadenkreuz zu geraten.

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